Instagram möchte so aussehen wie Snapchat, das Erinnerungen schaffen will wie Facebook. Warum?

Seit einigen Tagen hat die Fotografie-App Instagram neue Funktionen: Wer in dem Bereich “Instagram Stories” Fotos und Videos veröffentlicht, stellt damit sicher, dass sie sich nach 24 Stunden wieder selbst zerstören. Außerdem können Nutzer die Fotos noch verzieren, mit den Emoji-Gesichtern, die man aus Chat-Nachrichten kennt oder mit eigenen Texten oder Zeichnungen. Normalerweise ist für die Nutzer des Fotodienstes der sogenannte “Like”, also die Gefällt-mir-Bekundung, essentiell wichtig. In den “Instagram Stories” gibt es sie nicht, genauso wenig wie Kommentare. Wer eine Rückmeldung geben will, kann dies nur in einer persönlichen Nachricht machen. Statt wie früher also vor allem stark inszenierte Fotos zu teilen, sollen die Nutzer nun auch flüchtige Momente hochladen. Instagram bekommt so mehr Inhalte, eine längere Verweildauer der Nutzer in der App und damit bessere Argumente im Gespräch mit Werbern.
Wem das jetzt bekannt vorkommt, der hat vielleicht schon einmal von der App Snapchat gehört und wie sie funktioniert. Dort gibt es sogenannte “Snapchat Stories”, die sich nach 24 Stunden löschen, Nachrichten und Kommentare gibt es nur persönlich, lustige Grafiken aber für alle sichtbar. Bis zum Namen hin hat Instagram also das Konzept von Snapchat kopiert. Die Neuausrichtung von Instagram ist symptomatisch für eine Entwicklung in den sozialen Medien: Sie sehen alle gleich aus. Was erfolgreich ist, wird schamlos kopiert. Was den Nutzern der einen App gefällt, müsste den eigenen Nutzern schließlich auch gefallen, so die Logik dahinter.
Durchblick zu behalten, wird schwieriger
Die Liste solcher Angleichungen ist lang: Nachdem Facebook 2011 das sogenannte Cover-Foto einführte, also das große querformatige Bild über dem Profil, ging das soziale Netzwerk damit stärker auf den Wunsch seiner Nutzer nach großformatigen Selbstdarstellungsmöglichkeiten ein. Der Suchmaschinenkonzern Google zog 2013 nach mit seinem sozialen Netzwerk Google Plus. Inzwischen ähneln selbst Karrierenetzwerke wie Linkedin mit ihren Nachrichtenfunktionen den eher aufs private Vergnügen ausgerichteten Netzwerken. Die Verwechslungsgefahr für die Nutzer wird immer größer, mit jeder neuen Änderung stellt sich die Frage, was eine App oder eine Plattform nun noch für Mehrwert oder Einzigartigkeit bietet.
Der Kurznachrichtendienst Twitter versucht seiner chronischen Geldverluststrategie mit immer neuen Funktionen entgegenzutreten, was die Nutzer regelmäßig verärgert. Selbst zehn Jahre nach Gründung schreibt Twitter rote Zahlen. Um für Werbekunden attraktiver zu werden und die Nutzer länger in den Apps zu halten, denken sich die Marketingverantwortlichen Funktionen wie 10 000 Zeichen umfassende private Nachrichten, längere Videoformate oder mehr Bilderfunktionen aus – und entfernen sich dabei immer mehr von ihrem Kern. Selbst der Wortteil Kurz im Kurznachrichtendienst droht zu verschwinden, es gerüchtet immer wieder, dass die 140-Zeichen-Begrenzung fallen soll. Schon jetzt werden Links zu anderen Medien nicht mehr dazugezählt, wer sich nicht kurzfassen kann, muss es inzwischen nicht mehr tun.
Snapchat verändert sich auch
Selbst Snapchat, die vor allem bei Jugendlichen beliebte App, ist sich nicht treu geblieben. Diente das Programm früher einzig dazu, besondere Momente festzuhalten ohne sie eben wie auf Netzwerken wie Instagram zu inszenieren, kann man inzwischen auch früher geschossene Fotos in seine Geschichten einfügen oder ganze Momente für später speichern und in eigenen Ordnern auf Snapchats Servern speichern. Schon früher konnte man einzelne Fotos herunterladen – jetzt können etwa Ordner mit einem Passwort geschützt werden, wenn also die Eltern nicht Fotos von der ausgearteten Abiturfeier sehen sollen. Damit näherte sich Snapchat vor einigen Wochen an die Welt von Facebook an – und an dessen Fotodienst Instagram.

Die Kanäle sind erbitterte Konkurrenten: Auf Snapchat werden jeden Tag rund 700 Millionen Fotos hochgeladen, das sind zehnmal so viele wie bei Instagram. Unter amerikanischen Jugendlichen wird Snapchat auch von 28 Prozent als liebstes soziales Netzwerk genannt, wie eine Umfrage der amerikanischen Investmentbank Piper Jaffray unter 6500 Jugendlichen ergeben hat. Früher führte Instagram diese Liste immer an. Betrachtet man die monatlichen Nutzer, liegt Instagram aber noch vor Snapchat (siehe Grafik). Grundsätzlich beherrscht Facebook mit seinen Diensten den Markt mit sozialen Netzwerken und Messengern: Zählt man Facebook, den Facebook Messenger, Instagram und Whatsapp zusammen, kommt man auf gut vier Milliarden Nutzer – freilich sind das nicht alles verschiedene Menschen, die meisten Nutzer haben schließlich gleich mehrere Profile. Facebook hatte Instagram im Jahr 2011 für 1 Milliarde Dollar gekauft, für Whatsapp hat Zuckerberg sogar 19 Milliarden Dollar bezahlt. Alles, was Erfolg verspricht, verleibt sich Facebook ein. Google ist zwar ein großer Konkurrent auf dem Werbemarkt, aber nicht im Bereich der Messenger und sozialen Netzwerke – nur Snapchat gilt als hartnäckig.
Dahinter steht eine lange Geschichte, die sich zwischen Facebook-Chef Mark Zuckerberg und Evan Spiegel, dem Snapchat-Gründer, vor vier Jahren entwickelt hat. Am 28. November 2012 erreichte Spiegel eine E-Mail von Zuckerberg mit dem Vorschlag eines Treffens, um über Snapchat zu sprechen. In der Konferenz zeigte sich offenbar die Kaufabsicht Zuckerbergs, der sich Snapchat als Partner vorstellte und angeblich drei Milliarden Dollar bot. Spiegel lehnte ab und bestellte für sich und seine damals nur sechs Mitarbeiter das Buch “Die Kunst des Krieges” von Sun Tzu. Denn Zuckerberg drohte, mit der App Poke genau das Geschäft von Spiegel anzugreifen. Poke kam, stieg in den App-Stores kurz auf Platz 1 – und verschwand im Jahr 2014 wieder. Die Veränderung von Instagram ist eine abermalige Kampfansage an Snapchat, die mehr Erfolg verspricht: Einer bestehenden App Funktionen hinzuzufügen ist leichter, als Nutzer für eine neue App zu gewinnen.
Das merken auch alle Konkurrenten, die versuchen, sich abzugrenzen. So wollte die App “Beme” die Flüchtigkeit der Momente auf die Spitze treiben: Momente aufnehmen konnte nur, wer seinen Smartphonebildschirm verdeckt. Das sollte dazu führen, dass nichts inszeniert wird. Die Aufregung um die App verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Das zeigt sich auch, wenn man auf andere Länder blickt. Erfolg haben dort nur Netzwerke wie Sina Weibo oder VKontakte – also klassische Klone.