Der Countdown läuft: In wenigen Wochen wird der amerikanische Kurznachrichtendienst Twitter an die Börse gehen. Wer die Aktien von Twitter kauft, lässt sich auf ein Unternehmen ein, das bisher hohe Verluste einfährt. In der gerade vorgelegten aktualisierten Version des Börsenprospekts weist Twitter für das dritte Quartal einen Nettoverlust von 63 Millionen Dollar aus. Aber vielen potentiellen Investoren dürften die Wachstumsperspektiven des Unternehmens im Moment wichtiger sein als Profitabilität. Der Umsatz hat sich im dritten Quartal auf 169 Millionen Dollar mehr als verdoppelt.
In seinem Börsenprospekt hat Twitter die bislang detailliertesten Einblicke in sein Geschäftsmodell gegeben und auch einige Hinweise auf mögliche künftige Umsatzquellen geliefert. Deutlich wird darin auch, dass Twitter trotz seines rasanten Wachstums noch einige Schwachstellen hat.
Twitter macht den größten Teil seines Umsatzes mit Werbung und hat außerdem ein Nebengeschäft mit dem Verkauf von Daten, über das bis zur Vorlage des Prospekts kaum etwas bekannt war. Werbung ist auf Twitter bislang in drei verschiedenen Formaten zu sehen. Es gibt „gesponserte Tweets“, also Anzeigen, die in der zentralen Nachrichtenleiste erscheinen. Auf dieser Leiste sammeln sich die Einträge oder „Tweets“ von Twitter-Konten, die ein Nutzer abonniert, indem er ihnen „folgt“. Anzeigen werden in den Fluss dieser Nachrichten eingefügt. Für das zweite Format „gesponserte Accounts“ können sich Werbekunden mit ihrem eigenen Twitter-Konto auf dem Teil der Seite einblenden lassen, auf dem Twitter seinen Nutzern empfiehlt, welchen anderen Mitgliedern sie folgen könnten. Bei beiden Formaten fließt nur dann Geld in die Kassen von Twitter, wenn es eine Interaktion des Nutzers mit der Anzeige gibt. Das kann geschehen, indem er ein gesponsertes Tweet mit einem „Retweet“ weiterleitet oder darauf klickt, oder indem er einem gesponserten Account folgt.
Anders ist es beim dritten Format „gesponserte Trends“, die eher wie gewöhnliche Display-Anzeigen funktionieren. Damit können sich Werbetreibende einen Platz in der „Trends“-Liste kaufen, in der Schlagworte auftauchen, die von Twitter-Nutzern gerade besonders häufig verwendet werden. Für solche Anzeigen verlangt Twitter Medienberichten zufolge in Amerika 200000 Dollar am Tag. Allgemein sind die Anzeigen auf Twitter bislang noch vergleichsweise unaufdringlich und prägen das Bild der Seite weniger als etwa bei Facebook.
Insgesamt stand Werbung in den ersten drei Quartalen dieses Jahres nach Angaben im Börsenprospekt für 89 Prozent des Umsatzes. Die verbleibenden 11 Prozent entfielen auf das Geschäft mit Daten. Twitter vergibt Lizenzen für die Nutzung und Auswertung seiner Daten, darunter sind sowohl aktuelle als auch vergangene öffentliche Tweets seiner Mitglieder. Die Partner von Twitter hoffen, durch die Analyse dieser Tweets Stimmungen und Trends zu erkennen oder womöglich auch einen Informationsvorsprung bei aktuellen Ereignissen zu erzielen. Das „Wall Street Journal“ nannte als Beispiel für einen solchen Datenverwerter das Unternehmen Dataminr, das vor allem Börsenhändler beliefert. So habe Dataminr durch Analyse von Twitter-Daten seine Kunden vor einigen Wochen über die Amokfahrt einer Frau in der Nähe des Washingtoner Kapitols informiert, noch bevor die Nachricht im Fernsehen verbreitet wurde. In seinem Börsenprospekt spielte Twitter die strategische Bedeutung dieses Datengeschäfts herunter und sagte, dessen Anteil am Umsatz werde künftig wohl sinken.
Zukunftspotential sieht Twitter offenbar in der Zusammenarbeit mit traditionellen Medienunternehmen wie Fernsehkanälen. Das Unternehmen stützt sich dabei auf den Trend, dass immer mehr Fernsehzuschauer nebenher im Internet surfen und die Inhalte auf sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook kommentieren. Die Marktforschungsgruppe Nielsen stellte im August eine Studie vor, wonach eine hohe Zahl von Tweets über Fernsehinhalte in fast einem Drittel der untersuchten Fälle für höhere Einschaltquoten gesorgt hat. Seit kurzem veröffentlicht Nielsen separat zu traditionellen Einschaltquoten in Amerika eine Hitliste, die das Volumen von Tweets über Fernsehsendungen berücksichtigt. Im Börsenprospekt hebt Twitter eine Werbeinitiative mit dem Namen „Amplify“ hervor, die auf diese Synergien mit Medienunternehmen abzielt. Fernsehsender können dabei Videoinhalte wie Mitschnitte von Sportübertragungen als „gesponserte Tweets“ auf Twitter platzieren. Vor diesen Videos können Werbeclips geschaltet werden, und die daraus resultierenden Umsätze teilt sich Twitter mit dem Fernsehsender.
Eine weitere Umsatzquelle dürfte sich Twitter durch den im September angekündigten Zukauf von Mopub erschließen, einem Spezialisten für Werbung auf mobilen Geräten wie Smartphones. Mopub hilft Twitter zum einen dabei, seine eigene Werbeplattform zu verbessern. Daneben vermarktet Mopub aber auch Werbung auf anderen mobilen Anwendungen außerhalb von Twitter. Dieses Geschäft will Twitter nach Angaben im Börsenprospekt künftig ausbauen. Das Unternehmen schafft sich damit also ein Standbein jenseits seiner eigenen Seite.
Twitter scheint sich zudem für elektronischen Handel zu interessieren, wie eine schon im August verkündete Personalie nahelegt. Das Unternehmen rekrutierte damals Nathan Hubbard, den früheren Chef des Konzertkartenvermarkters Ticketmaster, für eine neu geschaffene Position als Verantwortlicher für Handelsaktivitäten. Es ist unklar, welche Ambitionen Twitter hier genau verfolgt. Hubbard hat nach seiner Berufung gesagt, er wolle nicht direkt in Konkurrenz mit Händlern treten, sondern Partnerschaften schließen.
Der Börsenprospekt hat auch einige der Herausforderungen von Twitter unterstrichen. So sind zum Beispiel die Nutzerzahlen auf dem amerikanischen Heimatmarkt in diesem Jahr nur wenig gewachsen, auch wenn es im dritten Quartal wieder einen etwas größeren Schub gab. Im Ausland legt die Zahl der Mitglieder stetig zu, allerdings sind hier die Umsätze je Nutzer viel niedriger als in der Heimat. Auffällig ist auch, dass Deutschland in dem Dokument unerwähnt bleibt, obwohl Twitter eine ganze Reihe anderer Länder aufzählt, in denen das Unternehmen mit einem hohen Nutzerwachstum rechnet.
Zudem hat auch eine der Stärken von Twitter einen Haken: So erzielte das Unternehmen im vergangenen Quartal schon 70 Prozent seiner Umsätze auf mobilen Geräten. Für Facebook ist dieses wachstumsträchtige Geschäft erst nach dem Börsengang zu einer bedeutenden Umsatzquelle geworden. Allerdings weist Twitter in seinem Prospekt darauf hin, dass zwei seiner drei Werbeformate – die gesponserten Accounts und die gesponserten Trends – auf mobilen Geräten weniger prominent zu sehen sind als auf klassischen Personalcomputern. Die durchschnittlichen Werbeumsätze gemessen an der Zahl der Seitenaufrufe seien daher auf mobilen Geräten niedriger. Wenn sich die Twitter-Nutzung also weiter in Richtung mobiler Geräte verlagere, könnte dies einen negativen Folgen auf die Umsätze haben, heißt es im Prospekt.
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[…] Artikel “Die Einnahmequellen von Twitter” erschien am 17. Oktober auf […]