Netzwirtschaft

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Die Renaissance der New Yorker "Silicon Alley"

Bürgermeister Michael Bloomberg will seine Stadt wieder zu einem Magneten für Start-Ups der Technologieszene machen. Er braucht neue Wachstumsfelder, weil die Finanzbranche Arbeitsplätze streicht. Tatsächlich hat New York bemerkenswerte Fortschritte gemacht - auch wenn der Rückstand zum kalifornischen Silicon Valley noch immer enorm ist.

Das kalifornische Silicon Valley ist die unumstrittene Hochburg der Technologiebranche in den Vereinigten Staaten. Der Korridor zwischen San Francisco und San Jose hat ein einzigartiges Ökosystem aus etablierten Technologiegiganten von Apple bis Google, Wagniskapitalgebern und einer gründerfreundlichen Universität (Stanford). Es ist ein ideales Umfeld für hoffnungsfrohe Jungunternehmer: Mark Zuckerberg zog 2004 von der Ostküste ins Silicon Valley und schrieb von hier aus mit seinem sozialen Netzwerk Facebook eine der größten Erfolgsgeschichten der Internetbranche, die demnächst mit dem Börsengang einen Höhepunkt erreichen wird. Auch viele andere aufstrebende Technologieunternehmen wie Twitter, Zynga oder Linkedin kommen aus der Region.
Auf der anderen Seite des Landes in New York blickte man immer etwas neidisch auf die Dominanz des Silicon Valley in der Technologiebranche. Zu den Zeiten der Internetbegeisterung in den späten neunziger Jahren hat New York auch schon einmal Fortschritte gemacht, eine Art Ostküsten-Gegenstück zum Silicon Valley zu etablieren. Etliche Internetunternehmen wurden in der Stadt gegründet, es floss viel Wagniskapital, und in Anlehnung an das kalifornische Vorbild entstand der Begriff „Silicon Alley”. Mit dieser „Allee” war die Prachtstraße Broadway auf der Höhe von Soho und angrenzenden Stadtteilen gemeint, um die herum sich viele der neuen Unternehmen ansiedelten. Das Platzen der Internetblase bereitete dieser Technologieblüte in New York aber erst einmal ein jähes Ende, viele der damals entstandenen Internetunternehmen sind verschwunden oder wurden verkauft.
Heute zeichnet sich eine Renaissance der „Silicon Alley” ab, und Technologie ist für die Stadt wieder ein großer Hoffnungsträger. Das gilt umso mehr, als die Finanzbranche, der traditionell wichtigste Wirtschaftsmotor in New York, in Schwierigkeiten steckt und Arbeitsplätze streicht. Dagegen stehen in der Technologieszene die Zeichen auf Expansion: Nicht nur bauen kalifornische Internetunternehmen wie Facebook, Google oder Twitter ihre Präsenz in New York aus. Die Stadt hat auch mittlerweile einige vielversprechende junge Eigengewächse wie das soziale Netzwerk Foursquare, den Blog-Dienst Tumblr, den Online-Einkaufsclub Gilt oder Etsy, eine Art Ebay für Kunsthandwerker.
Das ist ganz nach dem Geschmack von Bürgermeister Michael Bloomberg, dem die Förderung der New Yorker Gründerszene besonders am Herzen liegt. Im vergangenen Sommer machte Bloomberg eine vollmundige Kampfansage an das Silicon Valley: In einer Rede rief er es als „ultimatives Ziel” aus, New York zur „Welthauptstadt technologischer Innovation” zu machen. Er beklagte, dass New York den kalifornischen Rivalen in den vergangenen Jahrzehnten als Magnet für Unternehmensgründungen oder Start-Ups davonziehen hat lassen. Er rief seine eigene „Start-Up”-Karriere in Erinnerung, als er 1981 in New York den Finanzinformationsdienst Bloomberg L.P. ins Leben rief, der ihn zum Multimilliardär machte. Solche Gründungen seien aber in der Stadt lange die Ausnahme statt die Regel gewesen.
Mittlerweile zeigen aber einige Indikatoren für New York in die richtige Richtung: So ist die Zahl der als „High Tech” klassifizierten Arbeitsplätze nach Angaben der lokalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft Economic Development Corp. zwischen den Jahren 2005 und 2010 um 30 Prozent auf gut 90000 gestiegen. New Yorker Start-Ups locken auch mehr Geldgeber an: Im vergangenen Jahr flossen nach Erhebungen des Wagniskapitalverbandes National Venture Capital Association 2,7 Milliarden Dollar in New Yorker Unternehmen. Das war ein Zuwachs von 38 Prozent gegenüber dem Vorjahr, deutlich mehr als die landesweite Steigerungsrate von 22 Prozent. New York zog damit fast 10 Prozent des gesamten in den Vereinigten Staaten vergebenen Wagniskapitals an, so hoch war der Anteil zuletzt im Jahr 2000. Freilich ist der Rückstand zum Silicon Valley, das 2011 rund 11,6 Milliarden Dollar und damit mehr als 40 Prozent des amerikanischen Wagniskapitals bekam, noch immer gewaltig. Und New York ist auch selbst noch weit entfernt von seinen eigenen Glanzzeiten des Jahres 2000, als insgesamt fast 10 Milliarden Dollar in Start-Ups investiert wurden. Auch Bürgermeister Bloomberg gab in seiner Rede zu: „Wir verstehen, dass wir das Silicon Valley nicht über Nacht einholen werden.”
Bloomberg kann Zuversicht aus einem beständigen Strom guter Nachrichten schöpfen. Foursquare hat im Dezember unterstrichen, auf Wachstumskurs zu sein, als das Unternehmen neue Büros in Soho anmietete, die um ein Vielfaches größer sind wie seine alten Räumlichkeiten im East Village. Facebook will diesem Jahr in New York sein erstes Entwicklungsbüro außerhalb der Westküste aufmachen. Das Softwareunternehmen Infor hat im Herbst angekündigt, seine Zentrale von Atlanta nach New York zu verlegen. Google hat heute in New York ohnehin schon eine stattliche Präsenz mit rund 2000 Mitarbeitern, damit ist die Metropole der zweitgrößte Standort hinter der Zentrale im Silicon Valley. Vor gut einem Jahr kaufte Google für knapp 2 Milliarden Dollar ein Bürogebäude, das einen ganzen Häuserblock einnimmt und in dem das Unternehmen schon vorher Mieter war.
Ein wichtiger Baustein in Bloombergs Strategie für die New Yorker Technologieszene ist es, hier ein Pendant zur Stanford University zu schaffen. Im Dezember kündigte er eine Partnerschaft mit der angesehenen Cornell University an, die einen auf technische Disziplinen spezialisierten Ableger in New York errichten soll. Die Stadt stellt dafür ein Grundstück zur Verfügung und steuert 100 Millionen Dollar zur Finanzierung bei. Der erste Abschnitt des neuen Technologiecampus auf der im East River zwischen den Stadtteilen Manhattan und Queens gelegenen Insel Roosevelt Island soll 2017 eröffnet werden. Auf lange Sicht hat die Stadt ehrgeizige Ziele für die neue Universität: Aus ihr sollen in den nächsten dreißig Jahren 600 Unternehmen hervorgehen, die bis zu 30000 Arbeitsplätze schaffen.

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