
Neulich in Brooklyn: Ein Geschäftstermin macht es nötig, von einem Viertel des New Yorker Stadtteils zu einem anderen zu kommen. Wie gut, dass es Car2Go gibt, das Carsharing-Angebot, mit dem der Stuttgarter Daimler-Konzern in mittlerweile mehr als 30 Städten der Welt vertreten ist. Denn die U-Bahnen in New York sind auf den zentralen Stadtteil Manhattan ausgerichtet, der Transport innerhalb von Brooklyn ist oft umständlich. Seit Car2Go im vergangenen Herbst mit seiner Flotte von blau-weißen Smart-Zweisitzern in Brooklyn gestartet ist, gibt es eine praktische Alternative. Man kann einfach in den nächstgelegenen Car2Go-Wagen einsteigen, den man auf der Straße sieht oder über seine Smartphone-App findet, und fährt dann zu seinem Ziel. Abgerechnet wird minutenweise. Verglichen mit anderen Carsharing-Diensten wie Zipcar ist Car2Go deshalb attraktiv, weil die Autos nicht zu ihrem Ausgangsort zurückgebracht werden müssen. Man kann sie einfach an seinem Ziel stehen lassen, jedenfalls sofern man einen legitimen Parkplatz findet. Und so ist Car2Go an diesem Abend eigentlich auch die perfekte Lösung für den Trip ins aufstrebende Trendviertel Bushwick. Aber diesmal offenbaren sich einige Tücken, die am Ende dafür sorgen, dass fast 90 Dollar in Rechnung gestellt werden. Ein Taxi hätte hin und zurück höchstens 30 Dollar gekostet.
Angebote wie Car2Go oder auch der Fahrdienst Uber gelten als Paradebeispiele für die Mobilität der Zukunft. Um von A nach B zu kommen, ist man gerade auf kürzeren Distanzen immer weniger auf ein eigenes Auto, auf Taxis oder sogar auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Im Smartphone-Zeitalter haben Menschen Zugriff auf immer mehr Apps, die ihnen Transportlösungen anbieten. Sie können sich dabei chauffieren lassen wie mit Uber oder selbst fahren wie mit Car2Go. Diese Angebote sind eine Herausforderung für die etablierten Kräfte im Markt, ob Autohersteller oder auch Taxiunternehmen.
Aber bei aller Bequemlichkeit können auch diese jungen Mobilitätskonzepte ihre Nutzer bisweilen frustrieren. So passiert es bei Uber schon einmal, dass man deutlich länger als auf dem Smartphone angezeigt auf ein Auto warten muss. Das kann an einem orientierungslosen Fahrer liegen oder auch am unzuverlässigen Kartensystem der App. Im Falle von Car2Go kommen an dem Abend in Brooklyn mehrere Dinge zusammen: Bedienungsunfreundliche Technik paart sich mit schlechtem Kundendienst und allzu vollmundiger Werbung.
Car2Go lockt seine Kundschaft mit knackigen Versprechen: „Einfach. Immer. Überall“ – so wird der Dienst in Brooklyn auf der Internetseite beworben. Wer das wörtlich nimmt und sich von dem Wort „überall“ einlullen lässt, dem entgeht womöglich die Tatsache, dass das Geschäftsgebiet („Home Area“) von Car2Go keineswegs ganz Brooklyn umfasst, sondern nur einen sehr begrenzten Teil davon. Außerhalb dieser Zone kann die Fahrt nicht beendet werden. Man kann den Smart zwar parken, aber dann läuft die gebührenpflichtige Zeit weiter. Dummerweise liegt das Ziel der Fahrt an diesem Abend just außerhalb der „Home Area“. In Unkenntnis dieser Einschränkung schlägt also der Versuch fehl, das Auto zu parken. Der Grund dafür wird aber nicht deutlich erklärt. Vielmehr erscheint auf dem Bildschirm im Auto die Nachricht, die Fahrt könne nicht beendet werden, weil man in einer „Restricted Area“ sei, also einer gesperrten Zone. Was damit wohl gemeint ist? Auf einer Gebrauchsanweisung im Auto werden als Beispiele für solche gesperrten Gebiete Ladezonen und Behindertenparkplätze genannt. Die Vermutung liegt nahe, dass Car2Go den Wagen irrtümlicherweise auf einem solchen unzulässigen Platz wähnt, schließlich hatte der Carsharing-Dienst schon öfters mit Softwareproblemen zu kämpfen. Also wird verzweifelt ein neuer Parkplatz gesucht, und dann noch einer und noch einer, aber jedes Mal kommt die gleiche Botschaft. Erst später wird sich als Grund für die Verwirrung herausstellen, dass Car2Go die Begriffe „Home Area“ und „Restricted Area“ durcheinanderbringt. Das bleibt aber zunächst einmal im Unklaren, denn der Kundendienst erweist sich als nicht erreichbar. Ein Anruf bei der Hotline führt in eine lange Warteschleife und schließlich zu einem Anrufbeantworter. Man fragt sich, wie man sich fühlen würde, wenn man eine Panne oder einen Unfall hätte und an niemanden von Car2Go herankäme. Fast zehn Minuten vergehen am Telefon bis zur entnervten Kapitulation. Der Wagen wird stehen gelassen, um den Termin zumindest mit Verspätung noch wahrnehmen zu können. Der Gebührenzähler läuft freilich weiter, bis er am Ende des Abends bei fast 90 Dollar stehen wird. Dabei ist der Smart nur eine halbe Straße von der „Home Area“ entfernt.
Eine Beschwerde bei Car2Go führt zu nichts. Eine Mitarbeiterin namens Madolyn meldet sich per E-Mail, weist unterkühlt auf die „Vertragsbedingungen“ hin und lehnt eine Rückerstattung ab. Auf einen Versuch, sie umzustimmen, reagiert Madolyn nicht mehr.
Einige Tage später zeigt sich Thomas McNeil, der das Brooklyner Büro von Car2Go führt, deutlich zerknirschter. Er sagt, in dem Fall sei einiges auf seiner Seite schief gelaufen, und er beteuert, dass Car2Go eigentlich sogar sehr großzügige Kulanzregeln habe. So könnten Mitglieder üblicherweise bei solchen Geschehnissen zumindest einmal auf Entgegenkommen zählen. Car2Go zahle sogar Strafzettel für Falschparken, sofern dies einem Nutzer zum ersten Mal passiere. McNeil gibt auch zu, dass die Regeln von Car2Go „ein bisschen verwirrend“ sein können.
Eine Sprecherin von Car2Go gesteht weitere Defizite ein: Die Kommunikation auf den Bildschirmen mit Begriffen wie „Home Area“ und „Restricted Area“ könne missverstanden werden. Sie sagte, Car2Go sei dabei, die Software für die Autos entsprechend zu überarbeiten. Auch sieht sie nach eigenen Worten Bedarf, Werbebotschaften wie „überall“ klarzustellen. Car2Go arbeite gerade an Veränderungen der Internetseite.
Auf der Bewertungsseite Yelp finden sich auch einige andere Nutzer, die über schlechte Erfahrungen mit Car2Go berichten. Dabei wird zum Beispiel eine langsame Navigation oder schlechte Kundenbetreuung bemängelt. Aber Car2Go-Manager McNeil beteuert, dass Beschwerden die Ausnahme seien. Er weist darauf hin, dass Brooklyn der am schnellsten wachsende Markt für Car2Go in Amerika sei und es hier mittlerweile mehr als 26000 Mitglieder gebe. Außerdem stehen die Zeichen auf Expansion: Denn vor wenigen Tagen wurde das Geschäftsgebiet deutlich ausgeweitet, unter anderem auch auf Bushwick, den Ort des teuren Ausflugs. Die Chance, sich mit seinem Smart außerhalb der „Home Area“ wiederzufinden, wird künftig also geringer sein.
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