Netzwirtschaft

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Die Digitalisierung erfasst immer mehr Lebensbereiche. Wie sie sich auf Menschen und Märkte auswirkt, beleuchtet das Netzwirtschaft-Blog auf FAZ.NET.

Softwarehaus SAS: „Datensammeln kommt Verbrauchern zugute“

Vorstandschef Jim Goodnight warnt vor pauschalem Verteufeln von Datenaufbewahrung. Aber er stellt sich auf die Sensibilität deutscher Kunden ein - mit mehr Kapazitäten in hiesigen Rechenzentren.

Die Enthüllungen über Spionageprogramme des amerikanischen Geheimdienstes NSA und anderer Behörden haben Verbraucher und Unternehmen sensibler dafür gemacht, was mit ihren Daten passiert. Jim Goodnight, der Mitgründer und Vorstandsvorsitzende des amerikanischen Softwareunternehmens SAS Institute, weiß das nur zu gut, denn sein Geschäft ist die Analyse von Daten. Gerade in Deutschland und anderen Teilen Europas bekommt Goodnight jetzt immer häufiger von Kunden zu hören, dass sie ihre Daten innerhalb ihrer Landesgrenzen halten wollen, wie er im Gespräch mit der F.A.Z. sagte. Deshalb plane SAS, seine Kapazitäten in deutschen Rechenzentren deutlich aufzustocken.

Allerdings warnt Goodnight davor, jetzt das Sammeln, Aufbewahren und Verwerten allzu pauschal zu verteufeln. Denn nach seiner Darstellung liefert das Verarbeiten von Daten Unternehmen Erkenntnisse, die am Ende auch Verbrauchern zugute kommen. Dabei gehe es nicht nur darum, den Menschen auf sie zugeschnittene Werbung zu liefern, so wie dies zum Beispiel die Internetkonzerne Google und Facebook tun. Goodnight zeigt sich zum Beispiel überzeugt, dass Banken ohne eine umfangreiche Risikoanalyse weniger Kredite vergeben würden. Und für eine solche Analyse seien Daten über das Zahlungsverhalten nötig, die weit in die Vergangenheit reichen: „Wenn wir Modelle für Kreditrisiken entwerfen, dann ist es nicht genug, wenn wir nur Daten aus einem Zeitraum von zwei Jahren haben.“ Je mehr historische Daten zur Verfügung stünden, umso leichter sei, Voraussagen für die Zukunft zu treffen. „Es ist wichtig Daten aufzubewahren,“ resümiert Goodnight. Damit schlägt er etwas andere Töne an als der frühere Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der jüngst auf der Technologiekonferenz „South by Southwest“ an die Internetbranche appellierte, die Aufbewahrung von Daten zeitlich zu begrenzen.

SAS ist mit seiner Software auf komplexe Datenanalysen spezialisiert, die mit statistischen Verfahren arbeiten – der Unternehmensname steht für „Statistical Analysis System“. Damit bewegt sich SAS im zukunftsträchtigen Markt für „Big Data“, in dem es darum geht, aus der immer schneller wachsenden Menge an digitalen Daten nützliche Erkenntnisse abzuleiten. SAS ist nach Angaben der Marktforschungsgruppe IDC der fünftgrößte Anbieter von Analysesoftware in der Welt, hinter Oracle, SAP, IBM und Microsoft. Auf seinem Schwerpunktgebiet fortgeschrittener Datenanalysen wird SAS von den Marktforschern aber als klarer Spitzenreiter gesehen.

Zu den wichtigsten und wachstumsstärksten Geschäften von SAS zählt Goodnight die Betrugsbekämpfung. Darunter fallen zum Beispiel Kreditkarten, Versicherungs- oder Steuerbetrug. So versucht SAS, durch Analyse von Steuererklärungen herauszufinden, bei wem es sich wahrscheinlich um Steuerbetrüger handelt. „Jede Steuererklärung hat 500 Datenpunkte, und die vergleichen wir alle mit Steuererklärungen aus der Vergangenheit,“ erklärt Goodnight. Einen Wachstumsschub für sein Geschäft verspricht sich Goodnight auch von der zunehmenden Vernetzung in der Industrie oder dem „industriellen Internet“. Maschinen erfassen immer mehr Daten und tauschen sie miteinander aus, zum Beispiel um Störungen von vorneherein zu vermeiden. „Je mehr Daten, umso besser für uns,“ sagt Goodnight.

Mit einem Umsatz von rund 3 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr ist SAS der größte Softwarehersteller der Welt, der nicht an der Börse notiert ist. Goodnight gefällt, dass er damit eine gewisse Sonderstellung hat, und er erzählt gerne, wie ihn andere Unternehmenschefs darum beneiden, dass er sich nicht mit der Börse herumschlagen muss. Ebenso kategorisch wie einen Börsengang lehnt er auch einen Verkauf ab und hat nach eigener Aussage schon viele Interessenten abblitzen lassen: „Ich habe zu oft gesehen, was mit anderen Unternehmen passiert, wenn sie verkauft worden sind. Ihnen wird die Bürokratie des Käufers übergestülpt. Das macht die Stimmung kaputt und vergrault die Mitarbeiter.“

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