Netzwirtschaft

Versicherer entdecken Social Media für sich

Lassen sich Versicherungen auf Facebook verkaufen? Oder Beziehungen zu Versicherten per Twitter knüpfen? Der Beweis dafür ist nicht erbracht, aber die deutschen Versicherungen wollen es jetzt wissen. In den vergangenen Monaten haben sie ihre Präsenz in den sozialen Medien kräftig ausgebaut. „Unternehmen, die sich noch komplett aus dem Social Web heraushalten, sind inzwischen in der Minderheit. Vor allem Direktversicherer zeigen die ersten erfolgreichen Ansätze”, sagt Tobias Lampe vom Beratungsunternehmen Keylens.

Dabei haben es Versicherer im sozialen Internet nicht einfach, da sich wohl kaum jemand per se als „Fan” einer Versicherung bezeichnet. Große Fanzahlen wie die großen Konsumentenmarken werden die Versicherer daher kaum erreichen können. Sie sollten sich vielmehr darauf konzentrieren, den Nutzern einen klaren Mehrwert zu liefern, zum Beispiel in Rechtsfragen. Ein weiterer Ansatzpunkt: aus der Kunstfigur „Günter Kaiser” echte Menschen zu machen, die als reale Kontaktpersonen den anonymen Versicherungen ein Gesicht geben.

Noch stecken die meisten Versicherer aber in der ersten Stufe: Aufmerksamkeit erzeugen, also Fans oder Follower für sich zu gewinnen. „Die reinen Fanzahlen führen aber zu völlig verzerrten Anreizen wie iPad-Verlosungen, mit denen sich zwar viele Fans ,einsammeln‘ lassen, die jedoch keine nachhaltige Beziehung erreichen”, sagt Archibald von Keyserlingk, ebenfalls Keylens-Berater. Der zweite – und wichtigere – Schritt, die gewonnenen Kontakte im Sinne eines „Lead Managements” an den Vertrieb weiterzuleiten, steht den meisten Unternehmen noch bevor. „Vielfach gibt es noch keine Konzepte, was mit den gewonnenen Fans passieren soll. Social Media darf aber nicht als Sackgasse enden”, sagt Lampe. Er empfiehlt, auch im Social Web dezent Verkaufspunkte zu setzen, um die Nutzer in Richtung Vertrieb zu bewegen. Dazu gehört zum Beispiel ein Rückruf-Button oder die Möglichkeit, seine Daten zu hinterlassen. Social Media sei schließlich kein Selbstzweck, sondern vorwiegend ein Mittel, um Unternehmensziele wie die Förderung der Loyalität der Kunden zu erreichen. Daher müssten die sozialen Medien eng mit den normalen Unternehmensprozessen verzahnt werden, lautet der Rat der Berater.

In der Praxis setzen die Versicherer vor allen auf das soziale Netzwerk Facebook. R+V 24 erreicht mit 5800 Fans auf Facebook den Top-Wert in Deutschland, gefolgt von BIG, D.A.S. und WGV Himmelblau mit rund 3000 Fans. Im Vergleich mit den internationalen Vorreitern sind das allerdings noch bescheidene Werte, erreichen Unternehmen wie State Farm Nation (570 000), Aflac Duck (230 000) und USAA (140 000) immerhin sechsstellige Werte. Nun sagen Fanzahlen wenig aus, wenn die Nutzer nicht auch engagiert sind. In der Kategorie „Kommentar je Fan” liegen Unternehmen wie WGV Himmelblau, Allianz Deutschland, D.A.S. und die Gothaer Versicherung mit Werten um die 10 Prozent vorne in Deutschland, haben die Keylens-Berater gemessen. Die R+V 24 habe ihre vergleichsweise hohe Fanzahl eher der hohen Online-Affinität ihrer Kunden und der Werbung für ihren Auftritt statt einer nachhaltigen Interaktion mit den Nutzern zu verdanken. Besser macht es dagegen die D.A.S., die mit ihrer Rechtsfrage des Tages in direkten Austausch mit ihren Nutzern kommt. Die WGV Himmelblau verfolgt auf Facebook mit „Frag Peter” einen sehr personalisierten Ansatz. Wie man es noch besser macht, zeigt die amerikanische Versicherung State Farm Insurance, die auf allen Kanälen mit ihren Nutzern in Kontakt steht. Auch die American Family Insurance nutzt Facebook geschickt als Informationsportal und Eingangskanal für die eigene Internetseite.

Youtube wird in Deutschland von vergleichsweise wenigen Versicherungen genutzt. Hier sticht die Allianz hervor, die zwar viele Abrufe, aber nur wenige Abonnenten aufweist. Die Allianz versucht auf Youtube, ihre Werbekampagnen aus dem Fernsehen zu multiplizieren. Die Ergo Versicherung, die sich momentan sehr volksnah präsentiert, hat mit ihrem Videowettbewerb zwar viele Abonnenten für den Youtube-Kanal gewonnen, aber nach dem Ende nicht weitergeführt. Die einzige Aktivität gehe daher jetzt von unzufriedenen Wettbewerbsteilnehmern aus, hat Keylens herausgefunden. Wieder setzt die WGV Himmelblau in dieser Kategorie die Benchmark in Deutschland. Mit vielen Erklärvideos macht die Versicherung ihren Nutzern die komplexe Rechtslage transparent. International ist es die Allstate Versicherung, die über die meisten Abrufe und Abonnenten verfügt. Als „Best Practice” ragt allerdings die Versicherung Progressive heraus, die mit stets neuen, hochwertigen Videos die Nutzer an sich bindet. 

Auf Twitter sind Allianz-Kommunikator Markus Walter und „Peter” von WGV Himmelblau vergleichsweise aktiv, besitzen aber angesichts der geringen Twitter-Nutzung in Deutschland nur eine geringe Durchschlagskraft. In Amerika, wo Twitter einen weit höheren Stellenwert genießt, nutzt USAA den Kurznachrichtendienst vorbildlich für den Kundendienst und beantwortet dort Nutzeranfragen.

In der Gesamtbetrachtung ist der Reifegrad der Social-Media-Nutzung in den deutschen Versicherungsunternehmen noch recht gering. „Gerade die Direktversicherungen wie Himmelblau, BIG oder Asstel zeigen jedoch in Ansätzen, dass Social Media auch für Versicherungen relevant sein kann”, sagt Lampe.

Selbst wenn die Berechnung der „Returns on Investment” für das Engagement in den sozialen Medien bisher nicht die erhofften schnellen Erfolge gebracht hat, haben die meisten Unternehmen im Hinterkopf, dass Kommunikation auf Facebook oder Information auf Twitter in wenigen Jahren zur Haupttätigkeit der Internetnutzer geworden ist und weiter stark an Bedeutung gewinnt. Inzwischen verbringen die europäischen Internetnutzer mehr Zeit auf Facebook als auf Google-Seiten. Dieser Medienwandel in der Internetwelt zeigt bisher eine Dynamik und Konstanz, die offenbar einen langen Atem rechtfertigt.

Link: Versicherungen auf Twitter

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