Der britische Mobilfunker Vodafone hat ein Strategie-Update gegeben und dabei fast nebenbei den Anfang vom Ende der Netzneutralität verkündet: Unter der Überschrift „Mobile Daten” (PDF) findet sich – als einer von mehreren Punkten – das Aufregerthema:
“We will capitalise on the rapid increase in demand for ubiquitous mobile data services and accelerate the rate of adoption by customers in underpenetrated markets by transitioning our data pricing plans to tiered plans and differentiated service levels, to encourage data adoption and adjust pricing to usage, thereby giving customers more control and driving better returns on our investment.”
Der angekündigte Übergang der bestehenden Datentarife in abgestufte Tarife und differenzierte Serviceniveaus steht bereits unmittelbar bevor. “Wir arbeiten bereits daran diese Strategie umzusetzen und planen ein entsprechendes Tarifportfolio für mobile Datendienste. Ob dies noch in diesem Jahr kommt, kann ich allerdings nicht sagen”, sagte ein Vodafone-Sprecher.
Nun kann man sich über die genaue Definition der Netzneutralität streiten, aber im Kern bedeutet diese Ankündigung zumindest den Versuch, von der Netzneutralität abzurücken und auch den Anfang vom Ende der (bezahlbaren) Flatrate. Künftig könnte es bei Vodafone wieder Volumentarife mit reduzierter Geschwindigkeit geben. Wer mehr Tempo und eine Flatrate möchte, muss mehr zahlen. Spezialtarife für einzelne datenintensive Dienste sind in diesem ersten Schritt nicht vorgesehen. Sollte der Vorstoß erfolgreich sein, wäre die Einführung dieser Modelle wohl keine Überraschung mehr.
Überraschend kommt die Initiative allerdings nicht, denn Vodafones Deutschland-Chef Fritz Joussen (Foto) hatte im FAZ-Interview schon ähnliche Gedanken geäußert. Hier ein Auszug aus dem Interview:
Die Netzneutralität wird heiß diskutiert. Ihre Kollegen Obermann und Alierta wollen Google zur Kasse bitten. Sie auch?
Ich bin sehr dafür, dass die Zugänge zum Netz diskriminierungsfrei sein müssen, trotzdem müssen wir im Wettbewerb Diensteklassen differenzieren können – also unterschiedliche Preise je nach Qualität und Leistung verlangen. Als Netzbetreiber muss man das Recht haben, in seinem Netz kommerzielle Angebote zu formen. Wir waren nie der Meinung, dass man Internettelefonie verbieten solle. Aber dafür muss es einen Preis geben.
Aber gerade Skype ist doch ein klassischer Fall der Diskriminierung. Vodafone verlangt doch nicht für Skype einen Zusatztarif, weil Skype hohe Datenmengen verbraucht, sondern weil Skype Ihr Kerngeschäft kannibalisieren könnte.
Bei Wettbewerbern müssen Skype-Nutzer in manchen Tarifen keinen Aufpreis zahlen. Aber dafür für andere Dienste, die bei uns frei sind. Der Kunde kann entscheiden, welchen Netzbetreiber er wählt. Ich sehe an dieser Stelle kein Problem. Ich finde wichtig, dass jeder Kunde Zugang zu allen Angeboten haben sollte.
In der Branche wird über das Ende der Flatrate nachgedacht. An ihre Stelle sollen wieder Datentarife treten, mit Aufpreisen für Dienste wie Youtube oder Telefonie. Denken Sie auch so?
Eigentlich finde ich Preise für Anwendungen keine schlechte Idee, da die Kapazität im Netz begrenzt ist. Andere Branchen wie die Luftfahrtindustrie müssen auch ihre Kapazität bestmöglich auslasten. In Spitzenzeiten sind Flüge nun mal teurer. Die Netzneutralität widerspricht dieser wirtschaftlichen Betrachtung. Für eine effiziente Ausnutzung und Gewährung hoher Qualitäten ist diese Differenzierung nötig. Qualität kostet eben. Wer dafür zahlt? Das wird der Markt zeigen. Aber ich schlage keinen Alarm. Die mehr als 20 Prozent Umsatzwachstum mit mobiler Datenübertragung im Jahr sind ein ziemlich interessantes Geschäft.
Auszug-Ende
Einige Zeit hatten die Netzbetreiber den Traum, die großen Internetunternehmen wie Google würden für den Datentraffic zahlen. Doch der Traum ist spätestens geplatzt, seitdem Google-Chef Eric Schmidt klar verkündete, Google zahle nicht für Traffic in Mobilfunknetzen – weder heute noch künftig. Nun sollen also die Kunden zahlen. Während die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft noch zum Thema Netzneutralität tagt , die EU-Kommission ein „offenes und neutrales” Internet für alle fordert und Matthias Kurth, der Präsident der Bundesnetzagentur, auf den Wettbewerb der Netzbetreiber setzt, schaffen die Netzbetreiber Fakten. Spannend dürfte nun sein, ob die anderen Netzbetreiber nachziehen. Vor allem der Münchner Netzbetreiber O2, der in seinem Netz noch viel Plart hat, könnte die Ideen von Vodafone nutzen, um dem Platzhirschen Marktanteile anzuringen. Denn Vodafone hat nach neun Jahren gerade wieder die Spitze im deutschen Handy-Markt übernommen. Die Zahl der Mobilfunk-Kunden stieg im dritten Quartal um 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 35,7 Millionen. Vodafone liegt damit knapp vor der Deutschen Telekom, die in diesem Jahr schon 4,2 Millionen Karteileichen ausgebucht hat und nur noch 34,9 Millionen Mobilfunk-Kunden in Deutschland zählt
Für das Wachstum im Mobilfunk sorgte vor allem die starke Nachfrage nach Smartphones. Entsprechend kletterte der Umsatz mit Datendiensten (ohne SMS und MMS) um 27 Prozent auf 354 Millionen Euro. Da Vodafone nach dem Auslaufen der Exklusivvereinbarung zwischen Apple und der Deutschen Telekom jetzt auch das iPhone von Apple verkaufen darf, könnte der Umsatz künftig sogar noch schneller steigen, während der Telekom die Exklusivität ihres Zugpferdes verliert.
Im Geschäft mit schnellen Breitband-Verbindungen ins Internet weist Vodafone knapp 3,9 Millionen Kunden aus, 379.000 mehr als vor einem Jahr. Vodafone ist in diesem Markt die Nummer zwei vor United Internet, aber klar hinter der Deutschen Telekom. Der Umsatz in der Festnetzsparte legte wegen des starken Preiswettbewerbs im DSL-Markt nur um 0,8 Prozent auf 532 Millionen Euro zu. Große Wachstumsschübe sind in diesem Geschäft nicht mehr zu erwarten, da rund drei Viertel der Haushalte in Deutschland bereits über einen schnellen Internetanschluss verfügen.
Einschließlich der um 4,6 Prozent gewachsenen Geschäftskundensparte hat das britische Unternehmen im wichtigen Auslandsmarkt Deutschland 2,33 Milliarden Euro umgesetzt, was 2,6 Prozent Zuwachs entspricht.
Links:
– Die neuen Tarife für das iPhone
– FAZ-Leitartikel zur Netzneutralität: Freie Fahrt im Internet
– Initiative “Pro Netzneutralität”
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wenn das passiert, wird...
wenn das passiert, wird niemand mehr einen Vodafone tarif buchen……
@ D: Ich fürchte doch. Ein...
@ D: Ich fürchte doch. Ein Grossteil wird sich für den Preis entscheiden. Wer ein bisschen E-Mail macht, will keine grossen Summen ausgeben. Und kaum jemand wird viel Geld ausgeben, um an der Bushaltestelle YouTube zu schauen. Viele machen das nur, weil sie bis heute eine entsprechenden Tarif beim Smartphone haben. Aber bezahlen würde sicherlich keiner dafür. (imho)
Vodafon kürzt jetzt bereits die UMTS-Geschwindigkeit bei Discountern. Und keinen scheint es zu stören. Traurig aber wahr.
mfg
Hier werden ggf. UK und...
Hier werden ggf. UK und deutscher Markt verwechselt. In D gab es bei Vodafone noch nie “Flatrates”, sondern immer Grenzen z.B. 300 MB und 5 GB Traffic pro Monat, bei denen die Geschwindigkeit gedrosselt wird. Und Vodafone hatte auch immer schon unterschiedliche Tarife für unterschiedliche Geschwindigkeiten. Bei LTE ist wurde auch von Anfang an klar gesagt, dass LTE teurer ist als UMTS. Unterschiedliche Preise für unterschiedliche Volumina oder Bandbreiten haben m.E. noch keine Verletzung der Netzneutralität zur Folge! Wer viel verbraucht, zahlt auch mehr – das hat imho noch nichts mit Netzneutralität zu tun. Gerade nicht! Sowas ist fair und transparent! Bestimmte Dienste sperren oder verlangsamen – das wäre eine Verletzung der Netzneutralität. Wollen wir hoffen, dass das nicht gemeint ist.
In der Netzgemeinde, z.B. im...
In der Netzgemeinde, z.B. im Heise-Forum gibt es viele Leute, die nicht verstehen wollen, dass es nichts umsonst gibt. 5% der User verursachen mehr als 50% des Traffics. Solche Leute künftig ihren Anteil zahlen zu lassen, indem nach Geschwindigkeit und Volumen differenziert wird, finde ich voll fair. Der eine will nur Mails checken oder was twittern, der andere läd sich Filme oder Betriebssysteme runter. Beide sollen dasselbe bezahlen – kann doch nicht sein. Wer ein kleines Wasser trinkt zahlt auch nicht so viel wie ein Cocktailtrinker. Wer beim “Discounter” für 5 GB 15 € zahlt kann nicht so viel verlangen wie jemand, der bei VF 40 € zahlt – so ist das Leben. Netzneutralität ist eine ganz andere (und wichtige) Baustelle.
Gedrosselte Mobiltarife oder...
Gedrosselte Mobiltarife oder Volumentarife widersprechen nicht der Netzneutralität, da es ja nicht zur Bevorzugung einzelner Dienste oder Anbieter kommt. Zudem ist doch das Vodafone-Mobilnetz ohnehin schon heute nicht neutral. So gesehen ist die Überschrift doch etwas reißerisch geraten …
Die steigende Netzauslastung...
Die steigende Netzauslastung MUSS von dem Netzbetreibern monetarisiert werden. Schließlich müssen diese ja auch die Infrastruktur kontinuierlich ausbauen und eine rasant wachsende Nachfrage bedienen. Dass nur Apple, Google und Co von den steigenden Umsätzen profitieren, während die MNOs bei konstanten Flatrate Einnahmen und steigenden Kosten zu schauen, kann nun wirklich niemand erwarten. Mobile Datenübertragungskapazitäten sind ein knappes Gut!
Desweiteren: Dienste wie mobiles Videostreaming oder Voice Callings erfordern eine konstant hohe Bandbreite. Diese wird es in naher Zukunft sicherlich nur noch gegen Aufpreis geben, während Email Nutzer und Websurfer mobil mit niedrigeren Bandbreiten rechnen müssen, wenn sie keinen Aufpreis zahlen müssen.
Ja, gut. Dann werd' ich...
Ja, gut. Dann werd’ ich zeitnah mal meinen Vertrag bei Vodafone kündigen und zu Versatel rüberwechseln, die endlich ihr Netz bis zu meiner Wohnung ausgebaut haben und daher wieder für mich verfügbar sind.
Mein erster Internet-Zugang war noch mit Daten-Tarif. Das ist die reinste Abzocke; wirklich untragbar. Hinzu kommt noch, dass Vodafone im vorrauseilenden Gehorsam die Vorratsdatenspeicherung auf Vertragsbasis mit der Bundesregierung ansatzweise umsetzte bis die Vorratsdatenspeicherung vorerst (!) gefallen ist.
Es wird also höchste Zeit, diesem bürgerrechtsfeindlichem Verein die Grundlage für sein schädliches Handeln zu entziehen.
Die Betreiber haben immer...
Die Betreiber haben immer schön große Zahlen bei ihren Tarif rausposaunt in der seligen Gewissheit dass es mit einem Nokia Handy unmöglich ist diese Menge zu verbrauchen. Dann kam das iPhone und jetzt heulen sie rum. Wiederlich :p
Vokabel-Fail...
Vokabel-Fail
Als V-Kunde mit Knebelvertrag,...
Als V-Kunde mit Knebelvertrag, der theoretisch erst irgendwann in 1 Jahr, x Monaten gekündigt werden könnte, merke ich hier wenig von meiner “Macht des Konsumenten”. Wenn ich dann kündigen kann, habe ich das hier wohl längst vergessen. Aber vielleicht sollte ich meine undurchsichtige, limitierte Super-Duper-Happy-Sunshine-Pseudo-Flatrate fürs mobile Internet mal nutzen, um im Netz mitzudiskutieren über die Netzneutralität, und mich da besser zu informieren. Und mir eine Notiz im PC-Kalender anlegen, in einem Jahr und x Monaten doch evtl. mal zu kündigen.