
Nein, von einem Abstieg will Thorsten Heins nicht sprechen. Vor fast genau einem Jahr abrupt als Vorstandsvorsitzender des kanadischen Smartphone-Herstellers Blackberry ausgeschieden, meldet sich der aus Deutschland kommende Manager jetzt zurück. Er übernimmt die Führung des kleinen israelischen Unternehmens Powermat, einem Anbieter von Lösungen für das drahtlose Aufladen von Smartphones. Blackberry und Powermat zu vergleichen, das sei „wie Äpfel und Birnen“, sagt der 56 Jahre alte Heins im Gespräch mit dieser Zeitung. Mit seiner Aufgabe bei Powermat befinde er sich in einer ganz anderen Ausgangslage als damals bei Blackberry. Das Unternehmen möge bislang noch überschaubare Umsätze haben, aber es hege große Ambitionen und bewege sich in einem wachstumsträchtigen Markt. Heins kann sich vorstellen, dass Powermat bis zum Jahr 2018 einen Umsatz von einer oder zwei Milliarden Dollar erzielt. Er führt Partnerschaften mit prominenten Unternehmen wie Starbucks oder General Motors als Indiz dafür an, dass Powermat auch das Zeug dazu hat, diese Marke zu erreichen.
Heins erlebte nicht gerade einen glorreichen Abschied bei Blackberry. Die Pressemitteilung zum Führungswechsel erwähnte ihn nur kurz, es gab kein Wort des Dankes oder der Würdigung seiner Leistung. „Natürlich muss man das erst einmal psychisch verarbeiten,“ sagt er heute. Die Zeit nach Blackberry habe er genutzt, um sich zu regenerieren und mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. „Deine Welt hat sich nur noch um die Arbeit gedreht,“ hätten seine Tochter und sein Sohn, die 26 und 24 Jahre alt sind, nach dem Ende seiner Blackberry-Karriere zu ihm gesagt.
Die knapp zwei Jahre als Blackberry-Chef seien „extrem anstrengend“ und „Kärrnerarbeit“ gewesen, sagt Heins, die Aufgabe habe ihn „24 Stunden an sieben Tagen in der Woche“ in Anspruch genommen. „Man steht unter so hoher Beobachtung, kein Schritt bleibt unkommentiert, und darunter hat auch die Familie gelitten.“ Hinterher habe er endlich wieder einmal Zeit gehabt, mit seinem Sohn Motorrad zu fahren. Und er habe sich nach langer Zeit wieder mit seiner erweiterten Familie in Deutschland in Verbindung gesetzt. „Bei denen bin ich vorher jahrelang nicht aufgeschlagen.“ Ansonsten vertrieb sich Heins mit kleineren Tätigkeiten für die Deutsch-Kanadische Industrie- und Handelskammer und eine kanadische Universität die Zeit. Er sagt, er habe weder den Wunsch verspürt, sich monatelang auf einer einsamen Insel zu verschanzen noch sich möglichst schnell um einen neuen Karriereschritt zu bemühen. Auf einer Investorenkonferenz sei der Kontakt zu Powermat zustande gekommen, und daraus habe sich schließlich seine neue Aufgabe ergeben.
Heins wurde Anfang 2012 etwas überraschend zum Blackberry-Vorstandschef gekürt. Das Unternehmen steckte damals in schweren Turbulenzen. Einst ein Pionier im Smartphone-Markt, hatte Blackberry zusehen müssen, wie seine Produkte zu Ladenhütern wurden, weil Verbraucher lieber iPhones von Apple oder Geräte mit dem zu Google gehörenden Betriebssystem Android kauften. Heins war ursprünglich 2007 zu Blackberry gekommen, davor war er 23 Jahre beim deutschen Industriekonzern Siemens.
Nach seinem Aufrücken an die Spitze von Blackberry griff Heins mit einem radikalen Restrukturierungsprogramm durch, das Tausende von Arbeitsplätzen kostete. Ihm gelang es aber nicht, das Geschäft wieder anzukurbeln. Die Umsätze schrumpften weiter rasant, auch neue Handy-Modelle, auf die er große Hoffnungen gesetzt hatte, konnten die Erosion nicht aufhalten. Und doch findet Heins nicht, dass er gescheitert ist, sondern zählt stattdessen seine Verdienste auf. So habe Blackberry unter seiner Führung die Kosten gesenkt, die Liquidität stabilisiert und Innovationen geliefert, auf denen das Unternehmen noch heute aufbauen könne. „Darauf bin ich stolz,“ sagt Heins. Und wenn man ihn fragt, ob er glaubt, dass er mit Blackberry die Wende hätte schaffen können, wenn er an der Spitze geblieben wäre, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Ja, absolut.“ Wobei er sagt, er traue dies auch dem neuen Vorstandschef John Chen zu.
Jetzt sucht Heins eine neue Chance bei einer deutlich kleineren Adresse, denn Powermat hat derzeit gerade einmal einhundert Mitarbeiter. Hier sieht er seine Aufgabe anders als bei Blackberry nicht im Restrukturieren, sondern im „Hochskalieren“, sprich dem Unternehmen zu Wachstum zu verhelfen. Powermat bietet Produkte an, mit denen Verbraucher ihre Smartphones aufladen können, ohne dafür eine Steckdose benutzen zu müssen. Das Unternehmen verkauft zum Beispiel flache Geräte, auf die Smartphones zum Laden gelegt werden können. Wie Heins sagt, liegt das Augenmerk aber zunehmend auf integrierten Lösungen, wie sie zum Beispiel in der Partnerschaft mit Starbucks zum Einsatz kommen. So werden in einer Reihe amerikanischer Filialen der Kaffeekette Tische und Tresen mit Powermat-Technik ausgerüstet. Kunden können ihre Smartphones dann zum Aufladen einfach auf den Tisch legen, wobei sie dazu in der Regel noch einen speziellen ringförmigen Stecker an ihr Gerät anschließen müssen, der die Verbindung zur Ladestation im Tisch herstellt. Heins hofft, dass künftig mehr Handymodelle als bislang eine direkte Kommunikation erlauben, womit der Ring überflüssig würde. Starbucks hat gesagt, Powermat-Stationen nach und nach in alle amerikanischen Filialen bringen zu wollen, auch eine Ausweitung auf Europa ist geplant. Die Aufgabe von Heins ist es nun, weitere Partner wie Starbucks zu finden. Und er muss dafür sorgen, dass Powermat sich neben konkurrierenden Standards für drahtloses Aufladen behauptet.
Auch wenn Powermat seinen Hauptsitz in Israel hat, wird Heins vor allem in den Vereinigten Staaten arbeiten, denn hier spielt sich bislang in erster Linie das Geschäft des Unternehmens ab. Sein künftiger beruflicher Stützpunkt soll entweder New York oder Palo Alto im kalifornischen Silicon Valley sein. Seinen Hauptwohnsitz in Kanada wird Heins allerdings behalten, denn seine Familie hat hier Wurzeln geschlagen. Seine Tochter arbeitet hier, und sein Sohn studiert an einer kanadischen Universität. Eine Rückkehr nach Deutschland hält er für unwahrscheinlich. „Wir fühlen uns sehr wohl in Kanada.“ Das glücklose Kapitel bei Blackberry hat ihm das Land offenbar nicht vermiest.
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