Netzwirtschaft

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„Berlin kann das Silicon Valley Europas werden“

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Klaus Hommels hat in Unternehmen wie Facebook, Skype oder Spotify investiert. Nun hat er mit Springstar einen Inkubator geschaffen, der europäische Start-ups groß machen will, die es auch mit den Amerikanern aufnehmen sollen. Standort seines Inkubators ist nicht zufällig Berlin.

Bild zu: „Berlin kann das Silicon Valley Europas werden“Klaus Hommels hat in Unternehmen wie Skype oder Spotify investiert. Nun hat er mit Springstar einen Inkubator geschaffen, der europäische Start-ups groß machen will. Private Investoren und Family-Offices sollen das Geld mitbringen, um europäische Internet-Champions zu schaffen, die groß genug sind, um nicht sofort zum Übernahmeziel für die Amerikaner werden. Standort seines Inkubators ist nicht zufällig Berlin. Dort tobt gerade ein scharfer Wettbewerb der Firmenschmieden um die Start-Ups: Rocket Internet (Samwer-Brüder), Rebate Networks (Stefan Glänzer / Michael Brehm) und Team Europe (Lukasz Gadowski / Kolja Hebenstreit) buhlen dort um die besten Ideen und Talente. 

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Herr Hommels, wird Berlin zum europäischen Silicon Valley und Brutstätte für Weltunternehmen?

Hommels: Das Internet-Ökosystem in Europa ist schwieriger. Bisher gab es keine Exit-Märkte, die Länder sind zu klein, und es gab kein richtiges Zentrum. Berlin ist in den vergangenen zwei oder drei Jahren aber als Zentrum der Tech-Szene durchgestartet, und inzwischen fangen wir an, eine neue Qualität an Internetunternehmen zu bauen. Dadurch ist die Chance entstanden, ein ähnlich gutes Ökosystem wie im Silicon Valley zu schaffen.

Braucht man ein Silicon Valley, in dem die Tech-Szene an einem Ort versammelt ist, um Erfolg zu haben?

Hommels: Ja, das ist sehr nötig. Wo sind die coolen Innovationszentren? Das ist das Silicon Valley und Israel, weil dort alle an einer Stelle versammelt sind.

Hat Berlin Vorteile gegenüber London?

Hommels: Wer in London ein Start-up hochziehen will, hat erheblich höhere Personalkosten. Das Start-up wird damit etwa zweieinhalb Mal so teuer wie in Berlin. Zudem gibt es ein englischsprachiges Zentrum schon in Amerika. Berlin hat gute Chance, als europäisches Silicon Valley nach vorne zu kommen – wenn wir es jetzt richtig machen. Das sieht man auch schon daran, dass sich jetzt auch große amerikanische Kapitalgeber wie Index oder Accel in Berlin umschauen oder auch andere europäische Start-ups Berlin als Standort wählen. Alle Leute gehen nach Berlin.

Wie wichtig wäre Berlin als Internet-Cluster für Deutschland?

Hommels: Viele der Fortune-100-Unternehmen sitzen im Silicon Valley. Eine solche Bündelung hat natürlich makroökonomische Effekte. Das gilt auch für die Börsengänge: 90 Prozent der Arbeitsplätze in den Tech-Unternehmen sind nach dem Börsengang entstanden. Zum Beispiel hatte Ebay vor dem Börsengang 138 Mitarbeiter und jetzt 15000. Microsoft ist von 1100 auf 91000 Mitarbeiter gewachsen. Wenn wir es schaffen, in Berlin große Internetunternehmen zu schaffen und die Zentralen dieser Unternehmen dort halten können, kann sich das sehr positiv auf die gesamte Volkswirtschaft auswirken.

Aber gerade Börs Bild zu: „Berlin kann das Silicon Valley Europas werden“engänge von Internet-unternehmen sind seit der New-Economy-Blase in Europa fast unmöglich geworden. Daher haben die Gründer ihre Unternehmen doch lieber schnell an die Amerikaner verkauft. Lässt sich in Europa wieder eine IPO-Kultur für Tech-Unternehmen schaffen?

Hommels: Wir müssen es zumindest versuchen. Eine zwingende Voraussetzung: Man muss große, international tätige Unternehmen bauen, die nicht sofort zum Übernahmeziel für die Amerikaner werden. Zalando kann ein solches Unternehmen sein. Auch wir haben schon einige „Roll-outs” in vielen Ländern geschafft und damit die Unternehmen groß gemacht, die dann aus eigener Kraft bestehen können.

Aber dann stellt sich die Frage, ob diese Unternehmen nicht doch nur die Kopien der amerikanischen Originale waren, die nur das Ziel hatten, von den Erfindern der Idee gekauft zu werden? Die Welle der Groupon-Klone wäre so ein Beispiel. Sind für eigene Börsengänge nicht auch eigene Geschäftsideen nötig?

Hommels: Ich finde die Copycat-Diskussion zu einfach, und sie wird uns von den Amerikanern aufgedrängt. Tatsache ist, dass es schon lokale Anpassungen an Geschäftsmodelle gegeben hat. Selbst wenn es Copycats sind, müssen diese Unternehmen so schnell so groß gemacht werden, dass sie eine eigene Existenzberechtigung haben. Das war bisher das Problem: Europäische Internetunternehmen sind nie so schnell auf die gleiche Größe gekommen wie die amerikanischen Unternehmen. Daher haben die Europäer auch nie so viel Geld bekommen wie die Amerikaner. Das war und ist immer noch der zentrale Strukturnachteil der Europäer.

Woher soll das Geld kommen?

Hommels: Ich bin gerade dabei, hier in der Schweiz ein Finanz-Pendant zu Springstar zu gründen. Das heißt Lakestar und hat das Ziel, dass wir sehr schnell namhafte Beträge in Unternehmen investieren können. Wir verpflichten uns, bis 50 Millionen Euro selber zu investieren, geben aber auch vermögenden Privatinvestoren oder Family-Offices die Möglichkeit zur Investition. Das Ziel ist ein Finanz-Ökosystem, um nicht immer den Strukturnachteil der Finanzierung zu haben. Wir wollen im ersten Schwung 150 bis 200 Millionen Euro zusammenbekommen. Das reicht, um ein paar gute Modelle groß zu machen. Dass das Investitionsmodell funktioniert, haben wir in den vergangenen Jahren bewiesen. Von 10 Investitionen haben wir in 4 Fällen unsere Investition mindestens um den Faktor 30 gesteigert, und in 3 Fällen haben wir die Investition um den Faktor 10 bis 20 herausbekommen. Das ist aus unserer Sicht eine gute Ausgangsvoraussetzung, um andere Leute mitzunehmen.

Aber in Europa werden doch meist E-Commerce-Seiten hochgezogen, während die Medienindustrie und die sozialen Netzwerke in Europa keine Chance sehen, oder? In der analogen Medienwelt hatte Europa einen Weltmarktanteil von 28 Prozent, in der neuen, digitalen Welt von höchstens 2 Prozent. Verliert Europa den Anschluss?

Hommels: Die Amerikaner haben zwei Vorteile: einen großen Heimatmarkt und die Medien wie Techcrunch, die solche Modelle in aller Welt bekannt machen können. Aber wir haben es auch nicht ernsthaft versucht. StudiVZ oder Xing waren stets viel mehr auf Deutschland fokussiert als auf Internationalisierung. Aber die amerikanischen Unternehmen haben Bewertungen, mit denen sie es sich leisten können, ihre Geschäfte in aller Welt auszurollen. Ich denke, es hängt von der Reife des Ökosystems ab. Wenn man schnell die nötige Größe erreicht, kann man auch die Amerikaner auf diesen Feldern schlagen.

Wie soll das funktionieren?

Hommels: Man braucht eine Einheit, die Geschäfte sehr schnell internationalisieren kann und die nötige Finanzkraft hat, dass Unternehmen nicht monatelang herumtingeln müssen, um Geld zu bekommen. Wenn wir das Modell gut finden, können wir sofort 20 Millionen Euro investieren und sind innerhalb von 6 Wochen in bis zu 8 Ländern am Start. Nur so lassen sich Geschäfte hochziehen. Die Amerikaner arbeiten auch so. Auch die Chinesen und Russen haben ihre eigenen großen Suchmaschinen, ihre eigenen sozialen Netzwerke und ihre großen E-Commerce-Unternehmen. Das haben wir in Europa bisher nicht hinbekommen, weil der Heimatmarkt zu zersplittert ist und wir nicht die Antwort hatten, Unternehmen schnell groß zu machen.

Also kann Europa noch aufholen?

Hommels: Der Rückstand Europas ist eine Momentaufnahme, und es kommen immer neue Modelle und neue Chancen. Aber das sollte uns nicht noch einmal passieren. Dass es in Europa geht, haben wir mit Skype und Spotify gezeigt. Deutschland hat einen DNA-Vorteil: Deutsches Engineering steht für exzellente Arbeit, und wir haben ein besseres Kulturverständnis. Das sollte uns helfen, die Geschäfte international zu machen.

Links zum Internet-Standort Deutschland:

Fotos: Jiri Rezac, Hommels

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9 Lesermeinungen

  1. Stephan sagt:

    Für meine Firma sehe ich in...
    Für meine Firma sehe ich in Deutschland keine Zukunft, da es an einer ganzen Reihe von Faktoren fehlt. Politiker sind mit nichts anderem beschäftigt, als das Internet schlecht zu machen oder zu regulieren. Berlin ist schon einmal eine ganz schlechte Wahl, da man in einer Großstadt kaum die Ruhe hat eine gute Idee zu realisieren. Und das Wetter spielt auch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Rechtlich dauert es nach dem Launch einer neuen Webseite keinen Monat, da flattern die ersten kostenpflichtigen Abmahnungen ins Haus. Sehr wichtig wäre auch eine innovationsfreundliche Kultur in der Bevölkerung. In Amerika oder Japan stürzen sich die Menschen geradezu auf neue Produkt, um diese auszuprobieren. Schließlich ist es für neue Produkte wichtig schnell neue Kunden zu finden. In Deutschland allerdings herrscht eine große Innovationsfeindlichkeit. Das erste was mir hier immer in den Sinn kommt ist die Diskussion und Verpixelung von Google Streetview. So was lächerliches kann auch nur hierzulande passieren. Ein Foto der Hausfassade eines Plattenbaus mit 100 Wohnungen eine Verletzung der Privatspähre nennen und gleichzeitig intimste Geheimnisse bei Facebook der Welt mitteilen. Und was die Finanzierung betrifft erinnere ich mich noch gut an die Worte meines Sparkassen Beraters auf meinen Anfangstagen: Kredite geben wir an Selbständige ohne Sicherheiten grundsätzlich nicht (Es ging um 1000 Euro für einen Server). Meine Prognose für die Zukunft: 80% Marktanteil für ein öffentlich-rechtliches Internet, 20% für die neue Internetplatform der Deutschen Telekom.

  2. Jens sagt:

    Ich bin selbst...
    Ich bin selbst Internetunternehmer, ziehe mich aber zunehmend aus dem Markt zurück und investiere in virtuelle 3D Welten. Ich bin der Meinung, das der Zug in Sachen Internet weitgehend abgefahren ist. Der Wettbewerb ist extrem und jede noch so absurde Idee wurde schon hunderte bis tausende Male implementiert. Leider hat Deutschland sich bisher nur einen Namen mit Copy-Paste-Startups gemacht. In Insiderkreisen gilt, was China für physische Güter ist, ist Deutschland für digitale. Sobald eine neue Webseite in den USA das Licht der Welt erblickt, entsteht in Deutschland seine digitale Kopie. Hätte ich das Kapital, ich würde in grüne Technologie investieren. Dies ist ein Zukunftsmarkt in dem Deutschland noch gut positioniert ist und der noch jung ist und extrem viel Potential hat. Anders als im Internet, wo das Markteintrittsbarrieren sehr niedrig sind, kann Deutschland hier auf seinen großen Know How und Kapitalstock zurückgreifen. Doch leider kommen die meisten Innovationen auch in diesem Bereich inzwischen aus dem Silicon Valley, wo grüne Technologie zur Zeit als das Zukunftsthema gehandelt wird. Und leider wurde Deutschland sowohl in Masse als auch an Effizienz bei Solarzellen inzwischen von den Chinesen abgehängt. Deutsche Automobilkonzerne, die sich als die besten der Welt bezeichenen, haben nicht ein einziges Elektroauto im Angebot, während die Franzosen und Japaner diese schon seit Jahren in Serie produzieren. Das einzige was Deutschland in Serie produziert sind Studienabbrecher in den Ingenieurswissenschaften (teilweise über 50%). Wir leben nun einmal in einer globalisierten Welt und war gestern noch das Kapital mobil, ist es heute v.a. das Humankapital. Konkret gibt es eine Wanderungsbewegung aus dem arabischen und afrikanischen Raum in Europas Sozialsysteme und eine Wanderung von gut ausgebildeten Europäern nach Fernost und Australien, sowie in die USA. Und dieser Trend wir auch noch 20 Jahre anhalten und die Welt grundlegend verändern. Blind den Trends hinterherhecheln ist nicht die Lösung. Und schon die Überschrift dieses Artikels zeigt den Fehler “Berlin als Silicon Valley Europas”. Wir sollten weder versuchen ein Silicon Valley zu sein, noch ein China oder ein Indien. Diese Rollen sind schon vergeben, alles andere ist nur billiger Abklatsch. Die Deutschen müssen Trends setzen und selbst Vorreiter in einem Bereich werden und ihre Stärken ausspielen und ist dieses ganze grüne Thema, ob Technologie oder Ernährung, nicht fast schon eine deutsche Erfindung? Es ist ein Wohlstandsthema und damit ein globales Zukunftsthema wenn wir an die Verheissungen des Marktes glauben.

  3. Jan Fischer sagt:

    @Stephan/Jens: Dass es bei...
    @Stephan/Jens: Dass es bei euch nicht klappt liegt weniger an den äußeren Umständen, sondern vielmehr an euch selbst und euren Einstellungen und Glaubenssätzen. Wenn ihr weiter so macht und euch nicht ändert, werdet ihr NIE erfolgreich sein, das kann ich euch versprechen. Ihr seid voller limiting beliefs, sucht die Schuld immer nur bei den anderen.

  4. Vincent sagt:

    <p>Ein vielversprechendes...
    Ein vielversprechendes Projekt. Hoffentlich wird es klappen!

  5. StatisTiger sagt:

    Ich gebe Jan prinzipiell...
    Ich gebe Jan prinzipiell recht. Dass die Deutschen auch kritisch neue Technologien hinterfragen halte ich nicht grundsätzlich für verkehrt und dass Datenschutz hier eine größere Rolle spielt, hat geschichtliche Gründe. Außerdem zeigt der relativ problemlose Ablauf des Zensus 2011, dass das Land auch hier etwas entspannter geworden ist.
    Für persönliches Scheitern sollte man nicht zuerst Andere verantwortlich machen.

  6. uwe sagt:

    <p>gute fragen und gute...
    gute fragen und gute antworten. ich habe in den letzten 11 jahren drei internetunternehmen in berlin gegruendet und glaube zu wissen, warum die stadt wie keine andere in europa geeigent ist, das silicon valley europas zu werden: vergleichsweise guenstige mieten ermoeglichen guenstige loehne, berlin zieht als international bekannter brand staendig neue kreative an, mitarbeiter in jeder sprache sind einfach zu finden, keine andere stadt hat annaehernd viele startups gross gemacht, internationale vc scouten ideen und teams in berlin, inkubatoren wie rocket professionalisieren die basis fuer gruender.

  7. Thomas sagt:

    <p>Als Unternehmer hat man mit...
    Als Unternehmer hat man mit vielen in Deutschland zu kämpfen. Bürokratie, Bürokratie und so weiter und so weiter. Aber ob es nur in Berlin besser sein soll????
    @Stephan – in einem anderen Land ist es genauso schwierig – glaube es mir ich habe es versucht, auch mit etwas Erfolgt – aber du must zuviel Geld ausgeben, da du dich mit den Umständen im jeweiligen Land nicht auskennst. Du verdienst mehr Geld OK aber du gibst es auch wieder schneller aus.

  8. <p>Ich sehe das wie uwe. Die...
    Ich sehe das wie uwe. Die Möglichkeiten sind da, wer diese weiß zu nutzen ist im Vorteil. Es ist nicht einfach ein Unternehmen aufzubauen. Egal ob in Berlin oder Tokio. Am Ende gehört auch ein wenig Glück dazu, zur richtigen Zeit mit der richtigen Idee am richtigen Ort zu sein.

  9. Christian sagt:

    <p>@ Rene</p>
    <p>Bin ganz...

    @ Rene
    Bin ganz deiner Meinung. Wichtig ist auch ein fester Kundenstamm der pünktlich zahlt. Habe schon einige neue Firmen gesehen, die wegen schlechter Zahlungsmoral schliessen mussten.

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