Facebook hat auf seiner Entwicklerkonferenz f8 in San Francisco drei wesentliche Neuerungen verkündet, die Facebook – das ist die wesentliche Botschaft – in eine Medienplattform verwandeln sollen. Das ist der Versuch, nach der Kommunikation auch die Information und die Unterhaltung auf die Facebook-Seite zu ziehen. Aber die eigentliche Revolution liegt in der Möglichkeit, dass die Nutzer ihre Vorlieben oder Handlungen mit Hilfe strukturierter Daten beschreiben können. “Mark Z hat das sematische Web angekündigt, ohne es so zu nennen”, twitterte Esther Dyson. Das ist so genial, dass es erst auf den zweiten Blick auffällt. “Die beste Strategie eines Technologie-Unternehmen, die es je gab”, sagte Salesforce-CEO Marc Benioff direkt nach der f8 zu Zuckerberg, weiß David Kirkpatrick. Das Problem: Diese Neuerungen sind für die Werbekunden gemacht, nicht für die Nutzer. Und die wehren sich jetzt.
Aber die Neuigkeiten der Reihe nach:
Timeline
Aus den bisher eher langweiligen Profilseiten werden optisch ganz nette Bilderstrecken, auf denen die Nutzer ihr gesamtes „Leben” darstellen können – zumindest in der Facebook Sprachregelung. Dazu gehören neben den Fotos auch Karten mit den Orten, an denen man gewesen ist, welche neuen Freunde man gewonnen hat, künftig wohl auch, welche Musik man gehört und welche Film man gesehen hat. „Alle wichtigen Geschichten Deines Lebens auf Deiner Seite”, sagte Mark Zuckerberg dazu. Wer es mag, kann nun also sein ganzes „digitales Leben” auf Facebook hinterlegen. Muss man aber nicht mögen. Hier das Video dazu:
Medienplattform
„Media is a social industry”, sagte Zuckerberg. Was er damit meint: Im neuen Ticker können Nutzer sehen, welche Musik ihre Freunde gerade hören, welche Filme sie sehen, welche Nachrichten sie lesen und welche Spiele sie spielen. Ein Klick auf den Eintrag im Ticker genügt, um die passende App mit Musik, Film, Nachrichten oder Spielen zu starten. Facebook wird damit zur Distributionsplattform für die Musik-, Film- und Nachrichtenindustrie. Zum Start sind Anbieter wie Yahoo News, das Wall Street Journal, die Washington Post oder der Guardian dabei. Musik kommt unter anderem von Spotify, Filme von Netflix. “Der Guardian denkt neu darüber nach, wie Menschen ihre Nachrichten mit der Integration in Facebook konsumieren. Sie haben es nun leichter, relevante Nachrichten mit Hilfe ihrer Freunde zu entdecken”, sagt Christian Hernandez, der für Plattform-Partnerschaften auf Facebook verantwortlich ist. Für den Guardian liegt das Motiv in zwei Dingen: Stammleser mit Inhalten versorgen und neue Leser ansprechen, die über die Empfehlungen ihrer Freunde vielleicht erstmal in Kontakt mit Inhalten des Guardian kommen, sagt Meg Pickard vom Guardian.
Das Ganze erinnert etwas a n Facebook Beacon, das Facebook nach kräftigen Nutzerprotesten allerdings wieder eingestellt hat. Per Beacon sollten die Nutzer ihren Freunden mitteilen, welche Produkte sie gerade auf Drittseiten gekauft haben. Das wollten die Nutzer damals nicht haben. Aber dies ist wieder ein Schritt in diese Richtung, zwar nur für Musik, Filme, Nachrichten und Spiele, aber weitere Produkte könnten noch kommen. Dann werden Empfehlungen auf Facebook als Kriterium für den E- oder besser F-Commerce an Gewicht gewinnen.
Ungeklärt ist bisher, wie es mit den Rechten für Deutschland aussieht. Deutsche App-Partner standen nicht auf der Liste, aber das kann sich bis zum Start in Deutschland noch ändern. Zum Start wird es in Deutschland aber wohl nur die Nachrichten geben. Auch ob das Bezahlen für Filme oder Musik per Facebook Credits möglich oder geplant ist, sagte Zuckerberg nicht. Aber das ist zu erwarten, wenn Facebook als Vertriebsplattform für die digitalen Inhalte mit Apple mithalten will. Das Ziel: „Die Menschen werden mehr Musik kaufen, wenn sie mehr entdecken”, sagte Spotify-Gründer Daniel Ek.
Open Graph
Künftig können Nutzer ihren Freunden im Ticker mitteilen, dass sie zum Beispiel ein Buch gelesen, einen Film geschaut oder eine Nachricht in einer der Apps gesehen haben. Die Übertragung der Information, einen Artikel gelesen oder ein Musikstück gehört zu haben, geschieht automatisch. Ein Klick ist nicht mehr nötig, wenn die Nutzer diesen Automatismus zuvor aktiviert haben. Hierin steckt großes Potential: Facebook erhält auf diese Weise eine große Menge strukturierter, maschinenlesbarer Daten über die Vorlieben der Menschen. Je mehr dieser Verben eingeführt werden, desto größer wird der Datenschatz, den Facebook erhält. “Mark Z announces semantic web without actually naming it”, twitterte @EstherDyson. Das ist der Punkt: Während viele Forscher sich noch den Kopf zerbrechen, wie aus dem unstrukturierten Web ein semantisches Web wird, dessen Inhalte von Maschinen verstanden werden, lässt Mark Zuckerberg seine Nutzer diese maschinenlesbaren Daten selbst erstellen. Diese können dann von den Facebook-Maschinen verarbeitet werden. Das Ergebnis: Facebook kennt die Vorlieben seiner Nutzer künftig noch viel besser, weil sie nicht nur auf den Profilangaben beruhen, sondern auf den eigenen und zudem strukturierten Angaben der Nutzer. Facebook verbindet künftig nicht nur Menschen miteinander, sondern Menschen mit Musik, mit Filmen, mit Spielen und sicher bald auch mit Produkten aller Art, für die es sicher bald Apps geben wird. Und an dieser Stelle wird es aus wirtschaftlicher Sicht richtig interessant: Facebook kann Bit für Bit die Vorlieben seiner Nutzer erkennen, was sie mögen, lesen, sehen, spielen, essen, künftig auch kaufen oder suchen. Das Ergebnis ist die Möglichkeit der perfekten Zuschneidung von Werbung und E-Commerce-Angeboten. Wenn die Nutzer tatsächlich mitmachen, könnte Facebook sogar besser als Google werden, denn eine Suchmaschine ist nur der Navigator, während Facebook die Destination ist, auf der die Menschen sich aufhalten. In den Apps der Medienunternehmen kann Werbung dann exakt an den Bedürfnissen der Nutzer ausgerichtet werden – denn Facebook kennt sie ja. Also werden viele Unternehmen sich auf die Plattform drängeln, um ihre Apps an den Mann zu bekommen. Dagegen regt sich der Widerstand der Nutzer, denen nach und nach die Kontrolle über ihre Daten entgleitet.
Facebook wird also die Spinne im Netz – ob die deutschen Datenschützer das wollen oder nicht. Die Nutzer müssen entscheiden, ob sie mitmachen wollen.
Fazit
Ein großer Schritt von Facebook – eigentlich die wichtigste Änderung seit Jahren. Das Teilen von Medieninhalten wird deutlich erleichtert und damit angetrieben. Auch wenn sich die Medien nach Apple von einer weiteren Plattform abhängig machen, wird der zusätzliche Traffic wie ein Magnet auf sie wirken. Nachdem Facebook bereits die Kommunikation weitgehend auf seine Seite gezogen hat, soll nun der Medienkonsum folgen. Die Einführung der “Verben” wird Facebook eine Menge strukturierter Daten über das Verhalten und die Wünsche der Nutzer bringen. Diese Daten sind erstmals von Maschinen lesbar und entsprechend präzise lassen sich Vorhersagen über das Nutzerverhalten machen. Damit der Plan aufgeht, müssen nur noch die Nutzer mitmachen – die aber – nicht nur in Deutschland – viele Änderungen kritisch sehen. Die App-Entwickler werden kommen. Zuckerberg hat für seinen Masterplan 800 Millionen Argumente auf seiner Seite. Und Google+ sieht plötzlich ziemlich alt aus.
Links:
Foto AFP
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Als nächstes wird er eure...
Als nächstes wird er eure Träume wollen, und ihr werdet sie ihm geben. Im Austausch für ein bischen Firlefanz.
Die Sekte Facebook frisst sich...
Die Sekte Facebook frisst sich weiter in die Hirne der Facebook-Freunde. Ihre naive Bewunderung Zuckerbergs, lieber Herr Schmidt, ist der FAZ eigentlich nicht würdig. Die psychopathologische Wirkung von Facebook und seines Führers Zuckerberg ist Ihnen offenbar nicht bewusst.
Mich schreckt das noch mehr...
Mich schreckt das noch mehr von Facebook ab. Mir gehen die neuen Bilder und Freunde – Nachrichten schon auf den Keks, die man nicht abschalten zu können scheint (ich nutze Facebook zu wenig, um mich intensiver mit der Frage zu beschäftigen). Es könnte mir nicht egaler sein, was gerade irgendjemand für Musik hört. Das war schon vor 10 Jahren auf ICQ albern, schön wenn sowas als großartige Neuerung gefeiert wird.
Google+ sieht im Vergleich dazu nur noch weniger zugespammt aus. Wenn das alt ist mag ich alt.
Auf den Medienteil bin ich allerdings gespannt.
Nie war es einfacher für 800...
Nie war es einfacher für 800 Millionen den Stecker zu ziehen, wenn sie sich nicht lohnen.
Wieso werden hier Kommentare...
Wieso werden hier Kommentare nur erlaubt, wenn man seine Website angibt ?
Ich bin gespannt, wie der...
Ich bin gespannt, wie der Medienteil in Deutschland aussehen soll. Ich kann mir kaum vorstellen, das plötzlich spotify, netflix oder hulu hier verfügbar sind.
Irgendwann sollte man auch...
Irgendwann sollte man auch einmal überlegen ob man sein komplettes Leben mit anderen Leuten teilen sollte, den wenn sich die Fliege einmal im Netz verfangen hat, dann ist es zuspät
Soziologisch betrachtet ist...
Soziologisch betrachtet ist Facebook hochgeradig gefährlich die Menschen wie in einer Sekte zu vereinen, in dem niedere einfache soziale Verhaltensweisen ausgenutzt werden.
Früher haben sich die...
Früher haben sich die Marketingforscher wenigstens die Mühe gemacht und die Menschen SELBER ausgefortscht…. Heute erwarten sie das Du dich freust wenn sie Dir sagen worauf Du stehst…
jaja, alle die hier posten...
jaja, alle die hier posten benutzen facebook nie und haben den artikel nur zufällig in der faz entdeckt!!!!
ich benutze es, mir ist das doch scheiß egal was das zuckerbäumle macht, der beste schutz der privatsphäre ist immer noch der, der vor der Maschine sitzt!