Im Smartphone-Markt ist eine Vorentscheidung gefallen: Im zweiten Quartal des Jahres wurden erstmals mehr Geräte mit dem Google-Betriebssystem Android als iPhones von Apple ausgeliefert. Gingen im Vorjahresquartal noch 756000 Google-Geräte über die Ladentische, waren es jetzt schon 10,6 Millionen, hat das Marktforschungsunternehmen Gartner errechnet. „Android wird in diesem Jahr weiter schnell wachsen, da viele neue Geräte auf den Markt kommen”, sagte Gartner-Analystin Carolina Milanesi der FAZ. Nach ihrer Prognose werden sich Nokias Betriebssystem Symbian und Android künftig den Großteil des Marktes teilen. „Symbian und Android werden jeweils 25 bis 30 Prozent des Marktes besetzen; für Apple erwarten wir einen Marktanteil von etwa 18 Prozent”, sagte Milanesi. Blackberry-Hersteller Research in Motion und Microsoft werden nach ihrer Einschätzung vorwiegend im Geschäftskundenmarkt von Bedeutung sein.
Apple vs Android, iPhone4 vs Samsung Galaxy S 9000
Apple, der Pionier im Smartphone-Markt, eilt also nur scheinbar von Rekord zu Rekord. Das Unternehmen verdient zwar mit dem Verkauf der iPhones und der Apps prächtig. Seit dem Marktstart der dritten iPhone-Generation 3GS im dritten Quartal 2009, als Apple 17,1 Prozent des Marktes für sich gewann, sinkt der Marktanteil des iPhone-Herstellers aber stetig. Apple hat immer nur ein Modell im Angebot, das mit fortschreitendem Lebenszyklus an Attraktivität verliert. Während der Markt zwischen dem ersten und zweiten Quartal um 13 Prozent gewachsen ist, hat Apple 350.000 iPhones weniger verkauft. Seit dem Höhepunkt hat Apple etwa 20 Prozent seines Marktanteils verloren. Nach Ansicht von Milanesi ist Apple mit seiner Position in dem kleinen, aber lukrativen Oberklassesegment des Marktes aber trotzdem zufrieden. „Ich erwarte nicht, dass Apple in den Massenmarkt einsteigen wird. Eine Strategie wie beim iPod, also mit verschiedenen Versionen und Preisen den ganzen Markt zu bedienen, wird es beim iPhone nicht geben. Apple will nicht Nokia werden”, sagte Milanesi. Dass Apple aufgrund der geringeren Reichweite weniger attraktiv für die App-Entwickler werden könnte, erwartet sie nicht. „Masse ist nicht alles. Es kommt auch auf die Margen an”, sagte die Analystin. Es mehren sich aber auch kritische Stimmen, die Apples Strategie, alles auf ein Gerät zu setzen, angesichts der wachsenden Konkurrenz für falsch halten. „Während der Smartphone-Markt förmlich explodiert, verkauft Apple weniger Geräte. Und das, obwohl eigentlich kein „iPhone-Killer” auf dem Markt ist. Wenn Apple das beste Gerät und die loyalsten Kunden hat, warum kann das Unternehmen dann keine Marktanteile gewinnen?”, fragt Industrieanalyst Tomi Ahonen. Und gibt sich selbst die Antwort: „Apples Strategie ist falsch. In einem stabilen Markt wie dem PC-Geschäft ist es gut, der Anbieter mit den höchsten Gewinnen zu sein. Aber in einer neuen Industrie mit rasantem Wachstum muss das Management eine richtige Balance zwischen Gewinnen und dem Ausbau des Marktanteils finden”, kritisiert Ahonen. Das sei nicht leicht, aber möglich. „In dieser Phase des schnellen Wachstums spielt der Preis noch keine große Rolle. Das ist die große und einmalige Chance für Apple als Premium-Anbieter, Gewinn und Marktanteil zu erhöhen. Später, wenn der Preis im Wettbewerb dominiert, muss Apple seine Position gegen Billiganbieter aus Asien verteidigen”, schreibt Ahonen und rät Apple zur Änderung der Strategie. Da die iPhone-Käufer nach durchschnittlich 18 Monaten ein neues Gerät wollen, zögern viele ihren Kauf um ein halbes Jahr hinaus, bis das neueste Modell auf dem Markt ist – oder greifen zu einem Konkurrenzprodukt. Mit Preisabschlägen auf das alte Modell im Frühjahr sei es möglich, diese Kunden zum Kauf zu bewegen. Eine andere Möglichkeit sei die Entwicklung eines iPhones Nano, analog zum Musikspieler iPod. Mit einem kleineren und günstigeren Gerät könne Apple auch unterhalb des Premiumsegmentes Kunden gewinnen, vermutet Ahonen. Gerüchten zufolge könnte Apple ein iPhone5 schon Anfang kommenden Jahres auf den Markt bringen, wenn die Antennenprobleme den Verkauf beeinträchtigen. Apple könnte aber auch einen kleinen Schritt machen und zumindest den Vertrieb über einen weiteren Netzbetreiber wie Verizon ermöglichen, der in den Vereinigten Staaten einen besseren Ruf (und ein besseres Netz) als AT&T hat. Schon damit könnte der Marktanteil erhöht werden. Nach einer Studie warten 34 Prozent der iPhone-Besitzer darauf, zu Verizon wechseln zu können.
Während über die Strategie von Apple noch wild gerätselt wird, herrscht über die Absichten von Google inzwischen etwas mehr Klarheit. Das Unternehmen hat im mobilen Internet noch keinen Cent verdient, sondern mehrere Hundert Millionen Euro investiert. Das Ziel lautet, möglichst viele Android-Geräte zu verkaufen, um eine große Werbeplattform aufzubauen. In diesem Zusammenhang wird auch der gemeinsame Vorschlag mit dem Telekommunikationsunternehmen Verizon verstanden, der als Kniefall vor den Netzbetreibern interpretiert wird. Google, langjähriger Verfechter der Netzneutralität, ist vor allem in den Vereinigten Staaten auf die Hilfe der Netzbetreiber angewiesen, um Geräte mit seinem Betriebssystem schnell in den Markt drücken zu können. Um den Erfolg zu sichern, hat Google seine Prinzipien über Bord geworfen. Sichtbares Zeichen ist das schnelle Ende des bisher ersten und einzigen Smartphones von Google, dem Nexus One. Das Gerät setzte auf Offenheit, funktionierte in allen Netzen und hätte auch das Geschäft der Netzbetreiber schädigen können, zum Beispiel mit Internettelefonie. Doch Google hat das Gerät sank- und klanglos vom Markt verschwinden lassen und verkauft nur noch an Entwickler. Ein Nachfolgemodell wird es auch nicht geben. An Offenheit im Mobilfunk habe Google offenbar kein Interesse mehr, lautet die Spekulation. „Offenheit ist etwas für Neueinsteiger, nicht für die Etablierten. Google liefert täglich 200.000 Geräte mit Android aus und schlägt damit das iPhone. Google braucht die Offenheit nicht mehr”, schreibt Ryan Singel, Autor der amerikanischen Computerzeitschrift Wired, in seinem Beitrag „Warum Google ein vor den Netzbetreibern buckelnder, die Netzneutralität aufgebender Affe ist”.
Links:
- – “Apps sind ein Übergangsphänomen”
– “I need an iPhone 4” - – Google-Chef Schmidt: Android-Wachstum beschleunigt sich dramatisch
- – Eric Schmidt: Googles Devise heißt an jetzt: Mobile first
- – Google becomes world largest mobile ad network.
- – Andy Rubin: Android will blow your minds in the next six months
- – Eric Schmidt: The next big wave in advertising is the mobile Internet
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Korrigiere: Google verkauft...
Korrigiere: Google verkauft das Nexus One noch als “Entwickler-Version”. Der Verkauf an die breite Masse ist allerdings eingestellt.
Aus meiner Ansicht aber eher, da viele Menschen das erste Mal mit einem Smartphone in Kontakt kommen. Gerade wenn es ein günstiges Modell ist. Diese Kunden bedürfen besonderer Aufmerksamkeit und einem wesentlich höheren Support. Ich denke Google wird diesen Mehraufwand unterschätzt haben. Ich würde es nicht als ein Indiz des Verrat an der Netzneutralität titulieren.
Gerade der letztere Teil, welcher von Google handelt basiert sehr auf Meinungen und Spekulationen von Außenstehenden und reflektiert meines Erachtens keine fundierten Informationen.
@ Lars Echterhoff: Die...
@ Lars Echterhoff: Die Entwicklerversion ist kaum relevant; insofern ist die Aussage, dass Google das Nexus One vom Markt genommen hat, richtig. Der letzte Teil ist in der Tat eine Spekulation über die Motive von Google, da das Unternehmen seine wahren Motive natürlich nicht nennt.
Der Bezug war: "[...] und...
Der Bezug war: “[…] und verkauft noch nicht einmal die Restbestände zum kleinen Preis.” Der Satz ist unpräzise, da Google das Telefon noch verkauft. Nicht zum kleinen Preis, aber warum Google das nicht machen brauche ich einem Ökonom sicher nicht erklären. ;-)
Zumal man im Internet sehr viele Vergleiche zwischen Nexus One und HTC Desire findet, welche – aus meiner Sicht – zu Ungunsten des aktuell von HTC im Verkauf stehenden Gerätes, so nicht einfach machbar sind, da technologisch eine Ewigkeit (~7 Monate) zwischen der Geräten liegt.
Ich persönlich sehe die Bedenken gegenüber dem Verlust der Netzneutralität noch nicht. Wir haben bereits an einigen Stellen die Priorisierung von Daten durch Provider/Contentprovider. T-Online hat IP-TV in einem Bezahlchannel. 1und1 hat Maxdome… T-Mobile bietet Mobile TV. Ich selber denke auch nicht, dass die Zukunft im Alles ist Kostenlos für Alle endet. Ich denke auch, dass man in Zukunft Dienste nach Nutzung bezahlen wird und nicht pauschal.
Beispiel Google Docs. Wenn die Erstellung eines Dokuments dort in Zukunft 5 cent kostet und es über einen Premiumchannel durch den Provider abgerechnet werden kann ist es doch besser, als wenn ich mir für 400 Euro ein Office-Paket gekauft habe und dann im Lebenszyklus dieser Software nur 500 Briefe geschrieben habe?!
Die Premiumdienste (Priorisierungen) könnten in dem Fall helfen den wirklichen Nutzern (Zahlkunden) gegenüber den Gelegenheitskunden (Freeservice) den Vorteil zu verschaffen. Aus meiner Sicht vollkommen legitim!
@Holger Schmidt
Android wird...
@Holger Schmidt
Android wird sich sicherlich am Markt durchsetzen, nicht zuletzt, weil es kostenlos ist. Ob es eine marktbeherrschende Stellung einnehmen wird? Ich weiß es nicht. Aus meiner Sicht fehlt noch ein klares Differenzierungsmerkmal, ebenso wie Apple es mit der Verknüpfung OS, iTunes und App-Store geschafft hat, so dass man das iPhone kinderleicht bedienen kann (auch ohne irgendwelche Computerkenntnisse). Was wäre denn, wenn Google Skype kauft und Skype (d.h. kostenloses chatten, telefonieren, Videokonferenz) in sein Android-System einbaut? Die großen Telcos würden das verhindern wollen, weil die Cash-Cow-Minutenpakete verloren gehen. Die kleinen (oder z.B. auch ein 1&1?) würden wohl mitziehen, weil sie einfach ein Datenflatrate-Paket verkaufen könnten. (ausführlichere Gedanken in einem Blogpost: https://andreasschroeter.com/2010/08/why-google-should-buy-skype/)
Was nützen uns die ganzen...
Was nützen uns die ganzen Endgeräte, wenn wie schon gerade aktuell in den USA die Mobilfunkanbieter die Notbremse ziehen und die Flatrates kündigen. Noch ist doch der Anteil der Smartphones noch extrem gering. Was soll also erst passieren, wenn die Mehrheit der Endkunden diese Geräte einsetzt….