Netzwirtschaft

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Die Digitalisierung erfasst immer mehr Lebensbereiche. Wie sie sich auf Menschen und Märkte auswirkt, beleuchtet das Netzwirtschaft-Blog auf FAZ.NET.

"Unternehmen, die nicht im Silicon Valley sind, haben grundlegende technologische Sprünge verpasst"

| 7 Lesermeinungen

Deutsche Internetunternehmen vor dem Aus? Übernehmen uns Google, Facebook und Co.? Oder: Wie können wir auch im Internet schlagkräftige deutsche und europäische Firmen aufbauen? - so lautete der Titel eines der interessanteren Panels auf den Medientagen, das - fast - ohne die in München plötzlich wieder populäre Google-Schelte auskam.

Deutsche Internetunternehmen vor dem Aus? Übernehmen uns Google, Facebook und Co.? Oder: Wie können wir auch im Internet schlagkräftige deutsche und europäische Firmen aufbauen? – so lautete der Titel eines der interessanteren Panels auf den Medientagen, das unter der Moderation von Stefan Winners, CEO Tomorrow Focus, fast ohne die in München plötzlich wieder populäre Google-Schelte auskam.

Den Anfang machte Marc Al-Hames, Leiter Unternehmenswicklung von Tomorrow Focus, mit einigen Zahlen, welche die Dominanz der Amerikaner und die Abgeschlagenheit der Deutschen im Internet zeigten.

Danach

– befinden sich unter den 150 meistbesuchten Internetseiten der Welt keine deutschen Angebote – nur Google.de, Ebay.de und Amazon.de

– entfallen knapp 70 Prozent des deutschen Online-Werbemarktes auf die Suche, vorwiegend auf Google.

– erzielt Google in Deutschland 8 Mal mehr Umsatz als ein Nachrichtenportal.

– hat die Reiseseite Holidaycheck nur 2,2 Millionen Hotelbewertungen im Vergleich zu 10 Millionen, die der amerikanische Wettbewerber Tripadvisor in der gleichen Zeit eingesammelt hat.

Der Kern des Erfolgs der Amerikaner liege im Silicon Valley, glaubt McKinsey-Direktor Adam Bird. „Viele Unternehmen, die nicht im Silicon Valley sind – Nokia, RIM, teilweise SAP – haben grundlegende technologische Sprünge verpasst”, sagte Bird. Das Valley ziehe Leute, Wissen und Kapital gleichermaßen an. Neu sei in jüngster Zeit die Globalisierung der Internetunternehmen: „Facebook ist viel schneller internationalisiert als Google”. Mit Modellen, die sehr viel Cash generierten. „Sobald ein skalierbares Modell wie Google oder Apple vorliert, wird der Kapitalvorteil der Amerikaner größer und größer”, sagte Bird. Die zentralen Fragen seien aus seiner Sicht: Hat Europa genügend Start-ups am Anfang der Pipeline? Und: Wie können die jetzigen Internetunternehmen besser skalieren?

Cornelius Patt, CEO von Zooplus, sieht das Hauptproblem der deutschen Internetindustrie in der Beschränkung auf Deutschland. „Damit nehmen viele Unternehmen automatisch eine defensive Position mit dem Ziel ein, aufgekauft zu er werden. Wir brauchen mehr strategische Spieler, die einen Markt global dominieren möchten”, sagte Patt, der selbst jeden verdienten Euro in die Internationalisierung des Unternehmens steckt. „Auch 10 Jahre nach der Gründung finden wir neue Märkte. Diese Märkte entwickeln sich viel schneller, als sich damals der deutsche Markt entwickelt hat”, sagte Patt. Deutschland sei im Kräfteverhältnis mit Amerika stark im Nachteil. „Das kann nicht gutgehen. Wir müssen daher gleich europäisch denken. Werden wir die Türkei und Russland mit hinzunehmen, hat der europäischen Markt 800 Millionen Verbraucher”, sagte Patt.

Für Andreas Thümmler von Corporate Finance Partners CFP, der als “Mr. Sell-out Germany” an den meisten Verkäufen deutscher Internetunternehmen in den vergangenen Jahren beteiligt war, müssten auch die deutschen Medienunternehmen Burda und Springer größer denken. „Sie müssen auch mal ein großes Unternehmen kaufen, zum Beispiel aus der Spieleindustrie”, mahnte Thümmler mehr Mut an – und auch Geduld, ein Geschäft richtig groß zu machen. „Nach drei, vier oder fünf Jahren wollen die Gründer mit einem Verkauf meist ihre Existenz sichern – und anschließend als Business-Angel weiterarbeiten”, sagte Thümmler. In Amerika seien viele Gründer schon mit ihren zweiten oder dritten Unternehmen am Start. Das könne aber auch daran liege, dass deutschen Gründern Misserfolge nicht verziehen werden. Das sei in Amerika anders.

In mehr Geduld sah auch Konrad Hilbers einen der Vorteile der Konkurrenten. „Die Unternehmer in Amerika halten ihre Ideen länger durch als in Deutschland. Die Gründerszene in Deutschland von eher von BWLern geprägt, in Amerikaner sind es eher die Ingenieure”, sagte Hilbers, der selbst schon einige wagemutige Jobs gemacht hat. „Napster war ein Harakiri-Unternehmen, als ich eingestiegen bin – ähnlich wie Quelle”, sagte Hilbers, heute Honorarprofessor an der Universität in München.

Viel Hoffnung wird auf Berlin als Start-up-Mekka gesetzt. „Berlin ist definitiv die Internet-Hauptstadt von Europa. Nach dem Silicon Valley bringt Berlin die meisten Internet-Start-ups hervor. Vor zehn Jahren war das noch in London. Aber auch in Berlin steigen die Kosten. Die Gehälter steigen. Trotzdem: Wer heute in Europa etwas machen will, muss nach Berlin gehen”, sagte Thümmler. Gelobt wurden allerdings auch London, Moskau und Israel für interessante Gründerszenen. In Großbritannien unterstütze die Regierung die Start-ups bessern, räume unnötige Regulierungen schneller aus dem Weg.

Lob gab es am Ende sogar für die Samwer-Brüder, die viele erfolgreiche Internetunternehmen aufgebaut haben. Ihr Inkubator Rocket Internet beschäftigt inzwischen mehrere Tausend Menschen in aller Welt.

Die schlechte wirtschaftliche Situation in Amerika ist eine Chance für europäische Unternehmen, den Rückstand aufzuholen. Nachdem noch im vergangenen Jahr sehr viel Kapital in Start-ups geflossen ist, sind die Zuflüsse in ganz junge Unternehmen dort seit einigen Monaten stark zurückgegangen. In Deutschland ist diese Zurückhaltung bisher nicht zu beobachten.

 

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7 Lesermeinungen

  1. Berdt B. sagt:

    "...Reiseseite Holidaycheck...
    “…Reiseseite Holidaycheck nur 2,2 Millionen Hotelbewertungen im Vergleich zu 10 Millionen, die der amerikanische Wettbewerber Tripadvisor in der gleichen Zeit eingesammelt hat.”
    Hat mal einer nachgerechnet wieviel mehr Einwohner die USA haben?!? Oder wieviele Menschen weltweit englisch sprechen?
    Da vergleicht mal wieder ein schlauer Mensch Äpfel mit Birnen und das dumme Volk staunt mit großen Augen.
    Irgendwie lustig.

  2. BÄHRING sagt:

    Drücken wir es so aus: Der...
    Drücken wir es so aus: Der Bundetag ist seit Januar 2011 gehackt! Und das hat mit Updates/Upgrades zu tun auf unaasgegorene neue Systeme!
    https://img812.imageshack.us/img812/2554/20111021oktoberseptembe.jpg
    Protokoll vom 21.09.2011 wird veröffentlicht am 21.10.2011!
    Oktober ist nicht September.

  3. Hostmaster sagt:

    Genau: "Autos"/Browser die...
    Genau: “Autos”/Browser die älter als sieben Jaghre sind dürfen am “Straßenverkehr”/Internet nicht mehr teilnehmen
    siehe beispielsweise hier:
    https://h1792467.stratoserver.net/piratenfraktion-berlin.de.gif

  4. gaffeesaggse sagt:

    <p>Zum Anfang: Größe ist...
    Zum Anfang: Größe ist nicht alles. Manchmal ist ein Wespenschwarm auch besser als ein Dinosaurier. Unser Mittelstand ist nicht zu verachten.
    Der Vorteil der US- Größen ist der Zugang zum Investmentkapital durch die großen Inverstmentbanken. Darum haben wir auch Starbucks Coffee und Mac Donald’s bei uns und nicht umgekehrt deutsche Ketten in den Staaten. Unsere Banken haben, mangels Phantasie, das Kapital exportiert – in US-Holzhütten oder PIIGS Bonds, statt es Unternehmern zu geben.
    Dann spricht der Artikel auch gut die Mentalitätsunterschiede an. Mag man kritisieren, daß an US Unis die Mannschaftssportarten überbetont werden – es ist aber ein wichtiger Punkt: Es geht ums *faire* Kräftemessen und letztlich ums Gewinnen.
    Unser Bildungssystem bereitet knallhart auf eine “Karriere” als Lohnsklave in einem Konzernbetrieb vor – und auf das Verlieren (wegen dem bösen Wolfskapitalismus) Die brilliantesten Köpfe eines Jahres heuern bei den großen Banken und bauen riesige Hütchenspiel-Maschinen.
    Den doofen Sozialismus und die einhergehende Staatsgläubigkeit haben wir hier nicht überwunden. Wenn das der Fall ist und eine neue Generation herangewachsen ist, für die Freiheit ein wichtiges Lebensziel ist, wird es wieder mehr erfolgreiche Wachstumsunternehmen geben.
    Hinzu kommt, daß wir versuchen, die USA nachzuäffen. Einholen können wir sie nie. Aber wenn wir unsere eigene Kultur und unsere Eigenheiten selber einebnen, machen wir es ihnen leicht, uns auf unserem eigenen Territorium auseinanderzunehmen.

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