Ein einzelner Superhit kann manchmal dafür sorgen, dass die Karten für ein Unternehmen ganz neu gemischt werden. In der Filmindustrie kommt das immer wieder vor. Zum Beispiel gerade erst beim Filmstudio Lionsgate, das sich nach dem glänzenden Kinostart seiner Romanverfilmung „The Hunger Games” („Die Tribute von Panem” in Deutschland) auf einmal in die obere Hollywood-Liga katapultiert hat. Aber auch in anderen Branchen ist das Geschäft hitgetrieben – und ein besonders spektakuläres Beispiel gab es vor wenigen Tagen bei Online-Spielen oder „Social Games”. Zynga, das seit kurzem börsennotierte Unternehmen aus San Francisco hinter Spielen wie „Farmville” und „Cityville”, kaufte für 180 Millionen Dollar den New Yorker Wettbewerber OMGPOP.
Das ist enorm viel Geld für ein Unternehmen, das vor ein paar Monaten noch auf dem Zahnfleisch ging. OMGPOP traf mit seinen Titeln jahrelang einfach nicht den Geschmack von Spielefans und musste sich Gedanken machen, wie lange das Geld noch reicht. Aber dann erlebte das 2006 entstandene Unternehmen den Durchbruch gewissermaßen über Nacht mit „Draw Something”, ein interaktives Spiel in der Art von „Pictionary”, bei dem es darum geht, Begriffe zu zeichnen und gegenseitig zu erraten. Das Anfang Februar herausgekommene Spiel schlug ein wie eine Bombe, und der Erfolg gab Zynga offenbar zu denken.
Zynga ist so etwas wie der Platzhirsch, was Spiele unter Nutzern des sozialen Netzwerks Facebook angeht. Unter den beliebtesten Facebook-Applikationen stehen mehrere Zynga-Titel ganz weit vorne. Aber „Draw Something” hat zunächst einmal dafür gesorgt, dass Zynga nicht mehr das populärste Facebook-Spiel im Angebot hat. Vor ein paar Wochen löste das Zeichenspiel das von Zynga kommende Wortpuzzle „Words with Friends” gemessen an der Zahl der täglichen Nutzer von der Spitze ab und steht dort bis heute. Auch im amerikanischen „App Store” von Apple, in dem Spiele für das iPhone und das iPad vertrieben werden, ist „Draw Something” weit oben: Die Gratisversion ist Spitzenreiter unter den kostenlosen Apps, die 99 Cent teure Bezahlvariante ist Nummer zwei, geschlagen nur von der gerade erschienenen Neuauflage des Kultspiels „Angry Birds”.
Der Sensationserfolg hat Zynga dazu getrieben, schnell zuzugreifen, angeblich sollen auch Wettbewerber wie Electronic Arts OMGPOP umworben haben. Der Zukauf unterstreicht, dass Zynga unter Druck steht, seine Palette mit frischen Hits zu füllen. Schon der im Februar vorgelegte Quartalsbericht hat Sorgen geweckt, dass die Spiele des Unternehmens an Zugkraft verlieren könnten. So meldete Zynga durchschnittliche tägliche Nutzerzahlen von 54 Millionen im Schlussquartal 2011. Diese Kennzahl stagnierte im Vergleich zum dritten Quartal, und sie lag sogar niedriger als im ersten und im zweiten Quartal.
Mit dem Kauf von OMGPOP dürfte sich Zynga auch Fortschritte in seiner Strategie erhoffen, weniger abhängig von Facebook zu werden. Vor ein paar Wochen hat das Unternehmen den Start einer eigenen Plattform angekündigt, die es den Nutzern erlaubt, Zynga-Titel außerhalb von Facebook zu spielen. Bisher erzielt Zynga mehr als 90 Prozent seines Umsatzes über Facebook. Zynga macht sein Geschäft vor allem mit dem Verkauf virtueller Güter, die Nutzer in den Spielen voranbringen oder ihnen zusätzliche Spieloptionen geben. Die Spiele an sich sind zumeist kostenlos.
Der Blitzverkauf von OMGPOP hat nun im ganzen Markt für „Social Games” für Übernahmephantasie gesorgt. So hat seit Bekanntwerden des OMGPOP-Kaufpreises der Aktienkurs des amerikanischen Spieleanbieters Glu Mobile um 25 Prozent zugelegt. Freilich sind Zukäufe in dem Geschäft nicht ohne Risiko. So hatte der Unterhaltungskonzern Walt Disney bislang nicht allzu viel Freude an dem 2010 für 563 Millionen Dollar gekauften Spieleanbieter Playdom. Disney schrieb seither zweistellige Millionenbeträge auf den Zukauf ab. Die Konzernsparte, zu der Playdom gehört, ist bis heute defizitär. Und auch für Zynga stellt sich die Frage, ob OMGPOP jenseits des einen Erfolgsspiels nach der Übernahme weitere Hits liefern kann.
Der 32 Jahre alte OMGPOP-Gründer Charles Forman konnte jedenfalls sein Glück kaum fassen, nun so unverhofft mit dem Verkauf Kasse gemacht zu haben. „Gestern hatte ich 1700 Dollar auf der Bank, heute habe ich ein ganzes Stück mehr”, jubelte er gegenüber der „New York Times” auf einer Cocktailparty zur Feier der Zynga-Transaktion. Forman hat das Unternehmen 2006 zunächst unter dem Namen „I’m in like with you” gegründet. Es war am Anfang eine Online-Singlebörse, aus der Forman nach und nach eine Spieleplattform machte und sie in OMGPOP umbenannte.
Ironischerweise hat sich Forman vor rund einem Jahr aus dem Unternehmen verabschiedet, als der Durchbruch noch in weiter Ferne lag. Auch an der Entwicklung des Hitprodukts „Draw Something” war er nicht beteiligt. Allerdings behielt er seinen Beteiligung am Unternehmen – und kann sich jetzt entsprechend über einen üppigen Zahltag freuen. Der „New York Times” sagte er, es seien „viel mehr als 22 Millionen Dollar”. Seinen neuen Reichtum kann er sicher als Anschubhilfe für sein neues Start-Up Picturelife gebrauchen, eine Plattform zur Fotoverwaltung.