Netzwirtschaft

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IBM-Supercomputer: Watsons Chefin macht Tempo

Das Datenanalyse-System wurde zum Fernsehstar. Jetzt will Vorstandsvorsitzende Ginni Rometty endlich mehr Kapital daraus schlagen. Denn sie steht unter Druck.

© AFPVirginia “Ginni” Rometty

Einem Unternehmen wie IBM fällt es nicht immer leicht, die Öffentlichkeit für sich zu interessieren. IBM beliefert Unternehmen mit Hardware und Software und bewegt sich damit auf einem Revier, das die breite Masse nicht so in den Bann zieht wie etwa die neuesten Smartphone-Modelle von Unternehmen wie Apple oder Samsung. Aber manchmal findet auch IBM den Weg ins Rampenlicht, etwa wenn das Unternehmen öffentlichkeitswirksam inszeniert, wozu Computer in der Lage sein können. Das gelang in den neunziger Jahren mit dem Supercomputer „Deep Blue“, der den damaligen Schachweltmeister Garri Kasparow bezwang, und dann abermals 2011 mit „Watson“, einem Hochleistungsrechner, der in der amerikanischen Quizshow „Jeopardy“ auftrat und seinen Mitkandidaten keine Chance ließ. Der Watson-Coup ist nun schon ein paar Jahre her, und erst jetzt forciert IBM seine Anstrengungen, daraus Kapital zu schlagen. Watson ist ein aus Hardware und Software bestehendes System für Datenanalyse und somit für IBM ein Weg, sich im wachstumsträchtigen Markt für „Big Data“ zu positionieren. Zu Jahresbeginn gründete IBM eine eigene Geschäftseinheit für Watson, und deren Zuhause ist von nun an ein schicker neuer Büroturm im New Yorker East Village. Die Eröffnung der Büros in dieser Woche übernahm Vorstandsvorsitzende Virginia „Ginni“ Rometty – ein Zeichen dafür, dass IBM große Hoffnungen in Watson setzt.

Und so schwärmte Rometty vor den versammelten Gästen von Watsons Potential: Watson werde Geschichte schreiben und das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine neu definieren. Daten seien der nächste Rohstoff der Welt, und mit den Analysekapazitäten von Watson werde es möglich, bislang nicht lösbare Probleme anzupacken. Rometty erzählte begeistert, wie sie erst am Vortag auf einer Konferenz ihr Publikum mit einer Vorführung von Watson beim Einsatz in der Krebsforschung verblüfft habe.

Es kann der 57 Jahre alten Rometty im Moment nicht schaden, ein wenig Zukunftsphantasie zu wecken, denn sie steht unter Druck. Seit ihrer Berufung zur Vorstandsvorsitzenden vor fast drei Jahren sind die Geschäfte von IBM ins Stocken geraten. Der Konzern hat nun neun Quartale in Folge Umsatzrückgänge ausgewiesen, der Aktienkurs hat sich seit Romettys Antritt kaum bewegt, während der Gesamtmarkt in diesem Zeitraum deutliche Gewinne verbucht hat. Die enttäuschende Entwicklung veranlasste Rometty dazu, für das vergangene Jahr auf ihren Bonus zu verzichten.

IBM leidet unter ähnlichen Schwierigkeiten wie manch andere Großkonzerne aus der amerikanischen Technologiebranche wie Hewlett-Packard oder Oracle. Trends wie „Cloud Computing“ setzen etablierten Geschäften zu. Bei IBM trifft das zum Beispiel die Hardwareaktivitäten mit Großrechnern für Unternehmen oder auch die Dienstleistungssparte. Eigene Initiativen auf Wachstumsfeldern wie Cloud Computing oder Big Data reichen bislang noch nicht aus, um die Abschwächung auf anderen Gebieten auszugleichen.

Rometty ist die neunte Vorstandsvorsitzende in der mehr als hundert Jahre währenden Geschichte von IBM, und sie ist die erste Frau, die es an die Spitze geschafft hat. Der Aufstieg war die Krönung ihrer Karriere, die sie fast komplett bei IBM verbracht hat. Nach einem Informatik- und Elektrotechikstudium und einem zweijährigen Traineeprogramm beim Autohersteller General Motors stieg Rometty 1981 bei IBM als Systemingenieurin ein. In den neunziger Jahren arbeitete sie vor allem für die Beratungssparte, auf die IBM in dieser Zeit immer größeres Gewicht legte. Nach der Übernahme der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers im Jahr 2002 machte sich Rometty mit der Integration des Neuerwerbs einen Namen. 2008 wurde sie Vertriebschefin, später bekam sie zusätzlich Verantwortung für Marketing und Strategie, womit sie mehr und mehr zur Favoritin für die Nachfolge des damaligen Vorstandschefs Samuel Palmisano wurde.

Seit ihrem Antritt hat Rometty den Weg von Palmisano fortgesetzt, der das Gewicht des traditionellen Hardwaregeschäfts von IBM verringert und dafür stärker auf Software und Dienstleistungen gesetzt hat. Erst vor wenigen Tagen vollzog IBM den Verkauf eines Teils seines Geschäfts mit Netzwerkrechnern (Servern) an den chinesischen Lenovo-Konzern. Es halten sich auch Spekulationen, wonach IBM seine Halbleiteraktivitäten abgeben könnte. Rometty ließ in diesem Jahr auch mit einer Partnerschaft mit Apple aufhorchen. Die beiden Unternehmen wollen zusammen Softwareanwendungen („Apps“) für Apple-Geräte wie das iPhone und das iPad entwickeln. Ein Schwerpunkt soll dabei auf Datenanalyse liegen, also dem Gebiet, auf das IBM auch mit Watson setzt. In das Watson-Geschäft will IBM eine Milliarde Dollar investieren, 2000 Mitarbeiter sollen in der neuen Sparte beschäftigt sein. Prognosen dazu, welche Umsätze Watson einmal liefern soll, macht IBM nicht.

Rometty kann sich zugute halten, dass IBM auch unter ihrer Führung hochprofitabel geblieben ist. Und offenbar ist ihr das auch am wichtigsten, denn unlängst sagte sie in einem Interview mit der „New York Times“, Wachstum habe bei ihr nicht oberste Priorität. „Wir wollen keine leeren Kalorien.“

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