Netzwirtschaft

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Unternehmen fehlen die Strukturen für Social Media

| 30 Lesermeinungen

54 Prozent der Unternehmen und Organisationen in Deutschland setzen soziale Medien wie Facebook, Twitter oder Blogs ein. Doch meist fehlen dabei noch die notwendigen Strukturen und Regeln. Eine solche „Social-Media-Governance“ ist aber nötig, damit Social Media zum Erfolg wird.

Soziale Medien sind in vielen Unternehmen ein großes Thema. Dass Facebook, Twitter und Co. die Kommunikation, aber auch die Organisationsstruktur dauerhaft beeinflussen, spüren viele Unternehmen und Organisationen – und stürzen sich reichlich unstrukturiert in das Abenteuer Social Media. „In den meisten Organisationen fehlen das Wissen und strukturellen Voraussetzungen. Strategische Überlegungen scheinen meist noch in einem frühen Entwicklungsstadium zu sein. Daher nutzen auch nur wenige Organisationen Social-Media-Instrumente, Netzwerke und Anwendungen umfassend”, sagt Stephan Fink, Gründer der PR-Agentur Fink & Fuchs, der zusammen mit der Universität Leipzig und dem Fachmagazin „Pressesprecher” den Status quo der „Social Media Governance” in Deutschland erfragt hat. Nach der Umfrage (PDF) unter mehr als 1000 Presseverantwortlichen in Deutschland nutzen bereits 54 Prozent aller deutschen Organisationen (Unternehmen, Staat und Nichtregierungsorganisationen) soziale Medien. Weitere 14 Prozent planen den Einsatz im kommenden Jahr. Nur ein knappes Drittel hat keine Einsatzpläne.

Der Erfahrungsschatz im Umgang mit den neuen Medien ist allerdings noch sehr gering. 26,2 Prozent und damit die größte Gruppe der Befragten nutzt die sozialen Medien weniger als ein Jahr. Nur 6 Prozent haben mehr als drei Jahre Erfahrung gesammelt. Der Erfahrungshorizont ist aber wichtig für die Bewertung der Chancen: Je länger die sozialen Medien in der Organisation eingesetzt werden, desto positiver werden sie bewertet, hat die Umfrage ergeben. Großen Einfluss auf die Bewertung hat auch das Alter der befragten Kommunikationsmanager: Je jünger, desto größer wird das Potential von Facebook oder Twitter eingeschätzt.

Der experimentelle Charakter der sozialen Medien schlägt auch auf die Organisationen durch. Die Zuständigkeiten sind häufig ungeordnet, vielfach fehlen eine systematische Qualifikation der Mitarbeiter ebenso wie Leitlinien für die Kommunikation im Netz oder Kennzahlen zur Messung des Erfolgs. Dass sich die meisten Unternehmen noch in einem Experimentierstadium befinden, zeigt auch die geringe Verbreitung von Social-Media-Strategien. Rund die Hälfte der Unternehmen hat noch gar keine Strategie entwickelt. Weitere 30 Prozent haben sich bisher erst in einem oder in zwei Unternehmensbereichen strategisch aufgestellt. Meist machen die Abteilungen  PR/Unternehmenskommunikation und Werbung/Marketing den Anfang. Die beiden Abteilungen sind auch am stärksten in das Thema eingebunden, während sich die Unternehmensleitung meist nur in die Budgetierung, den Aufbau der Plattformen und die Festlegung der Regeln für den Umgang mit sozialen Medien einbringt. Eine umfassende Strategie für mindestens drei Bereiche des Unternehmens hat bisher nur jedes fünfte befragte Unternehmen entwickelt.

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Bisher haben nur 5 Prozent der Unternehmen eine eigene Social-Media-Abteilung eingerichtet, die in den meisten Organisationen kaum Befugnisse hat. Nur jede dritte Abteilung ist auch für Strategieentwicklung und Aufstellung der Verhaltensregeln verantwortlich; gar nur 13 Prozent haben die Hoheit über ihr Budget.

Die Strukturen für den Einsatz der sozialen Medien sind bisher nur in wenigen Unternehmen vorhanden. Nur 3 Prozent der Unternehmen verfügen über einen ausgeprägten und 13 Prozent über einen immerhin mittleren Ordnungsrahmen. Dagegen haben 84 Prozent der Befragten noch keine festen Strukturen geschaffen. Das Versäumte soll aber schnell nachgeholt werden. Zum Beispiel hatten sich zum Zeitpunkt der Untersuchung im Juni 2010 erst 19 Prozent der Unternehmen Verhaltensregeln für den Einsatz der neuen Medien gegeben, aber 42 Prozent planen dies bis zum Jahresende zu tun. Auch die fehlende Verpflichtung des Top-Managements soll in jeden dritten Unternehmen noch bis zum Jahresende erfolgen. Anfang des kommenden Jahres könnten die Strukturen dann schon wesentlich besser aussehen. „Die Studienergebnisse zeigen einen Zusammenhang zwischen Social-Media-Aktivitäten und Governance-Strukturen. Konkrete Handlungen einzelner Akteure führen nur dann zum Erfolg, wenn alle Beteiligten auf Strukturen im Sinne eines gemeinsamen Pools (informeller) Regeln zurückgreifen können. Genau hier setzt die Lösung in Form einer Social Media Governance ein”, sagt Ansgar Zerfaß von der Universität Leipzig, Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig und wissenschaftlicher Leiter der Studie. Die Etablierung einer Social-Media-Governance sei der entscheidende Hebel, um Facebook, Twitter 6 Co. schneller im Unternehmen zu etablieren, meint Zerfaß.

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Der größte Vorteil liegt nach Ansicht der befragten Kommunikationsmanager in der schnellen Informationsverbreitung. 82 Prozent der Befragten sehen das Echtzeitinternet als größte Errungenschaft der neuen Medien. Etwa zwei von fünf Managern betrachten einen besseren Service, eine engere Kundenbindung, eine einfache Beobachtung der öffentlichen Meinung und den direkten Dialog mit Interessenten als Vorteile. Interne Organisation, Personalwesen, Vertrieb und Innovation werden dagegen eher selten als lohnende Einsatzgebiete gesehen. Auch hier gilt der Zusammenhang: Mit steigender Erfahrung nehmen auch die Einsatzgebiete zu. Erwartungsgemäß stellen PR/Unternehmenskommunikation und Werbung/Marketing die beiden Haupteinsatzfelder dar. Mit Abstand folgen die Bereiche Vertrieb (12 Prozent), Personalwesen (11 Prozent), Kundenservice (9 Prozent) und Forschung/Entwicklung (5 Prozent).

In dem hohen Tempo der Informations- und Kommunikationsströme liegt aber auch die größte Gefahr, meinen rund zwei Drittel der Befragten. Ein schwer steuerbarer Kommunikationsverlauf, Kontrollverlust und die Notwendigkeit, sehr schnell reagieren zu müssen, werden als die Hauptrisiken betrachtet. Auch die Kritik einer starken Gegenöffentlichkeit und der Verlust der Deutungshoheit sehen die Kommunikationsmanager ebenfalls mit Unbehagen, aber wissend, dass sie das Rad nicht zurückdrehen können. Denn soziale Medien bedeuten einen grundlegenden Wandel in der Unternehmenskommunikation und sogar der Kommunikationskultur der Gesellschaft, meint die Mehrheit der Befragten. Je länger die Unternehmen die sozialen Medien schon einsetzen, desto stärker wird der Nutzen erkannt und desto weniger werden die sozialen Medien als Modeerscheinung tituliert.

In der Wahl der eingesetzten Instrumente liegen aktuell Facebook und Twitter vorne und zeigen hohes Wachstum. Die größten Zuwächse in diesem Jahr liegen allerdings im Aufbau von Social-Media-Newsrooms und im Einbau von Social-Media-Elementen auf der Unternehmenswebsite, deren Bedeutung durch Social Media nicht gefallen, sondern eher gestiegen ist. 

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Links zum Einsatz vom Social Media in Unternehmen:

Journalismus und PR 2.0

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Tägliche Infos zur Netzökonomie:

Bild zu: Unternehmen fehlen die Strukturen für Social Media Twitter.com/HolgerSchmidt (Web / Media / Social Media) 
 Twitter.com/netzoekonom (Mobile / Telco) 

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 Netzökonom (Page)
 

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30 Lesermeinungen

  1. FAZ-ht sagt:

    @Lutz: "Twitter und Facebook...
    @Lutz: “Twitter und Facebook sind schon durch…” – diese Erkenntnis haben Sie aber exklusiv.

  2. <p>Web 2.0 kein Hype sondern...
    Web 2.0 kein Hype sondern fundamentale Veränderung unserer Wirtschaft.
    277 österreichische Führungskräfte und Unternehmer wurden in Juni 2010 durch das Meinungsforschungsinstitut checkboxx.com per Onlineumfrage im Auftrag der Society for Management and Internet befragt.
    Erstaunlich hohe Wichtigkeit für alle Branchen

  3. Cronimon sagt:

    Ich denke das Problem liegt...
    Ich denke das Problem liegt auch zu großen Teilen wirklich in der Bereitschaft der Angestellten. Der Großteil der Leute möchte nach dem Job vermutlich einfach Abstand bekommen. Als Unternehmer lässt sich das ja nie so richtig bewerkstelligen – aber SocialMedia fordert von den Zuständigen schon ganz schön viel Engagement auch über das normale hinaus. Stichwort: Authentizität

  4. LB sagt:

    @HSch
    Die Erkenntnis, dass...

    @HSch
    Die Erkenntnis, dass “Second Life” durch ist, hatte auch irgendjemand mal exklusiv, ca. 2007 oder 2008.
    Ich sehe hier eine Kreis von Leuten, die sich gegenseitig dauernd versichern, wie wichtig Twitter ist, und dabei die Fakten unbewußt oder auch aus Eigeninteresse ignorieren
    LB

  5. Danke für den interessanten...
    Danke für den interessanten Artikel. Da gibt es in Deutschland wohl noch jede Menge Nachholbedarf. Social Media ist hier im Silicon Valley ein entscheidender Faktor der Kundenaquise. Es geht nicht nur um die bloße Präsenz auf Facebook, Twitter & Co, sondern um eine integrierte Strategie bei welcher auch viele andere Tools zum Tragen kommen, e.g. Salesforce.com mit dem neusten Dienst Chatter, welcher die sozialen Medien im Unternehmen selbst koordiniert. Ich habe hier eine kurze Präsentation zusammengestellt, welche auf die obigen Punkte eingeht: https://slidesha.re/5TAQb0
    Martin Tantow
    San Francisco, CA
    https://mtantow.com/

  6. Ute Ross sagt:

    Social CRM - lernen Sie in dem...
    Social CRM – lernen Sie in dem kostenfreien Webinar wie Sie Ihre Social Media Aktivitäten durch CRM besser verstehen und nutzen! Melden Sie sich an unter: https://bit.ly/dh64hT

  7. Klaus Madzia sagt:

    Es ist doch ganz einfach:...
    Es ist doch ganz einfach: Social Media wird für Unternehmen nur dann ein dauerhaftes spannendes Thema werden, wenn sich damit Umsatz und Gewinn steigern lassen. “Soft” Faktoren wie Image, Reputation etc.. sind schön und gut, aber für einer dauerhafte Integration in firmeninterne Prozesse muß social Media sich als Wachstumsmotor beweisen, wie eCommerce. Die Bereitschaft in Social Media als reinen PR-Kanal zu investieren ist bei unseren Kunden gering, die Bereitschaft weitreichende Änderungen in der Unternehmens-Orga anzupacken, fast nicht vorhanden.
    Schönes Thema, mein Kompliment an die FAZ und die Autoren der Studie.
    Klaus Madzia
    Berlin

  8. FAZ-ht sagt:

    @LB: Der Vergleich von...
    @LB: Der Vergleich von Facebook mit Second Life ist genauso alt wie falsch. Die Nutzungszahlen und die Wachstumszahlen zeigen völlig unterschiedliche Verläufe. An Second Life haben die meisten Nutzer nach einer kurzen Hype-Phase das Interesse verloren, Facebook wächst seit Jahren stetig.

  9. FAZ-ht sagt:

    @Klaus Madzia: Das Social...
    @Klaus Madzia: Das Social Media heute vorwiegend ein Thema für PR/Kommunikation/Werbung ist und in anderen Abteilungen noch wenig verbreitet ist, hat die Studie ja klar gezeigt. Dass die Unternehmen beginnen, ihre Strukturen in den drei Abteilungen anzupassen, ist meiner Beobachtung nach zumindest in größeren B2C-Unternehmen schon gut zu beobachten. Dass die Entwicklung noch in den Anfängen steckt, ist aber auch zu beobachten.

  10. colorcraze sagt:

    Die Hälfte der befragten...
    Die Hälfte der befragten Unternehmen läßt also die Finger davon, weil sie anders organisiert sind – und wird es wohl auch in Zukunft lassen. Ich halte das für einen unausgereiften Hype, den die Werber jetzt wichtig finden, weil es für sie ein neues Feld ist. Sobald HR Anwendungen findet, wird es einen solchen Kanal geben, aber diesen werden die meisten Unternehmen auch an Spezialisten auslagern. Meiner Meinung nach.

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