Netzwirtschaft

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"Google hat großes Interesse am lokalen Internet – und eine Menge relevanter Daten"

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Smartphones mit Kamera und Satellitennavigation machen in Verbindung mit riesigen Datenbanken und den Informationen der Freunde eine Fülle neuer Anwendungen möglich. Marissa Mayer erforscht für Google die Geschäftschancen im lokalen Internet.

Bild zu: "Google hat großes Interesse am lokalen Internet - und eine Menge relevanter Daten"Smartphones bringen das Internet auf die Straße – und öffnen den Internetunternehmen neue Märkte. Angefangen bei der Navigation über Werbung mit Ortsbezug und lokalen Handel bis hin zu ganz neuen Formen der Suche reichen die Einsatzfelder. Für die Suchmaschine Google ist das lokale Internet zu einem wichtigen Wachstumsfeld geworden, seit Google-Chef Eric Schmidt für sein Unternehmen vor einem Jahr die Devise „Mobile first” ausgegeben hat. Mobiles Internet sei die Königsdisziplin für seine Ingenieure, sagte Schmidt damals und betraute Marissa Mayer (Foto), die ein Jahrzehnt lang für die Google-Suche verantwortlich war, mit dem Aufbau des lokalen Geschäfts.

Googles Covergirl wollte ihren neuen Posten eigentlich mit einem Paukenschlag beginnen: der 6 Milliarden Dollar teuren Übernahme des Gutscheindienstes Groupon. Mit großem Erfolg verkauft das Unternehmen Gutscheine lokaler Händler für Produkte aller Art im Internet. Funktioniert diese Art der Werbung, müssen die Händler nicht mehr selbst im Internet werben – und fallen damit als Werbekunden für Google aus. Also musste Google reagieren. Da die Übernahme misslang, testet Google nun ein eigenes Gutscheinmodell mit Namen Offers. „Ich kann nur so viel sagen: Google hat großes Interesse an den Themen lokales Internet und E-Commerce und wir haben eine Menge relevanter Daten dafür”, sagte Mayer der FAZ.

Dazu gehören vor allem Informationen über ihre Werbekunden, die ihre Produkte schon mit Suchanzeigen bei Google bewerben. Kombiniert mit dem Wissen über die Suchanfragen der rund eine Milliarde Internetnutzer, die jeden Monat die Angebote des Unternehmens nutzen, lassen sich daraus maßgeschneiderte Gutscheinangebote erstellen. Googles Markteintritt könnte aus dem Zweikampf zwischen Groupon und dem Unternehmen LivingSocial, an dem sich der weltgrößte Online-Händler Amazon beteiligt hat, schnell einen Dreikampf machen. Und da eigentlich auch Ebay schnell in diesen Markt einsteigen müsste, bleibt dieser Markt weiter hart umkämpft.

In einen anderen Zweikampf will Google auch eingreifen. In sogenannten Check-in-Diensten wie Foursquare und dem Nachahmerprodukt Facebook Places können die Nutzer ihren Freunden mitteilen, wo sie sich gerade befinden. Das Wissen über den Aufenthaltsort, der mit Hilfe der Satellitennavigation GPS ermittelt wird, kann nicht nur echte Kontakte erleichtern, sondern auch Ansatzpunkt für lokalen E-Commerce sein. Wer zum Beispiel seinen Freunden per Facebook Places mitteilt, dass er gerade beim Computerhändler Gravis ist, bekommt ein Computerspiel geschenkt. Google hat gerade seinen Ortsdienst Latitude um die Check-in-Funktion erweitert und konkurriert nun direkt mit Foursquare und Facebook Places, das in Deutschland Orte heißt.

 

Unklar ist, ob das nun Werbung oder elektronischer Handel ist. „Die Grenzen verschwinden. Wer in einem Laden eincheckt und einen Gutschein erhält – ist das Werbung oder E-Commerce? Es ist eine Werbung, zugeschnitten auf die Menschen, die eingecheckt haben. Und dann muss man natürlich versuchen, die Menschen zu weiteren Einkäufen zu bewegen. Zum Beispiel mit einem Rabatt von 10 Prozent auf alle Produkte”, erklärt Mayer die Richtung, die Google einschlagen will.

Dafür hat Google gerade den Dienst Hotpot in vielen Ländern an den Start gebracht – auch in Deutschland. Auf Hotpot können die Menschen lokale Geschäfte bewerten. „Diese Empfehlungen basieren also auf den Vorlieben der Nutzer. Man kann auch ein Freundesnetzwerk auf Google Hotpot aufbauen, um nur die Empfehlungen von den Freunden zu bekommen, deren Wort man mehr vertraut als Empfehlungen von Fremden. Für den Aufbau des Netzwerkes kann man seine Kontakte aus unserem Maildienst G-Mail nutzen”, sagte Mayer.

Ganz so leicht ist das aber nicht. Denn immer mehr Anbieter bauen ihre Produkte auf die Empfehlungen der Freunde des Nutzers auf, den sogenannten Social Graph. Nur wenige Nutzer haben aber Lust, ihr Freundesnetzwerk auf jeder Seite neu aufzubauen. Da das Wissen über die Freunde aber einen Wettbewerbsvorteil bedeutet, geraten sich auch große Unternehmen darüber schon mal in die Haare. „Wir haben einige Probleme mit Facebook. Viele Kontakte auf Facebook kommen zustande, weil die Menschen die G-Mail-Kontakte mit den Facebook-Nutzern abgleichen und auf diese Weise entdecken, welche Freunde bereits auf Facebook sind. Facebook nutzt also unsere Daten, erlaubt ihren Nutzern aber nicht, die Kontakte zu Google zu exportieren. Daher haben wir den automatischen Zugang zu den G-Mail-Kontakten unterbunden. Das charakterisiert den Willen, Daten zu teilen, ganz gut”, sagt Mayer. Ob der Streit mit Facebook bald beigelegt ist? „Wir wollen mit Partnern kooperieren, die unsere Philosophie eines offenen Webs teilen. Mehr kann ich dazu nicht sagen”, sagt Mayer vielsagend.

In ihrer neuen Position ist sie auch für den umstrittenen Dienst Street View und Google Maps zuständig, der inzwischen mehr als 150 Millionen aktive Nutzer in aller Welt hat. Doch Karte ist nach Ansicht von Mayer nicht gleich Karte. „Karten werden künftig sehr viel persönlicher, relevanter und dynamischer. Wer die Karte auf seinem Smartphone anschaut, bekommt dann zum Beispiel angezeigt, welche Geschäfte ihn interessieren könnten, welche Events stattfinden und dass zwei der Freunde sich gerade in der Nähe aufhalten. Diese Karte ist für eine andere Person und zu einem anderen Zeitpunkt irrelevant”, sagt Mayer. Allerdings seien noch nicht alle nötigen Daten verfügbar.

An der Datenqualität krankt bisher auch ein weiteres ambitioniertes Projekt, das vielen lokalen Händlern den Angstschweiß auf die Stirn treibt: der Preisvergleich per Smartphone. Dabei wird einfach der Barcode des Produktes eingescannt oder das Produkt wird fotografiert. Barcode oder Foto werden dann mit einer Datenbank abgeglichen, und der günstigste Preis eines Online-Händlers für das Produkt wird in Sekundenschnelle auf dem Bildschirm angezeigt. Ist der Online-Händler billiger, lässt sich das Produkt im Netz gleich bestellen. „Für Preisvergleiche in stationären Läden mit einem Smartphone gibt es noch einige Hürden. Nicht in der Technik, aber mit den Produktdaten”, sagt Mayer. Auch daran wird unter der Führung von Mayer bei Google gearbeitet. Eine App dafür gibt es auch schon. Sie heißt Shopper.

Das Wissen über den Aufenthaltsort ändert auch die Suche. „Ein weiterer Schwerpunkt ist etwas, was wir ,Contextual Discovery‘ nennen. Dabei werden mobile und lokale Aspekte miteinander verknüpft, um dem Nutzer Informationen zu geben, die gerade für ihn relevant sein könnten – obwohl er eigentlich gar nicht danach gesucht hat”, sagt Mayer. „Wenn die Nutzer uns ihren Standort und etwas vom Kontext mitteilen, versuchen wir herauszufinden, welche Informationen sie gebrauchen könnten. Zum Beispiel eine Empfehlung für ein Restaurant aus Hotpot. Manche Suchanfragen lassen sich auch schwer beschreiben, zum Beispiel, welcher Vogel gerade vorbeifliegt. Wie will man das beschreiben? Wenn Google aber weiß, dass der Nutzer in Deutschland ist, dass es Februar ist und dass der Vogel braun ist, dann lässt sich die Zahl der in Frage kommenden Arten vielleicht auf fünf einschränken. Oder wenn wir wissen, dass ein Tourist an einer Kreuzung in einer großen Stadt steht, können wir ihm sagen, dass sich ein Besuch der großen Kathedrale in der Nebenstraße lohnt. Das funktioniert mit Augmented Reality, blendet also Informationen über das Kamerabild ein”, sagt Mayer.

Das Produkt könnte dann in einer Art Tourismus-App münden, die interessante Sehenswürdigkeit in der Nähe anzeigt, die dem Nutzer vielleicht gar nicht bekannt sind. Die Informationen über unbekannte Objekte lassen sich dann einfach mit Hilfe der Augmented-Reality-Technik über ein Kamerabild einblenden. „Wir arbeiten zum Beispiel mit Google Goggles daran. Ein Foto eines Wahrzeichens zum Beispiel wird dann mit unserer Bilderdatenbank abgeglichen und Google kann dann schnell angeben, wie das Wahrzeichen heißt.”

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4 Lesermeinungen

  1. sebiprivat sagt:

    Wenn sich der Handy und...
    Wenn sich der Handy und Mobilemarkt weiterhin so schnell entwickelt, wird es auch nicht mehr lang brauchen, bis Google nicht nur selbst mitmischt, sondern auch Google Adwords und Google Adsense eine Menge Geld verdienen wird.

  2. Sean Kollak sagt:

    Einfach nur toll. Es lohnt...
    Einfach nur toll. Es lohnt sich, jeden Artikel des Netzökonom bis zum Ende zu lesen. #ff

  3. Vielen Dank für den Tipp mit...
    Vielen Dank für den Tipp mit der App Shopper – das klingt sehr interessant!

  4. Google kann auch durch die...
    Google kann auch durch die Einführung des Google + 1 Buttons anhand der IP und des Useragents die mobile Surfverhalten genau analysieren und bekommt eine deutlich bessere Datenqualität. Gerade auch durch die mobilen Google + 1 Empfehlen kann Google für mobile relevante Inhalte noch deutlich mehr in den Vordergrund stellen.

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