Netzwirtschaft

Kein Feigenblatt: Catharina van Delden ist die Stimme der Start-Ups im Bitkom

© Andreas MüllerCatharina van Delden

Am Anfang prägte freundliche Nichtbeachtung die Beziehung zwischen der IT-Unternehmerin Catharina van Delden und dem Hochtechnologieverband Bitkom. Zwar lockte der Verband Delden und ihr Unternehmen Innosabi 2010 als Gewinner eines Gründerwettbewerbs mit einer kostenlosen Probemitgliedschaft. „Die haben wir aber geflissentlich ignoriert“, erinnert sich Delden. Verbandsmeierei? Was soll das denn bringen? So ähnlich lautete die Frage, die sich Delden und ihre drei Mitgründer Moritz Wurfbaum, Jan Fischer und Hans-Peter Heid damals stellten. Die vier hatten auch so schon genug damit zu tun, potentielle Kunden von ihrer Geschäftsidee Crowdsourcing zu überzeugen. Über die unternehmenseigene Plattform Unseraller.de können Unternehmen Produktentwicklungen an die „Crowd“ auslagern, den freiwillig hilfsbereiten Schwarm der Internetnutzer. Nichts deutete damals darauf hin, dass Delden einmal engste Bande mit dem Bitkom knüpfen würde.

Doch genau das ist geschehen. Deldens in München sitzendes Unternehmen Innosabi steht längst auf der Mitgliederliste des Verbands. Und seit einem halben Jahr sitzt die Unternehmerin sogar in dessen höchstem Gremium. Als eines von 16 Präsidiumsmitgliedern gibt sie seitdem Start-ups eine Stimme und kümmert sich um die Belange junger Unternehmen. Die Bitkom-Spitze ist mit der 29 Jahre alten Delden deutlich jünger und deutlich weiblicher geworden. Bis zu ihrem Amtsantritt war die IBM-Deutschlandchefin Martina Koederitz die einzige Frau im Präsidium. Ein Quotenmitglied will die Unternehmerin nicht sein. „Viele meiner Gründerkollegen fragen mich, ob ich dort akzeptiert werde und mich wohl fühle“, sagt sie. Ihre Antwort: Der Bitkom habe sie mit offenen Armen begrüßt, sie werde dort genauso ernst genommen wie ein Vorstand der Deutschen Telekom. „Wenn ich das Gefühl hätte, nur ein Feigenblatt zu sein, würde ich mich schon zu Wort melden.“

Für den Verband sei es nachrangig gewesen, dass Delden eine Frau ist, sagt Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder. Wichtiger war, dass sie „eine tolle Unternehmerin ist, die mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit und Professionalität“ auftrete. „Wir haben jemanden gesucht, der willens und in der Lage ist, jenen Teil der Branche zu vertreten, der sich am schnellsten verändert: Start-ups und soziale Netzwerke.“ Dynamisch ist auch Catharina van Delden selbst. In München geboren, zog sie mit ihren Eltern in der Kindheit nach Krefeld, wo der Vater als Textilingenieur arbeitete. Es folgten die Schulzeit mit einem Auslandsjahr in Amerika und dann die Rückkehr an die Isar. „Ich wusste, dass ich so schnell wie möglich wieder nach München ziehen würde“, sagt Delden. Dort wählte sie als Studienfach Finanz- und Wirtschaftsmathematik an der Technischen Universität. Nach einem Semester merkte sie aber, dass das die falsche Entscheidung war. „Das Fach hat mir nicht besonders gut gelegen.“

Besser erschien ihr ein mit einem Buchstabenungetüm abgekürzter Studiengang: TUM-BWL – Technologie- und Managementorientierte Betriebswirtschaftslehre, eine Mischung aus betriebswirtschaftlichen und technischen Fächern. Weil sie ein Semester auf den Beginn des neuen Studiums warten musste, blieb Zeit für ein Praktikum, das sie beim Leuchtenhersteller Osram absolvierte.

In der Rückschau war die Arbeit bei Osram mehr als eine Zwischenlösung mit Kopieren, Kaffeekochen und ersten Kontakten zur Praxis. „Ich habe die Lust am Machen bei Osram gelernt“, sagt Delden. Dass am Ende ein direktes Ergebnis stehen und bei der Arbeit etwas rumkommen muss, habe zu den Einsichten gehört. Sie blieb dem Unternehmen auch während des Studiums treu und arbeitete sich nebenbei dort bis zur Nachwuchsproduktmanagerin hoch.

Das Machen und das Durchsetzen prägen auch Deldens heutige Arbeit in der Geschäftsführung der Innosabi GmbH. Dabei hat sie fast täglich mit erfahrenen Lenkern großer Unternehmen zu tun. Deldens Unternehmen haben schon das Kosmetikunternehmen Coty, der Hochdruckreinigungshersteller Kärcher und der Autoproduzent Ford beauftragt.

Unternehmen wenden sich an Innosabi, wenn sie das Gefühl haben, dass ihnen eine Tugend abhandengekommen ist, die landläufig lange vielen deutschen Unternehmen zugeschrieben wurde: Innovationskraft. Statt lange Marktforschung zu betreiben, bietet Innosabi verschiedene Crowdsourcing-Lösungen an, um Bedürfnisse der möglichen Kunden einzufangen. Entweder schaltet Innosabi über Unseraller.de den Schwarm der Internetnutzer als Innovationstreiber ein, oder es liefert den Unternehmen Software als Dienstleistung – auf dass der Erfindergeist in den Unternehmensetagen einziehen möge.

„Meine Wahrnehmung ist, dass die Bedeutung von Innovation inzwischen wieder stärker wahrgenommen wird und im oberen Management angekommen ist“, sagt Delden. Die deutsche Wirtschaft sei lange stark gewesen, weil sie innovativ war. Aber es falle den Unternehmen inzwischen mitunter schwer, ihre Mitarbeiter auch zu Gestaltungskraft zu motivieren. Natürlich sind das klug gewählte Sätze von jemandem, der seine Dienstleistung an den Manager bringen will. Andererseits ist die frühe Einbindung potentieller Kunden möglicherweise nicht das Schlechteste, um Produktfehlentwicklungen zu vermeiden.

Welcher Entwicklungsingenieur bei Kärcher hätte wohl gedacht, dass ein Hochdruckreiniger für den japanischen Markt leiser und leichter zu transportieren sein sollte als einer für den europäischen Markt? Viele Japaner haben komplett geflieste Badezimmer, die sie gerne mit einem Hochdruckreiniger reinigen würden – aber am liebsten, ohne die Nachbarn zu stören. Durch die Zusammenarbeit mit Innosabi hat Kärcher genau das herausgefunden, ohne viel Geld in Geräte zu stecken, die sich dann möglicherweise gar nicht verkaufen.

„Für viele etablierte Unternehmen ist es überlebenswichtig, wie ein Start-up zu denken“, sagt Delden. Genau das will sie den großen Kunden beibringen – und wohl auch ein wenig dem Branchenverband Bitkom. Mit ihrer Berufung als Start-up-Vertreterin habe sich dahingehend schon einiges geändert. Und der Rest lässt sich vielleicht auch noch machen.

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Der Autor auf Twitter: www.twitter.com/martingropp

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