Im Vergleich zu den 29 Milliarden Dollar Umsatz, die Google im vergangenen Jahr erzielt hat, wirken die rund 2 Milliarden Dollar Werbeumsatz des sozialen Netzwerkes Facebook wenig bedrohlich. Warum Google trotzdem vor Facebook zittert, verrät ein Blick auf die Dynamik, mit der Facebook sein Werbegeschäft gerade hochfährt. Um 150 Prozent ist der Umsatz des weltgrößten sozialen Netzwerkes im vergangenen Jahr gestiegen, obwohl Facebook mit der Vermarktung seiner Popularität unter seinen rund 600 Millionen Internetnutzern gerade erst angefangen hat. Allein im vierten Quartal hat Facebook nach Angaben von Branchenkennern 750 Millionen Dollar Umsatz in aller Welt erzielt. Besonders brisant für Google: Facebooks Werbegeschäft wird von Sheryl Sandberg verantwortet, die das Google-Werbesystem aufgebaut hat und die Mark Zuckerberg höchstpersönlich abgeworben hat. Und Sandberg weiß, wie man Gewinne erzielt: 355 Millionen Dollar waren es allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres.
Inzwischen werden in den Vereinigten Staaten schon 28 Prozent aller Online-Werbeeinblendungen auf Facebook gezeigt, hat das Marktforschungsunternehmen Comscore errechnet. Das ist eine glatte Verdoppelung in einem Jahr. Zwar erhält Facebook je Werbeeinblendung vergleichsweise wenig Geld, doch die Masse macht es in diesem Fall. Vier Dollar je Nutzer betrug der Werbeumsatz der sozialen Netzwerke im vergangenen Jahr; in diesem Jahr könnten es fünf Dollar werden, schätzt das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte.
In Deutschland ist Facebook auf einem steilen Wachstumspfad. Der Anteil an den Werbeeinblendungen ist innerhalb der vergangenen zwölf Monate von 3 auf 16 Prozent gestiegen, hat Comscore gemessen. Hält das Wachstum an, könnte sich Facebook in diesem Jahr an die Spitze des deutschen Display-Marktes katapultieren – auch in der Umsatzrangliste. Der Grund für das wachsende Interesse der Werbetreibenden ist der schnelle Nutzeranstieg: Hatte das soziale Netzwerk vor zwei Jahren gerade zwei Millionen Nutzer, waren es zum gleichen Zeitpunkt des vergangenen Jahres 7,5 Millionen. Seitdem hat der Nutzerzuwachs nochmals an Fahrt gewonnen: „Facebook hat nun 16 Millionen aktive Nutzer. An guten Tagen sind zehn Millionen Menschen auf der Seite”, sagt Scott Woods, der als Commercial Director Germany für die Vermarktung des Netzwerkes in Deutschland verantwortlich ist. Damit ist die Facebook-Seite der Ort mit den meisten täglichen Besuchern im deutschen Internet. Das lockt natürlich Werbekunden an – auch wenn diese im Moment eher experimentieren, ob Werbung funktioniert. Aussagefähige Beweise dafür gibt es noch nicht.
Der Großteil der Werbekunden von Facebook sind kleine und mittlere Unternehmen, die in dem Selbstbuchungstool Anzeigen schalten, die dann in der rechten Spalte der Facebook-Seite angezeigt werden. Zahlen müssen diese Werbekunden nur, wenn ein Nutzer auf die geschaltete Anzeige klickt. Dieses „Cost-per-Click-Verfahren” trägt klar die Handschrift von Sandberg, denn Google verkauft seine Werbung ähnlich.
In den Vereinigten Staaten sind die Ausgaben für Werbung in sozialen Netzwerken im vergangenen Jahr um 55 Prozent auf rund zwei Milliarden Dollar gestiegen, hat das Marktforschungsunternehmen E-Marketer errechnet. Das entspricht rund 10 Prozent des gesamten Online-Werbemarktes. In aller Welt sind im vergangenen Jahr sechs Milliarden Dollar in die sozialen Netzwerke geflossen, haben die Marktforscher errechnet. „2010 war das Jahr, in dem sich Facebook als eine treibende Kraft etabliert hat – nicht nur in der Social-Network-Werbung, sondern im gesamten Online-Werbemarkt”, sagt Debra Williamson von E-Marketer. 2011 könnte Facebook seinen Werbeumsatz auf mehr als vier Milliarden Dollar mehr als verdoppeln.
Das große Wachstum kommt nach dieser Schätzung aus dem Ausland, wo Facebook meist noch mit dem Aufbau seiner Vermarktungsteams beschäftigt ist. „In Deutschland haben wir noch keine Fußballmannschaft”, sagt Woods. Den Umsatz in Deutschland will er nicht verraten. Es wird aber nur ein Bruchteil der geschätzten zwei Milliarden Euro sein, die Google in Deutschland im vergangenen Jahr umgesetzt hat. Dennoch sind Zweifel angebracht, ob Facebook den hohen Erwartungen gerecht wird, wenn der Werbeumsatz je Nutzer weiterhin so niedrig bleibt. Dann kann Facebook seine Nutzerzahl noch so schnell erhöhen – das Wachstum wäre begrenzt. Aus diesem Grund verlässt sich Facebook auch nicht allein auf die Werbung. Eine eigene Währung mit dem Namen „Credits” soll als Zahlungsmittel auf der Plattform dienen, zum Beispiel für den Verkauf virtueller Güter in den populären Spielen wie Cityville oder Farmville, die bis zu 100 Millionen Spieler anlocken. „Bis jetzt hat Facebook nur Baby-Schritte unternommen. Aber man kann sehen, dass Facebook Credits weit gehen können”, sagt Atul Bagga, Marktforscher bei Think Equity.
Großes Potential, das aber ebenfalls noch unter Beweis zu stellen ist, könnte der elektronische Handel für Facebook sein. Das Netzwerk ist schon mit mehr als der Hälfte der großen Online-Händler in Amerika verbunden. Wenn Nutzer dem Datenaustausch mit dem Händler zustimmen, werden die Interessen der Nutzer mit dem Angebot verglichen, um maßgeschneiderte Produkte anzubieten. Große Chancen werden auch dem direkten Produktverkauf auf der Facebook-Seite eingeräumt. Facebook könnte dem „Social Commerce” zum Durchbruch verhelfen, denn die Voraussetzungen sind ideal: Die Nutzer können sich mit Freunden über Produkte austauschen. So wie Nutzer heute ihren Freunden zum Beispiel Inhalte mit dem „Gefällt mir” empfehlen, könnten künftig auch Produkte empfohlen werden. Noch sind die beiden neuen Geschäftsfelder klein. Aber das Spiel mit den großen Zahlen beherrscht Facebook ja gut.
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Scott Woods, Deutschland-Chef von Facebook, zur Werbung in dem Netzwerk:
Facebook v erdient sein Geld zum größten Teil mit Werbung. Wie funktioniert das?
Auf Facebook gibt es zwei Arten von Werbung: Mit dem Selbstbuchungstool können Werbekunden die Zielgruppen für ihre Werbung selbst festlegen, zum Beispiel nach Ort, Geschlecht, Alter oder Interessen. Auch die Gestaltung der Werbung liegt in der Hand der Kunden. Die Werbeflächen erscheinen dann in der rechten Spalte auf Facebook. Abgerechnet wird pro Klick der Nutzer, also das CPC-Verfahren. Den Preis legt ein Auktionsmechanismus fest. Diese Methode ist vor allem interessant, wenn ein Unternehmen direkt die richtigen Leute im Long-Tail erreichen will.
Wie viele Kunden in Deutschland buchen Ihre Werbung auf diese Weise?
Die genaue Zahl sage ich nicht. Aber es ist der größte Teil unserer Werbekunden. Die Nachfrage hat im vergangenen Jahr immens zugenommen.
Und der zweite Teil?
Das sind die Premium-Plazierungen, zum Beispiel auf der Homepage eines Nutzers oder auf seiner Profilseite. Dort lassen sich zusätzliche Funktionen wie Videos oder Kommentare einbauen. Diese Werbung wird nach Tausend-Kontakt-Preisen abgerechnet und eignet sich auch für Markenwerbung.
Wohin verlinken die Unternehmen? Auf ihre Facebook-Seite oder lieber auf die eigene Internetseite?
In einem ersten Schritt verlinken die Werbekunden meist auf ihre eigene Internetseite. Wer aber virale Effekte auf Facebook erzielen will und mit den Nutzern in Kontakt kommen will, bleibt auf Facebook.
Man unterscheidet zwischen Paid Media, also gekaufter Werbung, Owned Media, also der eigenen Website, und Earned Media, meist persönlichen Empfehlungen in den sozialen Netzwerken. Wie teilen die Facebook-Kunden ihre Werbung auf?
Die meisten Unternehmen haben Earned Media noch nicht für sich erkannt; der Anteil ist noch recht gering. Meist wird mit Paid Media angefangen. Dabei haben wir festgestellt: Die Werbewirkung von Earned Media ist höher als von Paid Media. Um die Skalierbarkeit zu erreichen, haben viele Unternehmen in Deutschland aber noch zu wenige Fans.
Wie groß ist Facebook inzwischen in Deutschland?
Wie haben etwa 16 Millionen aktive Nutzer. An guten Tagen kommen zehn Millionen Menschen auf die Seite.
Fotos: dapd / Facebook
Links:
– Internet-Weltrangliste: Google führt, aber Facebook rückt schon auf Rang 3 vor
– Börsenspiel mit Facebook
– Internetseiten des Jahres: Facebook bleibt das Maß aller Dinge im Web
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Guter Artikel, vielleicht...
Guter Artikel, vielleicht bisschen viel Zahlenwerk. Auf jeden Fall wird Facebook Google das Wasser abgraben, an der einen oder anderen Ecke.