Netzwirtschaft

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Die Digitalisierung erfasst immer mehr Lebensbereiche. Wie sie sich auf Menschen und Märkte auswirkt, beleuchtet das Netzwirtschaft-Blog auf FAZ.NET.

Essensbestellplattformen: Zusammen is(s)t man mehr als allein

Weil der Wettbewerb für Essensbestellplattformen in Deutschland hart umkämpft ist, kommt es nun zu einer ersten Fusion.

Das Standardrezept für eine Essensbestellplattform im Internet lautet: Man sichere sich eine an die Lieferung von Essen angelehnte Internetadresse und akquiriere eine möglichst große Zahl von Restaurants und Lieferdiensten mit ihrer jeweiligen Speiseauswahl. Sodann programmiere man eine Internetseite mit einer Suchfunktion, mit der künftige Kunden die mitmachenden Restaurants finden können, indem sie ihre eigene Postleitzahl oder Adresse eingeben. Zu guter Letzt statte man die Gastronomen noch mit einer Technik aus, damit sie die über das Internet auflaufenden Bestellungen auch abwickeln können und die georderten Mahlzeiten möglichst schnell ihr Ziel finden.

Klingt in der Theorie einfach – und das war auch der Grund, warum es im deutschen Markt für Bestellplattformen bisher einen harten Wettbewerb gab. Ein Quartett der großen Dienste, bestehend aus der Braunschweiger Pizza.de GmbH, den Berliner Unternehmen Lieferheld und Lieferando sowie der niederländischen Takeaway.com mit ihrem deutschen Ableger Lieferservice.de, buhlte um die Essensbestellungen der Deutschen im Internet und beharkte sich mitunter gegenseitig – wenn nötig auch per Abmahnungen und einstweiligen Verfügungen.

Nun ist aus dem Vierkampf ein Dreikampf geworden. Das niederländische Unternehmen Takeaway.com hat unlängst den Wettbewerber Lieferando übernommen und wird damit nach eigenen Angaben zur „Nummer eins in Kontinentaleuropa“, wozu die Unternehmen die Benelux-Staaten sowie Deutschland, Österreich, die Schweiz und Polen zählen. Zusammen wickeln die beiden Dienste nach eigenen Angaben nun 1,7 Millionen Bestellungen im Monat ab – davon rund 600 000 in Deutschland. Hierzulande arbeiten sie mit 10 000 Lieferdiensten zusammen, von deren Bestellsummen sie rund 10 Prozent einstecken. Mit dieser Umsatzbeteiligung decken die Plattformen Kosten für das Auslösen und die Abwicklung der Bestellungen – und wollen natürlich möglichst noch einen Gewinn erwirtschaften. Auch die anderen Wettbewerber finanzieren sich über solche Umsatzbeteiligungen.

Gerade das ist aber bisher offensichtlich nicht ganz so einfach. Im Bundesanzeiger hinterlegte Geschäftsabschlüsse weisen zum Beispiel für die Pizza.de GmbH Bilanzgewinne von rund 127 500 Euro im Jahre 2011 sowie von rund 89 000 Euro im Jahr 2012 aus. Anders sieht es bei der Lieferheld GmbH aus, der hiesigen Tochtergesellschaft der auf 14 Märkten agierenden Delivery Hero Holding GmbH. In Deutschland stehen Fehlbeträge von rund 6 Millionen Euro im Jahr 2011 und rund 11 Millionen Euro für das Jahr 2012 in den Büchern. Von schwarzen Zahlen war schließlich auch die nun übernommene Plattform Lieferando weit entfernt. In den Jahren 2011 und 2012 betrugen die Jahresfehlbeträge laut Bundesanzeiger etwa 5,5 sowie 10,9 Millionen Euro. Takeaway.com wirtschaftet nach eigenen Angaben dagegen profitabel.

Der Grund für die teilweise hohen Fehlbeträge in der Branche ist schnell gefunden: Um in der harten Wettbewerbssituation voranzukommen, haben vor allem Lieferheld, Lieferando und Lieferservice.de viel Geld in Werbung gesteckt, meist in teure Fernsehspots auf Privatsendern. Zugleich ist es auch nicht gerade günstig, die hinter den Plattformen stehende Technik zu entwickeln, mit der die Gastronomen dann die Bestellungen bearbeiten.

Daher erhoffen sich nun Takeaway.com und Lieferando aus dem Zusammenschluss vor allem, Synergieeffekte heben zu können – und Kosten zu senken. „Das Problem war bis jetzt, dass der deutsche Markt zu viele Wettbewerber hatte“, sagt auch Takeaway-Gründer Jitse Groen. Und weil sich die Profite auf dem deutschen Markt nicht so entwickelt hätten, wie gedacht, hätte etwas passieren müssen. Das Ziel sei es nun, auch in Deutschland die Nummer eins zu werden. Bis wann das geschehen könnte, lässt der Niederländer offen. Helfen soll dabei auch eine Kapitalspritze von 74 Millionen Euro, welche die Investoren Macquarie Capital und Prime Ventures zugesagt haben. Das neue Gemeinschaftsunternehmen ist mithin für einen abermaligen Angriff auf den hiesigen Markt gut gerüstet.

Trotz der derzeit mehrheitlich negativen Erlöse haben die Investoren offensichtlich noch nicht den Appetit auf Essensbestellplattformen verloren. Das liegt vor allem an den Wachstumsraten, die die meisten Marktteilnehmer für Deutschland auf gut 50 Prozent im Jahr taxieren. So auch Lieferheld-Geschäftsführer Niklas Östberg: „Wir wachsen insgesamt in 14 Ländern mit mehr als 100 Prozent, in Deutschland sind es deutlich über 50 Prozent.“ Der größte Konkurrent sei daher auch nicht unbedingt eine andere Plattform, sondern das Telefon. Rund 75 Prozent der Essensbestellungen in Deutschland werden noch fernmündlich aufgegeben, schätzt Lieferando-Gründer und Geschäftsführer Jörg Gerbig – viel Raum für eine weitere Vergrößerung des Geschäfts.

Das sieht auch Philipp Hartmann so. Hartmann ist Managing Partner der Investmentgesellschaft Rheingau Founders, die bisher auch an Lieferando beteiligt war und nun auch weiter Anteile an dem fusionierten Unternehmen aus Takeaway.com und Lieferando hält. Und zwar „weil wir an das Food Business glauben“, wie Hartmann es ausdrückt. „Das Schöne an dem Geschäft sind nach wie vor die enormen Wachstumsmöglichkeiten“, sagt Hartmann. In den vergangenen Jahren sei der Markt durch den Wettbewerb evangelisiert worden. Soll wohl heißen: Die ersten Kunden sind schon dazu bekehrt worden, über das Internet zu bestellen, nun gilt es, auch noch den Rest zu überzeugen. Hartmann ist davon überzeugt, dass das auch dadurch klappen kann, dass die Bestellung über das Internet einfacher und genauer ist als die über das Telefon. „Die Zeiten sind vorbei, dass ein Kunde am Telefon das Gericht Nummer 35 bestellt – und die Nummer 32 nach Hause geliefert bekommt.“

Auch in anderen Ländern hegen Anteilseigner von Bestellplattformen diese Hoffnung – und hoffen gleichsam auf goldene Zeiten für ihre Investitionen. In den Vereinigten Staaten ist vor kurzem das Unternehmen Grubhub an die Börse gegangen, in Großbritannien ist Justeat ebenfalls am Aktienmarkt notiert. Beide erreichen derzeit Milliardenbewertungen. Und wenn an der Börse wirklich die Zukunft gehandelt wird, wie es heißt, dann sieht diese für Essensbestellplattformen offenbar nicht schlecht aus.

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