Facebook ist auch im Jahr 2010 das Maß aller Dinge im Internet. Das soziale Netzwerk hat sowohl in Deutschland, den Vereinigten Staaten und der Welt den größten absoluten Besucherzuwachs erreicht, hat das Marktforschungsunternehmen Comscore für die FAZ errechnet. Danach besuchten im November 647,5 Millionen Menschen in aller Welt die Seite von Facebook, 209 Millionen mehr als zu Beginn des Jahres. Das Besondere an Facebook: Rund 280 Millionen dieser Nutzer kommen täglich auf die Seite, während andere große Seiten wie Yahoo (160 Millionen tägliche Nutzer) oder Microsoft (40 Millionen tägliche Nutzer) deutlich seltener frequentiert werden. Die Internetnutzer verbringen inzwischen rund ein Zehntel ihrer gesamten Online-Zeit auf Facebook – auch in dieser Kategorie ist Facebook inzwischen Weltmeister.
Selbst in Deutschland, wo lange Zeit lokale Netzwerke vorne lagen, spielt Facebook inzwischen in einer eigenen Liga. Der – von Comscore gemessenen – Besucherzahl von 28,5 Millionen stehen zwar nur rund 14 Millionen angemeldete, aktive Nutzer gegenüber, von denen aber mehr als zehn Millionen jeden Tag auf die Seite kommen. Zum Vergleich: Die großen Portale wie Web.de oder T-Online ziehen jeden Tag nur etwa fünf Millionen Besucher auf ihre Seiten. Andere soziale Netzwerke wie StudiVZ, MeinVZ oder Wer-kennt-wen locken täglich nur noch zwei bis drei Millionen Menschen und haben im Jahresverlauf rapide an Bedeutung verloren.
Das rasante Wachstum von Facebook wird allerdings zunehmend kritisch gesehen. Ein „Internet in Internet” wolle Facebook bauen, lautet ein Vorwurf und der WWW-Erfinder Tim Berners-Lee mahnte, dass ausgerechnet einige der erfolgreichsten Bewohner des Netzes, Facebook und Apple, dabei seien, die Grundprinzipien des Internet wegzuwerfen und statt dessen geschlossene Inseln zu schaffen. „Jede Seite ist ein Silo, abgeschirmt von den anderen Seiten”, warnte Berners-Lee jüngst in einem Beitrag für die Wissenschaftszeitschrift Scientific American.
Insgesamt dominieren neben den sozialen Netzwerken vor allem Medien- und die Spieleseiten die Ranglisten der schnellstwachsenden Internetunternehmen. Auf Wachstumskurs ist zum Beispiel die Videoseite Vevo, ein Gemeinschaftsunternehmen von Sony Music, Universal Music und der Abu Dhabi Media Company. In den Vereinigten Staaten sind besonders viele Medienseiten auf Wachstumskurs. Viacom, Vevo, Technorati Media, Glam Media und Buzz Media sind in der Spitzengruppe vertreten, in die es Demand Media, eine sogenannte Content Farm, in diesem Jahr aber nicht mehr geschafft hat. Demand Media liegt mit 65 Millionen Nutzern in den Vereinigten Staaten auf Platz 17 in der Besucherrangliste nur knapp hinter Apple und Ebay. Als einziges soziales Netzwerk neben Facebook hat das CafeMom Network mit dem Fokus auf Mütter in diesem Jahr in den Vereinigten Staaten nennenswert zugelegt.
Die Suchmaschine Google hat im zurückliegenden Jahr 80 Millionen neue Nutzer in aller Welt gewonnen und wird nun von fast einer Milliarde Menschen in aller Welt genutzt. In Deutschland ist Google ebenfalls Spitzenreiter mit fast 50 Millionen Nutzern im Monat. Der Kurznachrichtendienst Twitter hat es auch wieder in die Top 10 geschafft: Die Zahl der Besucher hat sich in diesem Jahr um 71 Prozent auf rund 100 Millionen in aller Welt erhöht.
In Deutschland haben Facebook, Microsoft und Google die meisten neuen Nutzer in diesem Jahr gewonnen. Starkes Wachstum zeigt auch die Groupe Pages Jaunes, was wesentlich auf der Personensuchmaschine 123people.com und deren häufiger Präsenz in Suchmaschinen basiert. Klassische Medienmarken wie Springer oder Burda, die im vergangenen Jahr noch vorne lagen, sind in diesem Jahr nicht mehr unter den Top-10 vertreten. Vergleichweise hohe prozentuale Zuwächse zeigen dagegen Spieleseiten wie Aeriagames, Bigpoint, Wurzelimperium, Myfreefarm (beide Upjers) und Habbo (Alloy Digital Network). Auch das junge soziale Netzwerk Deinpunkt.de hat es in die Top-10-Listen in Deutschland geschafft. In aller Welt zeigt ebenfalls ein Spielehersteller den größten Zuwachs: GSN Games Network hat im November 47 Millionen Spieler auf seine Seite gelockt, 400 Prozent mehr als im Januar. Diese Unternehmen bieten kostenlose Browserspiele an.
Aus Asien haben es in diesem Jahr nur zwei Unternehmen in die Rangliste geschafft: Die Suchmaschine Sohu und der Instant-Messaging-Dienst Tencent, die aber beide außerhalb Asiens keine bedeutende Rolle spielen. Asien spielt im Netz weiterhin eine Sonderrolle. Viele globale Marken wie Facebook, Google oder Yahoo sind zum Beispiel im wichtigen Markt China weit weniger bedeutend als im Rest der Welt und haben – auch politisch gewollt – das Nachsehen gegen die einheimischen Anbieter.
Der Rückblick auf 2010 lässt einige Vorhersagen auf 2011 zu. Google wird als erstes Unternehmen die Schallmauer von einer Milliarde Nutzern in aller Welt durchbrechen. Facebook wächst aber weiterhin am schnellsten und könnte in den Bereich von 800 Millionen Nutzern vorstoßen, wenn das Unternehmen weiterhin 700000 Nutzer täglich hinzugewinnt. Das setzt Google weiter unter Druck, einen Befreiungsschlag zu landen. Da die geplante Übernahme des Gutschein-Dienstes Groupon für sechs Milliarden Dollar nicht zustande gekommen ist, wird Twitter weiterhin als ein lohnendes Ziel für Google gesehen. Apple ist weiterhin alles zuzutrauen, zum Beispiel der Einstieg in den Markt der Spielekonsolen, obwohl der Tablet-Computer iPad dort schon gut vertreten ist. Das iPad 2 wird 2011 weiterhin den Markt dominieren, auch wenn der Marktanteil auf etwa 75 Prozent fallen könnte.
Insgesamt wird der Wettstreit um das mobile Internet das Jahr prägen. Googles Betriebssystem Android wird wahrscheinlich das Nokia-System Symbian als weltgrößte Plattform ablösen. Ob Apple ein „iPhone Nano” auf den Markt bringt, um nicht nur das obere Marktsegment leer zu fischen, wird ebenso spannend zu beobachten sein wie die Entwicklung der lokalen Dienste. Foursquare schlägt sich wacker gegen Facebook und Google, aber ob das Unternehmen auf Dauer gegen die Giganten bestehen kann, ist fraglich. Überhaupt werden Geschäftsmodelle für lokale Dienste im kommenden Jahr die Diskussionsrunden auf den Web-Konferenzen beherrschen. Dieser Markt ist noch klein, verspricht aber phantastische Wachstumsraten. Wie diese zu erreichen sind, wird noch zu klären sein. Google hat diesen Markt zu seinem wichtigsten Wachstumsfeld erklärt und muss nun Argumente liefern, wie dieser Markt erschlossen wird.
Links:
- – Die Internetseiten des Jahres 2009
- – Die Internetseiten des Jahres 2008
- – Tim Berners-Lee: Facebook schadet der Freiheit im Web
- – Twitter wächst auf drei Millionen Besucher in Deutschland
- – Google gegen Apple – der Kampf der Mobilfunk-Strategen
- – Apps sind ein Übergangsphänomen
- ______________________________________________________________________________
Tägliche Infos zur Netzökonomie:
Twitter.com/HolgerSchmidt (Web / Media / Social Media)
Twitter.com/netzoekonom (Mobile / Telco)
Holger Schmidt (Page)
Netzökonom (Page)
HolgerSchmidt (Präsentationen)
Wieder mal ein sehr guter,...
Wieder mal ein sehr guter, weil informativer Artikel.
Was mich in der Aufstellung...
Was mich in der Aufstellung wundert, ist das die Telekom ganz aus den Top Ten raus ist. Auch hätte Anfang des Jahres wohl niemand geglaubt, dass Facebook den VZ-Portalen so extrem das Wasser abgraben würde. Aber auch Facebook wird in 2011 an seine Grenzen stoßen und nicht mehr so rasant wachsen. Ich glaube, dass das zunehmende Entertainment im Internet wie Google oder Apple TV und ähnliche Angebote die Rangliste in 2011 oder aber spätestens 2012 mitbestimmen werden.
hallo!
wirklich interessanter...
hallo!
wirklich interessanter Artikel.
Vor allem verglichen mit den Vorjahren hat es einige Veränderungen gegeben.