Netzwirtschaft

Börsenspiel mit Facebook

Bild zu: Börsenspiel mit FacebookDas soziale Netzwerk Facebook ist 50 Milliarden Dollar wert. Zwar ist das Internet-Unternehmen noch gar nicht an der Börse. Aber die 450 Millionen Dollar, die von der als vorsichtig bekannten amerikanischen Großbank Goldman Sachs gerade in Facebook investiert wurden, kommen dem Status einer offiziellen Börsenbewertung schon ziemlich nahe – auch wenn die „Goldmänner” sicherlich einen Aufschlag gezahlt haben, weil sie sich mit dieser Investition quasi ein Vorrecht auf die Begleitung eines möglichen Börsengangs gesichert haben und ihren Klienten nun beinahe exklusiv die begehrten Facebook-Anteile anbieten können.

Warum sind Facebook-Anteile so begehrt? Das Unternehmen gehört gemeinsam mit dem Kurznachrichtendienst Twitter, dem Coupon-Dienst Groupon oder dem Online-Spieleentwickler Zynga zu den Perlen des Social Web. Anders als im Web der ersten Generation schaffen die Unternehmen heute eigentlich „nur” die Plattformen für die Interaktion der Menschen untereinander. Auf Facebook ist es die Kommunikation mit Freunden und Bekannten, auf Twitter vorwiegend die Informationsverbreitung; Groupon bringt lokale Händler mit lokalen Schnäppchenjägern zusammen und Zynga bedient mit Farmville, Cityville oder Mafia Wars das Bedürfnis nach einfachen, schnellen Spielen.

Mark Zuckerberg

Das Besondere an diesen Unternehmen ist ihr bis dato nie gesehene Wachstumstempo: Facebook hatte vor zwei Jahren etwa 100 Millionen Nutzer in der Welt; heute sind es rund 600 Millionen. Auch Twitter ist in kurzer Zeit auf 100 Millionen Nutzer gewachsen und Zyngas neues Spiel Cityville hat in nur zwei Monaten mehr als 80 Millionen Spieler angelockt.

Facebook ragt heraus, weil die Hälfte dieser Nutzer täglich kommt und viel Zeit auf der Seite verbringt. Werden die Online-Minuten zusammengezählt, ist das Unternehmen schon Weltmeister. Das lockt die Werbewirtschaft an, die ihre Investitionen gerade in großen Stil in Richtung der sozialen Medien und dort bevorzugt zu Facebook umlenken. In den Vereinigten Staaten erscheint jedes fünfte Online-Werbebanner auf Facebook. Auch in Deutschland, wo sich Facebook lange schwer getan hat, ist das Unternehmen inzwischen die treibende Kraft im Netz: 14 Millionen aktive Nutzer, davon rund zehn Millionen am Tag, bedeuten rund 150 Prozent Wachstum in einem Jahr. Jede zehnte Werbebanner wird in Deutschland auf Facebook gezeigt. Andere soziale Netzwerke wie Studi VZ oder große Portale wie T-Online sind in puncto Popularität längst überholt.

Im Moment halten alle Investoren die Wette, dass Facebook sein Wachstumstempo noch eine ganze Weile hoch hält und zu einer Art Internet-Monopol wird. Wenn das Unternehmen weiterhin so geschickt die Fäden im Netz spinnt, scheint die Gefahr, das gleiche Schicksal wie MySpace zu ereilen, mit jedem Tag zu sinken. 

Facebooks Bewertung sticht auch heraus, weil das Unternehmen ein funktionierendes Geschäftsmodell besitzt, seinen Umsatz im vergangenen Jahr auf geschätzte zwei Milliarden Dollar verdoppelt hat und zudem seit einiger Zeit profitabel arbeitet. Die Höhe des Gewinns ist öffentlich nicht bekannt. Aber Goldman Sachs, das seinen Mitarbeitern die Facebook-Nutzern am Arbeitsplatz verboten hat, wird die Zahlen kennen und hochrechnen, in welche Bereiche Facebook in einigen Jahren vorstoßen kann. Und nur darum geht es in diesem Börsenspiel. Wenn Facebook an die Börse kommt, betritt ein „fertiges” Unternehmen das Parkett, das Geld für seine weitere Entwicklung eigentlich gar nicht braucht. Das große Geschäft hätten dann die großen Investoren wie Goldman Sachs schon vor dem Börsengang gemacht, die ihren Fehler beim Börsengang von Google vermeiden wollen, als der große Wertzuwachs erst nach dem Gang auf Parkett erfolgte. Die normalen Anleger wären die Dummen, da nach dem Börsengang ein allzu großer Wertzuwachs nicht mehr zu erwarten ist, falls Facebook kein unerwartetes neues Geschäftsfeld entdeckt. Nicht zuletzt aus diesem Grund schaut sich die amerikanische Wertpapieraufsicht SEC das Treiben der Investoren argwöhnisch an. Denn Facebook ist kein Einzelfall. Immer mehr junge Internet-Unternehmen wie Groupon oder Twitter lassen sich lieber mit Hilfe privater Investoren finanzieren und meiden erst einmal den Börsengang und damit die (strengen) Kapitalmarktregeln. 

Sich mit Goldman Sachs einzulassen bedeutet für Facebook aber auch, einen Teil seiner Handlungsfreiheit an die Wall Street abzugeben. Zwar hat der Gründer Mark Zuckerberg sein Vermögen quasi über Nacht auf 15 Milliarden Dollar verdoppelt, doch nun bestimmen die Investoren die weitere Richtung des Unternehmens. Facebook läuft jetzt Gefahr, zum größten echten Börsenspiel aller Zeiten zu werden. Einer wird dabei auf alle Fälle gewinnen. Goldman Sachs. 

Die Facebook-Anteilseiger: Mark Zuckerberg, Accel Partners, DST, Dustin Moskovitz, Eduardo Severin, Sean Parker, Greylock Partners, Meritech Capital Partners, Peter Thiel, Microsoft, Li Ka-shing und weitere Angestelle, ehemalige Mitarbeiter, Prominente und diverse Investoren. Aus der deutscher Sicht leider nicht dabei ist Holtzbrinck, die das Angebot von Facebook, StudiVZ gegen Facebook-Anteile zu verkaufen, nicht angenommen hat. Sonst hätte Holtzbrinck heute einen mehrere Milliarden Dollar schweren Anteil an Facebook. Wie groß dieser Fehler war, zeigt die folgende Grafik: 


Tägliche Nutzer sozialer Netzwerke in Deutschland

Link: Internetseiten des Jahres: Facebook bleibt das Maß aller Dinge im Web

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