Netzwirtschaft

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Die Digitalisierung erfasst immer mehr Lebensbereiche. Wie sie sich auf Menschen und Märkte auswirkt, beleuchtet das Netzwirtschaft-Blog auf FAZ.NET.

Veränderungsvorschläge für die Datennutzung

Seitdem soziale Medien ihren Siegeszug im Internet angetreten haben, stellt sich die Frage, wie die Nutzung persönlicher Daten durch Unternehmen und die Rechte der Nutzer auf Privatsphäre ausbalanciert werden können. Gerade das Wachstum des sozialen Netzwerks Facebook, mit derzeit mehr als 1,65 Milliarden Mitgliedern das größte Netzwerk der Welt, hat die Auseinandersetzung mit dieser Frage wie kaum ein anderes Unternehmen befeuert. Die Mitglieder des Netzwerks stellen dort Tag für Tag zahlreiche Bilder ein, sie geben an, wo sie sich gerade aufhalten, teilen ihre Vorlieben und Meinungen. Diese Daten nutzt das Unternehmen wiederum, um den Nutzern zielgerichtet Werbung anzuzeigen. Damit verdient Facebook sein Geld. Im ersten Quartal dieses Jahres belief sich der mit Werbung generierte Umsatz auf gut 5,2 Milliarden Dollar. Gleichzeitig müssen sich Facebook und andere Unternehmen immer wieder mit Kritik auseinandersetzen, dass sie ihr Geschäft auf Daten fußen. Der Nutzer und seine persönlichen Daten werden damit zum eigentlichen Produkt der Dienste, heißt es dann.

Wohl auch wegen dieser Vorwürfe hat Facebook in den vergangenen Monaten in runden Tischen rund um die Welt mit fast 180 Fachleuten erörtert, wie die Balance zwischen Datennutzung und Privatsphäre in Zukunft gestaltet werden kann. Die Diskussionsrunden fanden unter anderem in New York, Warschau, Paris und Sao Paolo statt. Das Ergebnis ist der an diesem Dienstag veröffentlichte Bericht „Ein neues Paradigma für persönliche Daten“, den das Unternehmen Ctrl-Shift, ein Anbieter von Marketinglösungen, im Auftrag von Facebook erstellt hat.

Herausgekommen ist ein Bericht, der in allgemeiner Form fünf Veränderungen ausmacht, mit denen sich nach Meinung der Autoren der oft festgestellte Zielkonflikt zwischen Datennutzung durch Unternehmen und der Privatsphäre der Nutzer lindern ließe. Der Bericht will dabei über einzelne Unternehmen hinausgehen – und damit auch über den Auftraggeber der Studie, also Facebook.

Das schlägt sich unter anderem darin nieder, dass die Veränderungen eher abstrakt auf alle Dienste bezogen sind, die ihr Geld verdienen, indem sie auf Nutzerdaten angepasste Werbung zeigen. Diese Allgemeinheit ist den Autoren auch bewusst. „Unser Ziel ist es eher die Kernthemen der datengetriebenen Wirtschaft aufzuzeigen als auf einzelne Unternehmen zu fokussieren“, heißt es in dem Bericht.

Die angesprochenen Veränderungen beziehen sich unter anderem auf die Schulung der Nutzer im Umgang mit ihren Daten. Demnach seien Transparenz und Ausbildung der Nutzer im Umgang mit Daten zwar essentiell für ein funktionierendes Daten-Ökosystem. Auf der anderen Seite führe zu viel Information mitunter zu einem Informationsüberfluss, der das eigentliche Ziel verfehle, also den Datenschutz. Als Beispiel nennt der Bericht die innerhalb der Europäischen Union vorgeschriebenen Warnhinweise vor Cookie-Dateien, die Internet-Nutzer oft übersehen würden. „Wo innerhalb der Bevölkerung Fähigkeiten im Umgang mit Daten gebraucht werden, werden diese Fähigkeiten am besten vermittelt, wenn sie über die Zeit absorbiert werden statt gelehrt zu werden“, heißt es.

Ein zweiter Punkt betrifft den Wert des Datenaustausches. Bisher seien Unternehmen die Hauptnutznießer der Daten gewesen, „einfach weil sie die Technik und die Ressourcen haben, sie zu nutzen“. Dies habe zu der Wahrnehmung geführt, dass der Wert des Datenaustausches nicht ausbalanciert sei. „Wir brauchen eine Debatte darüber, was fair und unfair ist“, heißt es im Bericht. Das könne auch dazu führen, dass sich Erwartungen anpassten. Zum Beispiel, dass manche Menschen nicht mehr automatisch davon ausgehen, dass im Internet alles umsonst ist. Oder dass manche Unternehmen erkennen, dass nicht alle Menschen im Austausch für kostenlose Dienste ihnen ungehinderten Zugang zu und die Nutzung von Daten erlauben wollen. Gerade Unternehmen hätten hier die Möglichkeit, ihre Absichten zu demonstrieren, dass sie die Daten nicht ausbeuten sondern dass sie sie vertrauenswürdig nutzen wollen. „Ein Weg dahin ist es, den Nutzern Auswahl und Kontrolle zu geben“, heißt es.

Ein dritter Lösungsansatz bezieht sich auf die Art, wie Regulierer sowie Gesetzgeber und die Unternehmen kooperieren, die ihr Geschäftsmodell darauf fußen, Daten zu verwerten. Ein vierter fokussiert darauf, dass Unternehmen sich bewusst machen sollten, nicht nur an kurzfristige Profite zu denken, sondern langfristige und nachhaltige Beziehungen zu ihren Nutzern aufzubauen.

„Je mehr wir während der runden Tische gehört haben, desto mehr wurde klar, dass es nicht die Frage ist, wie wir Daten beschränken oder wie wir die Menschen schützen. Die Frage ist, wie wir Menschen Kontrolle über die Daten geben“, schreibt in einem begleitenden Blog-Eintrag der Facebook-Manager Stephen Deadman, der sich als stellvertretender “Chief Privacy Officer” des Netzwerks für den Privatsphäreschutz der Nutzer mitverantwortlich zeichnet. Für Deadman ist der nun veröffentlichte Bericht der Ausgangspunkt für weitere Diskussionen rund um das Thema. Damit sollen Wege gefunden werden, “wir wir einerseits Innovationen ermöglichen und andererseits den Menschen die Möglichkeit geben, ihre Daten zu kontrollieren”. Facebook habe nicht auf alle Fragen Antworten, sei aber zuversichtlich dass es als Unternehmen eine Rolle dabei spielen könne, diese “neue Diskussion zu führen und praktikable Lösungen zu ermöglichen”.

Allerdings wird auch innerhalb dieser Diskussion erst noch zeigen müssen, wie Deadmans Arbeitgeber und andere Daten nutzende Unternehmen die erarbeiteten Vorschläge dann auch tatsächlich umsetzen.