Netzwirtschaft

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Die Digitalisierung erfasst immer mehr Lebensbereiche. Wie sie sich auf Menschen und Märkte auswirkt, beleuchtet das Netzwirtschaft-Blog auf FAZ.NET.

Breitband für alle? Von Bernd Holznagel und Arnold Picot

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Verfügbarkeit und Nutzung von Breitbandkommunikation haben große Bedeutung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Daher gehört der zügige Ausbau der Breitband-Infrastruktur zu den zentralen Aufgaben der Standortsicherung in Deutschland. Das Vertrauen in die Marktkräfte, wie es die Bundesregierung tut, wird aber nicht ausreichen, um die Lücken in der Breitbandkarte Deutschlands zu schließen, kritisieren Bernd Holznagel und Arnold Picot.

Bild zu: Breitband für alle? Von Bernd Holznagel und Arnold Picot Bild zu: Breitband für alle? Von Bernd Holznagel und Arnold PicotDas Verschwinden von gedruckten Kurs- und Telefonbüchern oder Flugplänen ist nur das allereinfachste Indiz dafür, dass ohne leistungsfähigen Zugang zum Internet eine Teilhabe in Gesellschaft und Wirtschaft kaum noch möglich ist. Verfügbarkeit und Nutzung von Breitbandkommunikation haben große Bedeutung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Daher gehört der zügige Ausbau der Breitband-Infrastruktur zu den zentralen Aufgaben der Standortsicherung in Deutschland. Das Vertrauen in die Marktkräfte, wie es die Bundesregierung tut, wird aber nicht ausreichen, um die Lücken in der Breitbandkarte Deutschlands zu schließen, kritisieren Bernd Holznagel (Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Uni Münster, Foto rechts) und Arnold Picot (Institut für Information, Organisation und Management an der Uni München) in einem Gastbeitrag, der in gekürzter Form in der F.A.Z. vom 15. Juni erschienen ist.
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Der Breitbandanschluss ist heute und erst recht in Zukunft die Nabelschnur zu den Informationen, sozialen Kontakten, Dienstleistungen und Wissensressourcen unserer Welt. Das Verschwinden von gedruckten Kurs- und Telefonbüchern oder Flugplänen ist nur das allereinfachste Indiz dafür, dass ohne leistungsfähigen Zugang zum Internet eine Teilhabe in Gesellschaft und Wirtschaft kaum noch möglich ist. Verfügbarkeit und Nutzung von Breitbandkommunikation haben große Bedeutung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Die OECD geht davon aus, dass die Breitbandkommunikation schon 2011 mit einem Drittel zum Produktivitätswachstum der wirtschaftlich hochentwickelten Staaten beiträgt. Der Breitbandbedarf steigt unaufhörlich. Unternehmen aller Größenordnungen, aber insbesondere auch die privaten Verbraucher fragen verstärkt schnelle hochleistungsfähige Internetverbindungen nach, um vielfältige Dienstleistungen und Transaktionen abzuwickeln, sich an sozialen Netzwerken zu beteiligen oder Video- und Audiodateien zu tauschen. Weltweit wird bereits bis 2015 mit einer Verzehnfachung des Datenvolumens gerechnet, welches über die globalen Telekommunikationsnetze transportiert werden muss. Die bestehenden Infrastrukturen stoßen angesichts dieser rasanten Entwicklung schnell an ihre Grenzen.

Viele Experten sind sich daher einig, dass der zügige Ausbau der Breitbandinfrastruktur heute zu den zentralen Aufgaben der Standortsicherung in der Bundesrepublik gehört. Übertragungsraten von 50 bis über 100 Megabit pro Sekunde (MBit/s) werden flächendeckend erforderlich sein, um die künftigen Internetdienste verbreiten und die hierbei anfallenden Spitzenlasten bewältigen zu können. Langfristig geht es um den Austausch des bestehenden kupfernen Telefonnetzes durch ein Glasfasernetz bis zum Endkunden. Dies sehen auch zahlreiche OECD-Länder so und treiben wie Frankreich, Schweden, Finnland oder Australien den Glasfaserausbau konsequent voran. Korea und Japan sind in dieser Hinsicht allen anderen Ländern bereits weit voraus. Das Vereinigte Königreich wird – ähnlich wie in Australien schon geschehen – einen Breitbandminister ernennen. Ambitioniert klingen die jüngst verkündeten Ziele der EU-Kommission für eine „Digitale Agenda Europa” der 27 bekanntlich sehr unterschiedlich strukturierten Mitgliedstaaten: Dieser Strategie zufolge sollen alle Europäer bis 2020 über einen Breitbandanschluss von mindestens 30 MBit/s verfügen. Die Hälfte aller Haushalte soll Leitungen mit 100 MBit/s haben. Anders verfährt die Bundesregierung in ihrer nationalen Breitbandstrategie aus dem Jahre 2009. Sie formuliert weitaus bescheidenere Ziele: Bis spätestens Ende 2010 sollen die bislang nicht versorgten Gebiete mit Breitbandanschlüssen von 1 MBit/s abgedeckt werden. Bis spätestens 2014 sollen für 75 Prozent der Haushalte Anschlüsse mit Übertragungsraten von mindestens 50 MBit/s zur Verfügung stehen. Vor dem Hintergrund eines stetig wachsenden Breitbandbedarfs kann es sich hierbei allenfalls um Zwischenetappen handeln. Selbst wenn dieses Ziel erreicht würde: Was wäre dann mit den übrigen 25 Prozent der Haushalte, die immerhin etwa 20 Millionen Bürger ausmachen. Warum soll deren Nabelschnur so viel weniger leisten?

Um ihre Vorgaben zu erreichen, vertraut die Bundesregierung auf die Kräfte des Marktes. Die Marktteilnehmer sollen darüber entscheiden, wann sie ihre Netze aufrüsten. Der Bund beschränkt sich auf ergänzende Maßnahmen. Sie alle verfolgen das Ziel, die Rahmenbedingungen für private Investitionen zu verbessern. Zu den vier Kernbestandteilen dieser Strategie gehört erstens, den gemeinsamen Aufbau hochleistungsfähiger Infrastrukturen zu unterstützen. Auf diese Weise soll das Investitionsrisiko auf mehrere Schultern verteilt werden. Das Bundeskartellamt hat daher zu den Spielräumen der Zusammenarbeit Leitlinien formuliert, um für Rechtssicherheit zu sorgen. Denn eine Kooperation der Unternehmen beim Breitbandausbau könnte sonst schnell als Verstoß gegen das Kartellverbot gewertet werden. Eine zweite wichtige Maßnahme ist es, die Mitbenutzung bestehender Infrastrukturen zu erweitern. Die Bundesnetzagentur ordnet deshalb z.B. den Zugang zu bestehenden Leerrohren der Deutsche Telekom an. Infrastrukturbetreiber können damit ihre Glasfasern verlegen, ohne kostenträchtige Tiefbauarbeiten vornehmen zu müssen. Drittens soll die sog. Digitale Dividende zügig für eine verbesserte Breitbandversorgung eingesetzt werden. Aus diesem Grunde fand gerade ein viel beachtetes Versteigerungsverfahren statt, um die freien Frequenzen an die leistungsfähigsten Unternehmen zu vergeben. In der Sache geht es insbesondere darum, den Teil des Frequenzspektrums, den der Rundfunk infolge der Digitalisierung der Übertragungswege nicht mehr in Anspruch nimmt, nun den Mobilfunkunternehmen gegen Höchstgebot sowie unter Auflage der primären Versorgung ländlicher Wohngebiete zur Nutzung zu überlassen. Die Mobilfunkunternehmen planen die Einführung der UMTS-Nachfolgeneration (LTE-Technik), wodurch höhere Bandbreiten als bisher zur Verfügung stehen, um auch per Handy breitbandige Internetdienste zu nutzen. Viertens wird der Aufbau eines Infrastrukturatlas vorangetrieben, in dem möglichst alle relevanten Telekommunikationsnetze und andere netzbasierten Infrastrukturen verzeichnet sind. Dies soll die Planungen für neue Netze erleichtern und eine volkswirtschaftlich unerwünschte Verdoppelung von Infrastrukturen vermeiden helfen.

Schon jetzt lässt sich aber absehen, dass allein durch die Marktkräfte eine sachgemäße, nachhaltige Versorgung der ländlichen Räume nicht sicherzustellen ist. Hier sind die Entfernungen zwischen Kabelverzweigern und Endkunden oftmals so groß, dass über das etablierte Kupferkabel aufgrund von physikalischen Dämpfungseffekten kaum Bandbreite beim Endkunden ankommt. In diesem Zusammenhang wird von einer Digitalen Kluft zwischen den gut versorgten Ballungsgebieten und dem ländlichen Raum gesprochen. Aufgrund der geringeren Bevölkerungsdichte ist es aus Sicht der Telekommunikationsunternehmen betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll, auch diese Bereiche mit breitbandigem Internet zu versorgen. Vor allem die hohen Grabungskosten sorgen dafür, dass sich die Kosten für einen Netzaufbau bzw. eine Netzerweiterung in diesen weißen Flecken nicht in den Zeiträumen amortisieren lassen, die sich die TK-Firmen zum Ziel gesetzt haben. Während also in den Städten bereits heute vielfach dem privaten Haushalt Bandbreiten von 100 MBit/s und mehr angeboten werden, fehlen in vielen entlegeneren Regionen noch die Möglichkeiten, Breitbandanschlüsse von wenigen Megabit zu erhalten. Wie der Breitbandatlas der Bundesregierung ausweist, ist teilweise sogar nicht einmal ein DSL-light-Anschluss (128 Kbit/s) möglich. Die digitale Kluft zwischen Stadt und Land droht weiter zuzunehmen, statt sich zu verringern.

Auch die von der Bundesregierung eingeleiteten flankierenden Maßnahmen werden dieses Strukturproblem nicht entscheidend lösen können. Für einen gemeinsamen Ausbau gibt es wirtschaftlich wenig Anreize, wenn das Projekt aus Sicht eines Investors insgesamt wirtschaftlich nicht trägt. Zudem erweist es sich in der Praxis als schwierig, die unterschiedlichen Geschäftskulturen zusammenzubringen. Positive Ausbaueffekte werden von der kürzlich von der Bundesnetzagentur angeordneten gemeinsamen Nutzung sog. Schaltverteiler erwartet. Hierdurch kommt die Glasfaser näher an den Endkunden auf dem Land heran, was die Übertragung höherer Bitraten ermöglicht. Diese Maßnahme wird aber nur in einigen Regionen von Bedeutung sein und auch nur eine Zwischenlösung darstellen können. Ähnliches ist von der neuen Mobilfunkgeneration zu erwarten. Zwar sind die Unternehmen gezwungen, hier ausgewählte ländliche Regionen prioritär zu versorgen. Die Leistungsfähigkeit dieser Technik darf aber nicht überschätzt werden, zumal noch keine massentauglichen Endgeräte auf dem Markt sind. Zudem gibt es derzeit keinen effizienten Mechanismus, mit dem die Einhaltung der den Mobilfunkunternehmen gemachten Auflagen überwacht und durchgesetzt werden kann. Ferner ist bei drahtlosen Breitbandlösungen stets im Auge zu behalten, dass sie auch in Zukunft um Größenordnungen hinter der Leistungsfähigkeit der drahtgebundenen Kommunikation, vor allem der Glasfasernetze, zurückbleiben und dass die Nutzbarkeit der angebotenen mobilen Bandbreite durch die Zahl der simultan aktiven Nutzer reduziert wird (shared medium), so dass die theoretisch mögliche Bandbreite praktisch nur selten erreicht wird. Der Infrastrukturatlas hat in den letzten Monaten erhebliche Fortschritte zu verzeichnen. Jedoch ist er inhaltlich (noch) nicht hinreichend vollständig.

Diese Umstände rufen die Kommunen auf den Plan, die die Attraktivität ihrer Gewerbe- und Wohngebiete mangels einer Verfügbarkeit von Breitbandzugängen schwinden sehen und einer Landflucht entgegentreten wollen. Insbesondere Länder wie Baden-Württemberg wehren sich vehement dagegen, dass ihre als Wirtschaftsfaktor wichtigen ländlichen Regionen von einer zeitgemäßen Breitbandversorgung abgekoppelt werden. Um die Telekommunikationsunternehmen zum Netzausbau zu bewegen, haben die Länder und Kommunen in den unter- oder unversorgten Regionen zwei Handlungsoptionen: Sie können die beim Ausbau entstehende Wirtschaftlichkeitslücke schließen oder selbst den Netzausbau, ggf. in Kooperation mit Privaten (Public Private Partnership) tätigen.

Die Schließung der Wirtschaflichkeitslücke können die Kommunen bewerkstelligen, indem sie Bürgschaften einräumen, die Unternehmen bei der Gewinnung ausreichender Kunden unterstützen oder Planungs- und Tiefbauarbeiten übernehmen. Sehr häufig werden auch direkte finanzielle Zuschüsse gewährt. Wohlhabende Kommunen bestreiten diese aus eigenen Haushaltsmitteln. Zumeist sind die Kommunen aber darauf angewiesen, staatliche Förderprogramme in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund haben die Länder seit 2007 damit begonnen, eigene Förderprogramme aufzulegen. Sie erlauben zum Teil auch, dass nicht nur einzelne Gemeinden, sondern regionale Cluster gefördert werden. Der Bund ist wenig später mit dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” gefolgt, und zwar mit einem bescheidenen Volumen von 30 Mio. € in einem Zeitraum von 2008 bis 2010. Das Konjunkturpaket aus dem Jahre 2009 sieht für kommunale Investitionen insgesamt rund 13 Mrd. € vor, davon stehen 35 Prozent für Infrastrukturinvestitionen auf kommunaler Ebene zur Verfügung. Es ist bisher nicht bekannt, in welchem Ausmaß diese Mittel in Breitbandinvestitionen des ländlichen Raums geflossen sind oder noch fließen sollen. Jüngst hat der hessische Wirtschaftsminister vorgeschlagen, einen großen Teil der rund 4,4 Mrd. € Einnahmen aus der Versteigerung der Digitalen Dividende für den Glasfaserausbau im ländlichen Raum einzusetzen.

All diese Maßnahmen sind dem Einwand ausgesetzt, dass es sich hierbei um europarechtswidrige Beihilfen handele. Die beihilferechtliche Beurteilung ist im Einzelfall schwierig. Dies wird auch anhand der inzwischen fast 60 Einzelentscheidungen der Europäischen Kommission zu diesem Thema deutlich. Sie weisen einen hohen Grad an Unübersichtlichkeit auf, die in der Praxis zu großer (Rechts-)Unsicherheit bei der Auflegung staatlicher Förderprogramme und der Auswahl zulässiger Unterstützungsmaßnahmen vor Ort geführt hat. Um dieses Problem zu bewältigen, hat die Kommission im September 2009 „Leitlinien für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau” erlassen. Die dort vorgenommene Einteilung in weiße, graue und schwarze Flecken ist grundsätzlich zu begrüßen. Hiernach darf immer dort das Netz ausgebaut werden, wo kein Anbieter bereit ist zu investieren („weiße” Gebiete). Gibt es jedoch bereits einen Anbieter, so muss die Förderung genau begründet werden („graue” Gebiete). Das Verfahren ist unbestritten aufwändig, da es präzise Marktanalysen anhand schwer einholbarer Informationen erfordert und die Kommunen schnell überlastet. Jedoch stellt es eine Möglichkeit dar, das Spannungsverhältnis zwischen der Ermutigung zu privaten Investitionen einerseits und der Entwertung ebensolcher Investitionen durch Förderung an anderer Stelle zu lösen. Gibt es Wettbewerb (so in den „schwarzen” Gebieten), dann ist zu Recht nur in Ausnahmefällen eine Förderung erlaubt. Monopolkommission und Bundesregierung kritisieren, dass in grauen Gebieten gefördert werden darf. Dabei wendet sich die Monopolkommission insbesondere dagegen, dass durch Beihilfen Infrastrukturwettbewerb erzeugt wird. Die Aufgabe von Subventionen sei es nicht, fehlende Regulierung zu ersetzen oder „falsche” Regulierung zu korrigieren. Diese Kritik trifft jedoch nicht zu. Durch die Unterstützungsmaßnahmen wird eine ausreichende Breitbandversorgung bezweckt. Wenn der Markt diese nicht erzeugt, muss der Staat aktiv werden. Es ist volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, die ländlichen Regionen vom Zugang breitbandiger Internetinfrastruktur abzukoppeln – gerade weil sich die Anbindung an das Glasfasernetz zu einem zentralen Standortfaktor entwickelt. Breitband ist heute so wichtig wie andere lebenswichtige Infrastrukturen (Autobahnen, Wasser- und Stromleitungen). Die von der Monopolkommission kritisierten Nebeneffekte sind daher hinzunehmen.

Allerdings ist die Verzahnung von Regulierungs- und Beihilferecht bisher nur unzureichend gelungen. So verpflichten die Leitlinien zutreffend zu Open Access. Die Netze sollen allen Interessenten offen stehen, wenn sie mit den Mitteln der Allgemeinheit finanziert werden. Jedoch definieren die Leitlinien nicht, was diese Anforderungen im einzelnen bedeuten. Eine Verpflichtung zum Erhalt der Netzneutralität (d.h. Management und Nutzung des Netzes ohne Diskriminierung durch den Netzbetreiber) wird anders, als dies in den USA üblich ist, nicht auferlegt. Kritisch ist das hier von der EU eingeforderte Postulat der Technologieneutralität zu bewerten, also das Erfordernis, die Ausbauprojekte unabhängig von der konkret eingesetzten Technologie zu beurteilen. Funkanlagen können eine sinnvolle Übergangslösung und insofern allenfalls eine zeitweises funktionales Äquivalenz sein, aber den Ausbau mit Glasfaser mit ihrer weit und nachhaltig überlegenen Leistungsfähigkeit können sie nicht ersetzen. Es ist daher langfristig wenig sinnvoll, wenn mit dem Argument, dass Funklösungen kostengünstiger sind, die Verlegung von Glasfasernetzen verzögert oder gar verhindert wird. Problematisch ist auch der Mechanismus, mit dem zuviel geleistete Beihilfen zurückholt werden sollen. Er beginnt immer dann anzulaufen, wenn die tatsächlich erzielten Renditen den im Businessplan ausgewiesenen bei weitem übersteigen. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Wirtschaftlichkeitslücke deutlich kleiner ist, als ursprünglich veranschlagt. Um hier die Überkompensation zu ermitteln, werden den Kommunen überaus aufwändige und längjährig wirkende Berichtspflichten auferlegt.

Fördermaßnahmen scheitern häufig an den nicht ausreichend verfügbaren Finanzmitteln. Zudem hat die Schließung der Wirtschaftlichkeitslücke den Nachteil, dass die Kommunen zwar Geldaufbringen, aber am Netz keine Eigentumsrechte erwerben. Die Kommunen übernehmen daher immer häufiger die Initiative und errichten die notwendige Netzinfrastruktur in eigener Regie, ggf. in Public Private Partnership. Sie oder ihre Stadtwerke gehen dabei von längeren Amortisierungszeiträumen aus, als dies bei den Telekommunikationsunternehmen der Fall ist. Nur selten treten sie als Betreiber auf, die für die Pflege der Endkundenbeziehungen verantwortlich sind. Aber auch die Umsetzung dieser Strategie ist nicht einfach. Zunächst einmal haben die Kommunen erhebliche Schwierigkeiten, um die notwendigen Netzaufbauplanungen vorzunehmen. Der Infrastrukturatlas ist nicht verlässlich, da er auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruht. Anders als die herkömmlichen Telekommunikationsnetzbetreiber haben sie keine Auskunftsansprüche gegenüber der Bundesnetzagentur. Zwar stellt die Deutsche Telekom Daten über die Lage der Netze zur Verfügung. Sie macht dies aber von einer Unterzeichnung einer Geheimhaltungsverpflichtung abhängig. Diese ist für die Berater der Kommunen häufig so strikt abgefasst, dass sie sich scheuen, diese zu unterzeichnen. Auch das Gemeinderecht ist in einigen Ländern wenig hilfreich. Eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen im Bereich der Telekommunikation ist dort recht engen Begrenzungen unterworfen. Zudem ist den Gemeinden regelmäßig untersagt, außerhalb ihres Gebietes tätig zu werden.

Auch ergeben sich erhebliche Unsicherheiten durch das Beihilferecht. In den Beihilfeleitlinien war zunächst der Leerrohrausbau nicht als Beihilfe eingestuft. Dies hätte den Kommunen ermöglicht, die passive Infrastruktur in eigener Verantwortung zu errichten. Die Kommission hat jedoch diese Position nach einer Intervention der Satellitenbetreiber revidiert. Damit unterliegt auch der Leerrohrausbau grundsätzlich der strikten Beihilfekontrolle. In dem Entwurf zu einer Bundesrahmenregelung Leerrohre wird nun versucht, Leitlinien für den Aufbau und die Förderung von Leerrohren bei der Kommission zu notifizieren. Es bleibt zu hoffen, dass hier praktikable Lösungen gefunden werden. Dies kann aber erst ein Praxistest erweisen. Kommunen können zudem beim Aufbau von Leerrohren privaten Investoren mit der Folge gleichgestellt werden, dass das Beihilfenrecht keine Anwendung findet. Unglücklicherweise hat aber die Europäische Kommission die Bedingungen, unter denen diese Gleichstellung erfolgen kann (Amortisierungszeiträume, Mieteinnahmen, etc.), noch nicht abschließend formuliert. Auch gibt es die Möglichkeit, die Verlegung von Breitbandnetzen als wirtschaftliche Tätigkeit im allgemeinen Interesse anzuerkennen (Altmark-Trans-Kriterien). Konzeptionell ist dieser Lösungsansatz jedoch noch nicht näher ausgearbeitet. Möglicherweise bietet er aber eine Chance, den Gestaltungsspielraum der Kommunen erheblich zu erweitern. Ähnlich sind die französischen Regionen vorgegangen, die mit diesem Ansatz umfangreiche Förderprogramme beihilferechtlich freigezeichnet haben.

Unterstützende Tätigkeit bei der Umsetzung der beihilferechtlichen Anforderungen könnte auch die Bundesnetzagentur gewähren. Die zahlreichen ökonomischen Untersuchungen, die das Beihilfenrecht vorschreibt, wie z.B. die Erstellung von Markt- und Preisanalysen, können die Kommunen aus eigener Kraft häufig gar nicht vornehmen. Hier wäre es hilfreich, wenn die Bundesnetzagentur entsprechende Daten zur Verfügung stellt. Derzeit scheut die Behörde davor zurück, weil sie offenbar einen Einstieg in komplizierte regionale Marktabgrenzungen fürchtet. Letztlich wird aber hieran kein Weg vorbei gehen, da es gilt, wettbewerbsgerechte Rahmenbedingungen für die Aktivitäten der Kommunen aufzustellen. Das „reine” Regulierungsrecht kann in den ländlichen Räumen nur vergleichsweise wenig bewirken.

Selbst wenn es gelänge, die aufgezeigten Probleme besser als bisher zu bewältigen, fehlt es derzeit noch an praktikablen Visionen und konkreten Konzeptionen, um den Übergang in das Glasfaserzeitalter zu bewältigen. Zumindest auf Länderebene sollten die staatlichen Stellen verstärkt eine aktive Rolle übernehmen, um den Netzausbau zu koordinieren und gegebenenfalls auch selbst voranzutreiben. Eine bloße Unterstützung durch regionale Breitbandzentren, die die Kommunen zum Ausbau motivieren und ihnen z.B. bei der Beantragung (limitierter) Fördermittel Hilfestellungen geben, wird hierfür nicht ausreichen. Erforderlich sind öffentlich klar kommunizierte Ziele für den Ausbau der unter- und unversorgten Gebiete, Zeit- und Masterpläne, um für hinreichende Effektivität beim Netzausbau zu sorgen. Umfänglich zu diskutieren ist auch der Vorschlag, eine Netz AG für den ländlichen Raum zu errichten. Es wäre wünschenswert, wenn hier die Bundesländer eine Vorreiterrolle übernehmen könnten. Eine solche Netzausbaugesellschaft, an der sich auch private Kapitalgeber beteiligen könnten, hätte die Aufgabe, mit eigenen Mitteln Glasfasernetze zu errichten. Hierdurch könnte die Entwicklung unterversorgter Regionen, in die private Unternehmen nicht investieren wollen, zielgerichtet vorangetrieben werden. Ein solcher Infrastrukturausbau wird zudem auch positive Effekte für die Konjunkturbelebung haben und erhöht die allseits gewünschte Binnennachfrage. Es ist zudem möglich, dass die getätigten Investitionen durch den Abschluss von Miet- und Pachtverträgen oder von Anschlussbeiträgen der Nutzer zurückverdient werden. Dass hierfür die Kommunen die hinreichenden Handlungsspielräume erhalten, ist gegebenenfalls durch eine Änderung der Gemeindeordnungen und des Beihilfenrechts sicherzustellen.

Breitband für alle – das ist eine sehr anspruchsvolle Maxime, die in der Informations- und Wissensgesellschaft eine conditio sine qua non für die Teilhabe aller darstellt. Zu einem großen Teil kann dieses Postulat mit Hilfe eines funktionierenden, teilweise regulierten Wettbewerbs der Infrastrukturanbieter realisiert werden. Für einen beachtlichen Teil der Bevölkerung, vor allem in den ländlicheren und weniger dicht besiedelten Gebieten, muss jedoch öffentliches Engagement als Lösungsansatz hinzutreten, um nachhaltig leistungsfähige Breitbandzugänge auf Glasfaserbasis bereitzustellen. Auch wenn die Rahmenbedingungen dafür kompliziert sind, so bieten sie doch den politisch Verantwortlichen genügend Handlungsspielraum zur Initiierung und Umsetzung von Breitbandinvestitionen im ländlichen Raum und damit im Ergebnis für „Breitband für alle”.

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11 Lesermeinungen

  1. Der Breitband-Ausbau wird nach...
    Der Breitband-Ausbau wird nach seiner “Fertigstellung” ähnliche Herausforderungen der technischen Kommunikation in den Bereichen Wirtschaft, Forschung und Bildung erzeugen. Das wird die wahre Prüfung der Innovationsfähigkeit Deutschlands! Die paar Kabel, Prinzen und Fürsten sind erst der Anfang…

  2. Jens Best sagt:

    wow, ein soooo langer Text nur...
    wow, ein soooo langer Text nur über die Infrastruktur. Wahrscheinlich besser so, weil dem ein oder anderen herkömmlichen “Content-Produzenten” schlecht werden würde, wenn man mit gleichem Effe und Innovationskraft an die Weiterentwicklung der Inhalte herangehen würde.
    Es glaubt doch wohl niemand hier, dass die reine Digitalisierung der ehemals gedruckten Gelben Seiten, Telfonbüchern, Flugplänen und Kursbüchern das Nonplusultra der digitalen (R)Evolution sind.
    Es wird Zeit, die berechtigten und wichtigen Forderungen nach Infrastruktur mit den Forderungen nach mehr Können im Umgang mit der Kulturtechnik Internet beim Bürger zu verknüpfen. Die Innovationsfeindlichkeit von Ministerin Aigner und anderen ahnungs- und kompetenzlosen Entscheidern erzeugt eine Stimmung, die nicht die inhaltlichen Chancen des Breitbands gerecht wird.
    Als gute Lehrstunde sei der Vortrag von Prof. Dueck, Chef-Technologe von IBM bei einer Veranstaltung der D21-Initiative empfohlen. Inhaltlich konsequent revoltionär und auf unterhaltsame Weise verdeutlicht er hier, welche wirklichen Aufgaben vor uns liegen:
    https://www.zaplive.tv/web/initiatived21?streamId=initiatived21%2Fc37f0d20-10b5-456a-9b85-34a4190225e2

  3. Warum soll staatlicher...
    Warum soll staatlicher Dirigismus bei IT-Investitonen plötzlich funktionieren.
    Wäre toll wenn der Staat hier zuerst einmal seine eigenen Aufgaben erfüllen würde und mit einem adäquaten Telekom-, Wettbewerbsrecht, bildungs- und finanzpolitischen Regelungen Nicht mehr im Weg stehen würde.

  4. Anna Wallau sagt:

    Hochleistungsfähige...
    Hochleistungsfähige Datenleitungen sind ein wichtiger Faktor, um überhaupt im gobalen Wettbewrb bestehen zu können.
    Da gibt es nichts zu dikutieren. Eine Alternative für mittelständische Unternehmen ist beispielsweise SDSL.
    LG
    die Anna

  5. Ringo sagt:

    Hohe Übertragungsraten sind...
    Hohe Übertragungsraten sind sicherlich unverzichtbar für die Zukunft. Meiner Meinung nach sollte man aber endlich weg von den herkömmlichen Breitbandleitungen und stattdessen auf modern Funktechnologien wie den UMTS Nachfolger LTE setzen. Nur damit lassen sich flächendeckend hohe Übertragungsraten realisieren. Ein Blick nach Japan schadet da nicht, denn die Japaner sind uns da schon wieder um Jahre voraus.

  6. Dani sagt:

    @Ringo:
    Weg von herkömmlichen...

    @Ringo:
    Weg von herkömmlichen Breitbandleitungen???!!! Geht’s noch??!!
    Hohe Übertragungsraten / Mit den Übertragungsraten kabelgebundener Lösungen (FTTx) vergleichbare Raten sind mit Funktechnologien NICHT zu machen. Sie werden in KEINER wissenschaftlichen Studie etwas anderes lesen – aber suchen Sie bitte, das bildet.
    Bis LTE flächendeckend ausgebaut ist, wird es als Internetzugang-Light bezeichnet.
    Funklösungen sind eine wichtige Ergänzung als mobile Internetzugänge mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit, keine Alternative für kabelgebundene Lösungen.
    Langfristig kann sich nur FTTH durchsetzen – in den Ballungsgebieten sehr kurzfristig.

  7. Stefan sagt:

    Ich denke, dass an...
    Ich denke, dass an herkömmlichen Breitbandleitungen nichts vorbeiführt und Funktechnologien nur eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden Infrastruktur darstellen können.

  8. Birgit sagt:

    Hallo Stefan ich bin der...
    Hallo Stefan ich bin der gleichen Meinung wie Ringo.Das Problem Mit den Breitbandleitungen ist auf den Dörfern ziemlich groß.Denn wie du vielleicht weißt ist die ganze Geschichte nicht so einfach.Deswgen liegt es nahe das Mobile Internet mit dem UMTS Stick mit der LTE Geschwindigkeit aus zu bauen.Denn so hat jeder die Möglichkeit das schnelle Internet zu nutzen. Egal wo man sich befindet.Und für jeden Juser ist auf jedenfall das richtige Angebot dabei.Mittlerweile sind ja auch die Discounter auf dem Markt des Mobilem Internet gesprungen. In den Großstätten ist das mobile Internet schon sehr beliebt, es dauert aber noch eine Weile bis sich das Mobile Internet sich richtig durchsetzt,denn das Mobile Internet steckt noch in den Kinderschuhen.LG Birgit

  9. Gerhard sagt:

    Und was ist mit dem...
    Und was ist mit dem Elektrosmog der durch diese Funkt-Technologien erzeugt wird ?

  10. Tobias sagt:

    <p>Wer Angst vor Elektrosmog...
    Wer Angst vor Elektrosmog hat, hat in Deutschland so oder so keine guten Karten. UMTS, Hotspots, Radio, Hochspannungsleitungen, etc.

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