Tim Cook ist keiner, der sich unter Druck setzen lässt. Als er vor gut einem Jahr Vorstandsvorsitzender von Apple wurde, schien das wie eine Mission, die zum Scheitern verurteilt ist. Denn Cook wurde Nachfolger einer Legende: Steve Jobs, des Mitgründers und langjährigen Chefs, der Apple mit Produkten wie iPod, iPhone und iPad von Triumph zu Triumph geführt hatte. Cook hat sich von den großen Fußstapfen nicht einschüchtern lassen. Die Last, wie Steve Jobs sein zu wollen, habe er nie gespürt, sagte er im Mai dieses Jahres in einem Interview. “Ich bin der, der ich bin, und ich konzentriere mich darauf, ein großartiger Vorstandvorsitzender von Apple zu sein.” Jobs sei ein Original gewesen, und jemanden wie ihn werde es wohl nie wieder geben, sagte Cook über seinen ehemaligen Chef, der im Oktober 2011 einem Krebsleiden erlag.
In der kommenden Woche kann der 51 Jahre alte Cook seine Abgeklärtheit unter Beweis stellen, denn er steht vor seinem vielleicht wichtigsten Auftritt, seit er Apple führt: Am Mittwoch dürfte er das neue iPhone-Modell enthüllen. Der Druck ist enorm: Das Handy ist das mit Abstand wichtigste Produkt von Apple und stand zuletzt für mehr als 45 Prozent des Konzernumsatzes. Apple-Fans sehnen ein bahnbrechendes Gerät herbei, da die aktuelle Version iPhone 4S nur eine evolutionäre Weiterentwicklung war. Zwar hat Apple einen loyalen Kundenstamm, muss diesen aber auch bei Laune halten. Denn anders als beim Markt für Tablet PCs, den Apple bisher mit seinem iPad dominiert, sind viele Verbraucher bei den modernen Handys sehr offen für Alternativen. Das zeigt der Aufstieg des koreanischen Wettbewerbers Samsung, der Apple am Weltmarkt für Smartphones klar hinter sich gelassen hat. Auch hat Apple in seinem jüngsten Quartalsbericht für eine ungewohnte Enttäuschung gesorgt, vor allem das Geschäft mit dem iPhone lief schlechter als erwartet.
Doch wäre es verfehlt oder zumindest verfrüht, anzunehmen, in der Nach-Jobs-Ära sei Sand in das Getriebe gekommen. Denn insgesamt hat sich das Unternehmen im ersten Jahr unter der Führung von Cook glänzend geschlagen. Zwar hat Apple weder ganz neue Produktkategorien erschlossen noch seine bestehenden Produkte wie iPhone oder iPad radikal überarbeitet. Trotzdem schafft der Konzern weiter imposante Wachstumsraten und ist außerdem hochprofitabel. Auch die Börse zeigt sich mehr als zufrieden: Seit dem Antritt von Cook ist der Aktienkurs von Apple um mehr als 80 Prozent gestiegen. Apple wurde kürzlich gemessen an der Marktkapitalisierung zum wertvollsten Unternehmen aller Zeiten und brach den Rekord des Softwarekonzerns Microsoft aus dem Jahr 1999. Der Konzern wird mit 638 Milliarden Dollar bewertet.
Tim Cook hat gesagt, Steve Jobs selbst habe ihm aufgetragen, seinen eigenen Weg zu gehen. Er solle sich nicht ständig fragen: “Was würde Steve tun?” Es würde wohl auch kaum funktionieren, wenn Cook einfach Jobs nacheifern würde, zumal er ein völlig anderer Typ ist. Cook hat wenig von dem Charisma, mit dem Jobs bei der Vorstellung neuer Produkte sein Publikum regelmäßig in den Bann zog. Der neue Apple-Chef spricht langsam und fast monoton, er ist keiner, der mit seinem Auftritt die Menschen mitreißt.
Den Rat von Jobs hat Cook weidlich befolgt und dem Unternehmen seinen eigenen Stempel aufgedrückt. So kündigte er im März an, den Aktionären eine Dividende zahlen zu wollen – ein Schritt, gegen den sich Jobs gesträubt hatte. Cook stellte sich außerdem den Vorwürfen schlechter Arbeitsbedingungen in den Fabriken seiner Auftragsfertiger in China in einem Maße, wie Jobs das nie tat. Er reiste zu einem öffentlichkeitswirksamen Besuch in ein chinesisches Werk des Apple-Partners Foxconn und ließ Kontrollen der Fertigungsstätten durch unabhängige Prüfer zu. Auch gewährt Cook mehr Transparenz. So gab Apple in vorher noch nie dagewesenem Umfang Einblicke in das Netz der Zulieferer. In anderer Hinsicht behält er freilich die traditionelle Verschwiegenheit von Apple bei. Cook hat selbst gesagt, er wolle die berühmte Geheimniskrämerei aus der Jobs-Ära um neue Produkte fortsetzen.
Cook war eine logische Wahl als Nachfolger von Steve Jobs. Er hatte zuvor schon dreimal übergangsweise die Führung übernommen, als Jobs krankheitsbedingte Auszeiten vom Vorstandsvorsitz nahm. Cook war seit dem Jahr 2005 als Chief Operating Officer für das Tagesgeschäft verantwortlich und damit gewissermaßen die Nummer zwei im Unternehmen. In dieser Funktion wachte er über den Produktions- und Vertriebsapparat von Apple. Er hat sich dabei einen Ruf als Meister der Effizienz erworben, der die Kosten in der Lieferkette und der Produktion niedrig hält und damit die hohen Margen der Apple-Produkte sichert.
Bei Apple ist Cook seit 1998, er wurde von Jobs persönlich angeworben. Er hatte damals schon eine 16 Jahre währende Karriere bei anderen prominenten Unternehmen aus der Technologiebranche wie IBM oder Compaq hinter sich. Apple steckte zu diesem Zeitpunkt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Cooks ließ sich von Jobs’ Visionen begeistern und stieg bei Apple ein. Seine Aufgabe war es zunächst, mit der ineffizienten Produktionsstruktur aufzuräumen, die für aufgeblähte Bestände sorgte. Cook schloss alle eigenen Werke von Apple und lagerte die Fertigung an Vertragshersteller aus. Er bekam bald mehr Verantwortung und wurde zum engen Vertrauten von Jobs.
Als Vorstandsvorsitzender hat sich Cook bisher keine groben Fehler geleistet, aber es gab einige kleinere Ausrutscher. So löste Apple unlängst mit Plänen für die Abkehr von einem Umweltsiegel einen Sturm der Entrüstung aus und sah sich gezwungen, einen Rückzieher zu machen. Apple handelte sich in jüngster Zeit in Amerika auch für mehrere Werbekampagnen schlechte Kritiken ein – ein ungewohntes Gefühl für das Unternehmen, das traditionell für sein Marketinggespür gerühmt wird. Unruhe gab es zuletzt auch um den von Cook angeheuerten Chef des Ladennetzes, John Browett. So berichteten Medien, Apple habe die Arbeitszeiten von Mitarbeitern in seinen Läden gekürzt, um zu sparen. Das Unternehmen nannte die Veränderungen einen Fehler, der korrigiert werde.
Die Aufgaben von Tim Cook werden nicht leichter, denn Apple sieht sich immer härterem Wettbewerb gegenüber. Das unterstrich der Online-Händler Amazon.com in der vergangenen Woche. Dessen Tabletcomputer Kindle Fire war bisher kaum eine direkte Konkurrenz für das iPad, denn er war viel kleiner, billiger und nach gängiger Meinung auch schäbiger. Jetzt zeigte Amazon eine ganze Familie neuer Tablets, darunter auch solche mit größeren Bildschirmdimensionen, die näher am iPad liegen. Angeblich arbeitet Amazon auch an einem eigenen Smartphone. Weiter verschärfen wird sich auch die Rivalität mit dem Internetkonzern Google, dessen Handy-Betriebssystem Android Apple schon heute schwer zu schaffen macht. Android-Geräte von Herstellern wie Samsung oder HTC haben kombiniert mehr als zwei Drittel des Smartphone-Weltmarktes. Ob Apples kürzlicher Triumph im Patentprozess gegen Samsung in Kalifornien Android maßgeblich schwächt, muss sich noch zeigen. Derweil verkauft Google seit kurzem auch einen eigenen Tabletcomputer mit dem Namen Nexus 7.
Es wird für Tim Cook in Zukunft nicht reichen, etwas aufgefrischte Versionen bestehender Produkte auf den Markt zu bringen, so wie dies in seinem ersten Jahr überwiegend der Fall war. Das dürfte auch nicht zu erwarten sein: Gerüchten zufolge wird Apple schon bald ein Mini-iPad vorstellen, auch halten sich Spekulationen über einen Einstieg in den Fernsehermarkt. Ob Apple auf längere Sicht ohne den Instinkt von Jobs weiter große Würfe gelingen, ist freilich eine offene Frage. Tim Cook verbreitete bei seinem Antritt vor einem Jahr jedenfalls Zuversicht. Er schrieb, Apple werde auch in Zukunft ein “magischer Ort” bleiben.
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Foto: AFP
Man sollte nicht übersehen,...
Man sollte nicht übersehen, dass die aktuell neu eingeführten Produkte noch von Mr. Jobs abgesegnet wurden…
Ich glaube, dass das iPhone 5...
Ich glaube, dass das iPhone 5 sich verdammt gut verkaufen wird und dass es Tim Cook zwar nicht so spektukulär wie Steve Jobs macht, aber dennoch einen sehr erfolgreichen Weg mit Apple gehen wird. Wenn die Quartalszahlen veröffentlich werden, werden die Leute wieder über Apple staunen
Apple muss wirklich vorsichtig...
Apple muss wirklich vorsichtig sein. Sie waren früher für große Innovationen bekannt bzw. sind eigentlich nur deswegen so beliebt geworden. Wenn sie weiterhin diese Innovation missen lassen, denke ich, dass sich die Apple Jünger langfristig abwenden und zu Produkten und Firmen wechseln, die den Markt voranbringen.