Netzwirtschaft

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Die Facebook-Besessenheit von Google-Chef Larry Page

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Ein ehemaliger Mitarbeiter von Google packt aus: Kurz nach seiner Kündigung bei Google greift James Whittaker die Kultur unter dem Vorstandschef Larry Page an. In der Ära von Vorgänger Eric Schmidt sei Google innovationsfreudiger gewesen, meint er. Heute sei das Unternehmen in erster Linie davon besessen, den Rückstand auf Facebook wettzumachen. Die Ausführungen von Whittaker sind mit etwas Vorsicht zu genießen, zumal er zum Google-Rivalen Microsoft gewechselt ist. Aber sie eröffnen trotzdem eine interessante Perspektive auf den Internetgiganten.

Kündigen mit einem Knall, das ist der Trend der Woche in Amerika. Am Mittwoch reichte ein Manager der Bank Goldman Sachs seine Kündigung mit einem explosiven Gastbeitrag in der „New York Times” ein und prangerte eine verrottete Unternehmenskultur an, in der Kunden als „Muppets” verhöhnt werden. Wenige Stunden vorher fand sich der Internetkonzern Google im Fadenkreuz eines gerade ausgeschiedenen Mitarbeiters. Softwareentwickler James Whittaker klagte auf seinem Blog, wie er nach einem mehrmonatigem „Wirbelsturm der Verzweiflung” resigniert festgestellt habe, dass seine einstige Leidenschaft für Google verloren und nicht mehr wiederzubeleben sei – also habe er das Unternehmen verlassen müssen. Er lässt eine ausführliche Anklage der Google-Kultur unter dem seit knapp einem Jahr amtierenden Vorstandschef Larry Page folgen.

Whittakers Betrachtung ist mit einiger Vorsicht zu genießen. Der Mann ist nicht frei von Eitelkeit („Jeder will wissen, warum ich gegangen bin”), und eine Attacke auf Google mag auch im Interesse seines neuen Arbeitgebers liegen. Whittaker ist zum Softwarekonzern Microsoft gewechselt, der selbst seit Wochen eine öffentlichkeitswirksame Anti-Google-Kampagne führt.

Trotzdem eröffnet der Beitrag eine interessante Perspektive auf den Internetgiganten. So verblüfft Whittakers Einschätzung, dass Google unter Page-Vorgänger Eric Schmidt innovationsgetriebener gewesen sein soll. Mitarbeiter hätten in der Schmidt-Ära mehr Freiraum gehabt, neue Ideen zu entwickeln. „Es war schwer, sich einen besseren Ort zum Arbeiten vorzustellen”, schreibt Whittaker über die Zeit vor Page. Dabei war gerade von Page, einem der beiden Google-Gründer, erwartet worden, dass er nach seinem Aufrücken zum Vorstandsvorsitzenden wieder mehr Start-Up-Mentalität ins Unternehmen bringt.

Was Page aber nach Meinung von Whittaker in erster Linie auszeichnet, ist eine Besessenheit mit Facebook. Google fürchte, ohne ein eigenes relevantes soziales Netzwerk Werbeumsätze an Facebook zu verlieren. Trotz aller Flops der Vergangenheit wie Google Buzz sei Page wild entschlossen, es weiter mit Facebook aufzunehmen – nun eben mit Google Plus.

Diese Ambitionen hält Whittaker im Prinzip auch nicht für falsch, aber nach seiner Auffassung schadet sie dem Unternehmen auch. Page konzentriere die Ressourcen nun so einseitig auf soziale Netzwerke, dass Google an anderer Stelle die Luft abgeschnürt würde. Google habe nun weniger Raum für die Experimente und Spinnereien, zu denen Mitarbeiter früher ermutigt worden seien und die oft auch zu wichtigen Produkten geführt hätten. Ideen, die nicht Google Plus ins „Zentrum des Universums” stellen, gelten laut Whittaker nun als unnötige Ablenkung.

Vielleicht wäre diese Strategie sogar „heroisch”, wenn Google Plus erfolgreich wäre, sinniert Whittaker. Aber der Ex-Googler zweifelt an den Aussichten des neuen sozialen Netzwerks, obwohl er selbst an dessen Entwicklung beteiligt war. Google hatte beim Start von Google Plus mit einem Seitenhieb auf Facebook behauptet: „Der Online-Austausch von Informationen funktioniert nicht mehr.” Whittaker meint heute, das sei mehr Wunsch als Wirklichkeit gewesen, und die erhoffte Abwanderung der Nutzer von Facebook habe nie stattgefunden. „Ich konnte nicht einmal meine Tochter, die im Teenager-Alter ist, dazu bringen, sich Google Plus zwei Mal anzusehen.”

Über Erfolg oder Misserfolg von Google Plus ist zuletzt viel diskutiert worden. Das Marktforschungsinstitut Comscore veröffentlichte kürzlich Zahlen, bei denen Google Plus verheerend abschneidet. Demnach hätten Nutzer von Google Plus zwischen September und Januar nur jeweils rund 3 Minuten im Monat auf der Seite verbracht. Bei Facebook waren es dagegen laut Comscore zwischen 365 und 405 Minuten. Seit Bekanntwerden dieser Zahlen hat der bei Google für Produktentwicklung zuständige Senior Vice President Vic Gundotra mehrmals versucht, Google Plus in Interviews zu verteidigen. Er sagte der „New York Times”, Google Plus sei „keine Geisterstadt”, sondern wachse rasant. Der Dienst würde monatlich von 100 Millionen Nutzern in Anspruch genommen. Allerdings bezieht Gundotra bei dieser Rechnung auch die Nutzung von anderen Google-Angeboten wie der Videoseite Youtube ein, die das Unternehmen mit Google Plus verbunden hat. Dies ist nach Darstellung von Gundotra die maßgebliche Kennzahl, da Google Plus so eng mit anderen Google-Diensten verknüpft werde, als eine Art zusätzliche soziale Komponente. Daher sei es nicht so entscheidend, wie viel Zeit nun direkt auf der Internetseite von Google Plus verbracht werde.

Es ist nicht ganz ohne Ironie, dass James Whittaker Google nach seinem Ausstieg vorwirft, Innovationsfreude zu ersticken. Genau dieser Vorwurf wird auch seinem neuen Arbeitgeber Microsoft oft gemacht (der auch sein alter war, bevor er 2009 zu Google wechselte), wo Whittaker nun den Titel „Netzfuturist” („Web Futurist”) trägt. Vielleicht äußert er sich zu diesem vermeintlichen Widerspruch bald selbst: Auf seiner Twitter-Seite hat er angekündigt, an einem neuen Blogeintrag zu arbeiten mit dem Titel: „Warum ich bei Microsoft eingestiegen bin.”

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2 Lesermeinungen

  1. westernworld sagt:

    google erinnert mich stark an...
    google erinnert mich stark an sheldon lee cooper sie verstehen einfach den witz nicht.
    google hat eine wunderschön anzusehende neuauflage von tumbler gebaut, tumbler mit kommentaren. das ist kein soziales netzwerk und wird es auch nie. das soziale fußt auf trivialem, redundanz, flausch etc. und nicht auf sachlicher diskussion und informationsaustausch.
    aber genauso gut könnte man versuchen bei microsoft der erkenntnis zum durchbruch zu verhelfen das windows nicht everywere etwas verloren hat oder linux aposteln klarzumachen das normale menschen betriebssysteme nicht als politisch-religiöse mittelpunkte ihres lebens nutzen.

  2. Bin schon gespannt, auf welche...
    Bin schon gespannt, auf welche Art und Weise sich James Whittaker von seinem aktuellen Arbeitgeber, Microsoft, trennen wird … es wird wahrscheinlich ein “Hurrikan der Verzweiflung”

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