Für ein kleines Softwareunternehmen aus dem kalifornischen San Diego hat die Servicenow Inc. in jüngster Zeit viel Aufmerksamkeit an sich gezogen. Servicenow hat die Wall Street aus ihrer Schockstarre nach dem Börsengang des sozialen Netzwerks Facebook befreit. Als erstes Technologieunternehmen nach Facebook ging Servicenow am 29. Juni an die Börse und schaffte einen Glanzstart: Der Kurs legte am ersten Tag gegenüber dem Ausgabepreis von 18 Dollar um 38 Prozent zu und ist seither weiter auf knapp 30 Dollar gestiegen. Servicenow ist spezialisiert auf das Wachstumsfeld „Cloud Computing” und hilft Unternehmen bei der Auslagerung von Abläufen in die Datenwolke des Internets. Dabei konzentriert sich Servicenow auf Angebote für die Informationstechnologieabteilungen in Unternehmen. Die größten Konkurrenten sind die amerikanischen Unternehmen IBM, Hewlett-Packard, BMC und CA. Servicenow hat im ersten Halbjahr 2012 seinen Umsatz um mehr als 90 Prozent auf 104 Millionen Dollar ausgebaut, dabei gab es einen Nettoverlust von 14 Millionen Dollar. Die Börse bewertet Servicenow mit rund 3,7 Milliarden Dollar. Im Interview mit der F.A.Z. sagt Vorstandsvorsitzender Frank Slootman, warum er das Facebook-Debakel hilfreich beim Börsengang von Servicenow fand und warum er sich für die New York Stock Exchange statt der Nasdaq entschieden hat.
Herr Slootman, Servicenow ist unverhofft zum Börsenstar geworden, während Facebook und andere einst hochgejubelte verbrauchernahe Internetwerte wie Zynga und Groupon in Ungnade gefallen sind. Ist das jetzt so etwas wie die Rache der Unternehmenssoftware?
Das kann man durchaus so sehen. Unser Geschäftsmodell ist transparent und etabliert, jeder kann es vergleichen mit anderen Unternehmen, zum Beispiel Cloud-Anbietern wie Salesforce.com. Bei Unternehmen wie Facebook ist die Ausgangslage anders: Man muss hoffen und beten, dass die aus ihren vielen hundert Millionen Nutzern und all deren Daten irgendwie Geld machen. Aber es gibt keine Garantie, weil das Geschäftsmodell unerprobt ist.
Sie sind als erstes Technologieunternehmen nach Facebook an die Börse gegangen. Kam Ihnen das nicht wie ein Himmelfahrtskommando vor?
Natürlich hat Facebook die Stimmung verschlechtert, was Börsengänge betrifft. Die Messlatte lag einfach höher, und die Preissensibilität an den Märkten war ausgeprägter. Aber im Nachhinein würde ich sagen, die Facebook-Turbulenzen waren für uns positiv . . .
Das müssen Sie erklären.
Wir waren auf einmal das Unternehmen, das die Stirn hatte, trotzdem an die Börse zu gehen. Das hat uns eine Öffentlichkeitswirkung eingebracht, die wir sonst nie bekommen hätten. Und ein Börsengang dient ja ein Stück weit der Markenbildung, auch für ein Unternehmen wie uns. Im Übrigen hatten wir den Investoren ja auch eine gute Geschichte zu erzählen.
Sie dachten also nie daran, den Börsengang erst einmal auf Eis zu legen?
Wir haben die Investorentreffen auf der Roadshow verschoben, aber nicht wegen Facebook, sondern wegen der makroökonomischen Unsicherheit. Am Tag nach den Wahlen in Griechenland im Juni haben wir beschlossen, die Roadshow und den Börsengang durchzuziehen.
Warum sind Sie an die New York Stock Exchange gegangen und nicht an die Nasdaq wie die meisten Technologieunternehmen?
Ich habe an der Nasdaq nichts auszusetzen, aber die Nyse gehört seit langem zu unseren Kunden. Die Nyse hat sich damals für uns statt unseres Wettbewerbers BMC entschieden, der dann prompt an die Nasdaq gewechselt ist. Im Übrigen gefällt mir in diesen Zeiten des Hochfrequenzhandels, dass bei der Nyse noch nicht alles rein elektronisch abläuft und hier noch Menschen aus Fleisch und Blut involviert sind.
Anders als bei Facebook haben bei Servicenow Altaktionäre beim Börsengang kaum Anteile verkauft. Die Wagniskapitalgesellschaft JMI, die rund die Hälfte am Unternehmen hält, hat gar keine Aktien auf den Markt gebracht. Warum?
Weil sie dachten, der Preis sei zu niedrig. Und nach den Facebook-Turbulenzen war der Markt besonders preissensibel.
Ist dann also bald mit einer weiteren Emission von Aktien zu rechnen, nachdem sich der Kurs jetzt so gut schlägt?
Dazu haben wir bislang nichts anzukündigen.
Erreicht der Aktienkurs nicht allmählich etwas beängstigende Dimensionen? Servicenow wird jetzt mit mehr als dem Fünfzehnfachen des in diesem Jahr erwarteten Umsatzes bewertet.
Vergessen Sie nicht, wie schnell wir wachsen. Wir haben acht Jahre am Stück unsere Umsätze verdoppelt. Bei diesem Tempo kann man sehr schnell in seine Bewertung hineinwachsen.
Aber Sie haben nach zwischenzeitlichen Gewinnen zuletzt wieder Verluste ausgewiesen . . .
Das stimmt, aber wir könnten hochprofitabel sein, wenn wir das wollten. Wir sind in einer Phase, in der wir schnell wachsen, aber auch viel Geld investieren, und das haben wir vor dem Börsengang auch klar gesagt.
Sie klingen wie der Online-Händler Amazon, der Profitabilität schon seit Jahren dem Wachstum unterordnet und daher regelmäßig kleine Gewinne ausweist.
Aus meiner Sicht ist Amazon äußerst erfolgreich und hat ein gutes Geschäftsmodell.
Ihr Ansatz mit Servicenow ist es, die Informationstechnologieabteilungen von Unternehmen in die „Cloud” zu bringen. Was haben Unternehmen davon?
In vielen Unternehmen ist die IT-Abteilung heute noch immer wie eine Behörde, wo man lange Schlange stehen muss. Unsere Softwarearchitektur hilft dabei, Prozesse zu automatisieren und effizienter zu machen und auch die Kosten zu senken. Die IT ist grundsätzlich ein guter Kandidat für die Cloud, weil hier nicht mit so vielen sensiblen Daten umgegangen werden muss wie in manchen operativen Kernbereichen.
Sehen Sie Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Unternehmen in der Bereitschaft, Abläufe in die Cloud zu verlagern?
Ich sehe überall einen Trend zur Cloud. Aber in Europa gibt es bislang noch eine ausgeprägtere Neigung, die Daten im eigenen Land behalten und eine lokale Struktur an Rechenzentren haben zu wollen. Europäern ist es lieber, wenn sie mit dem Auto zum nächsten Rechenzentrum fahren können.
Ihre Kunden sind Großunternehmen mit stattlichen IT-Budgets. Beschränkt diese Ausrichtung auf längere Sicht Ihr Wachstumspotential?
Wir sind heute erst bei 228 der 2000 größten Unternehmen der Welt vertreten und sind auch bei diesen Kunden noch keineswegs sättigend präsent. Ich sehe also noch viel Luft nach oben.
Sie waren früher Vorstandsvorsitzender des Datenspeicherspezialisten Data Domain, der vor zwei Jahren nach einem Übernahmekampf mit mehreren Interessenten von EMC gekauft wurde. Wird Servicenow das nächste Unternehmen, das unter Ihrer Führung verkauft wird? Schließlich gibt es im Cloud-Segment derzeit eine Übernahmewelle . . .
Nichts ist unmöglich. Aber wir führen das Unternehmen mit einem langfristigen Horizont und sind nicht auf einen schnellen Verkauf aus.
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Mit so einem Namen wie...
Mit so einem Namen wie “Servicenow” kann man nur Erfolg haben, vorausgesetzt der Name ist auch Programm!
Der Facebook Börsengang war...
Der Facebook Börsengang war ein Fiasko, weil der Ausgabekurs viel zu hoch angesetzt wurde. Es wäre wohl besser gewesen, wenn man einen niedrigeren Kurs gewählt hätte und jetzt nicht als Raffzähne am Pranger stehen würde.
Bei Servicenow wurde das wohl besser gemacht. Die sind jetzt eine success story. Und das bringt sicherlich auch Kunden.
Toller Beitrag!
Ein schönes...
Toller Beitrag!
Ein schönes Beispiel, dass gute Ideen mit einem Glanzstart an die Börse gehen und einen Glanzstart hinlegen.