Bei einem Einhundert-Kilometer-Lauf durchlebt man viele glückliche und schreckliche Momente. Dabei kommt es besonders auf eine Phase an, um durchzuhalten.
Der Beispiellauf
Die folgende Einteilung wird am Beispiel des kleinen KoBoLT erörtert. Das ist ein Einhundert-Kilometer-Lauf auf dem Rheinsteig, von Rengsdorf nach Bonn. Zeit: 17,5 Stunden. Start: Samstag, 5.12.2015, 14.00 Uhr. Ziel: 6.12.2015, 7,30 Uhr.
Ein erstes Prickeln
Die erste Phase beginnt noch vor dem Rennen. Je nach Startzeit ist mehr oder weniger Zeit zum Ausschlafen, zum Anziehen und für’s Frühstück. 14.00 Uhr ist eine gute Zeit. Die Ausrüstung liegt natürlich schon bereit – wer jetzt noch etwas sucht, hat selber Schuld. Der Puls darf trotzdem etwas höher sein als sonst. Schließlich freuen wir uns ja auf einen tollen Tag (manchmal auch mehrere tolle Tage) und der Körper unterstützt das schon einmal mit einer Dosis Adrenalin. Um nicht allzu nervös zu werden, habe ich mir eine Routine angewöhnt. Ausschlafen (soweit möglich), etwas Musik hören, Frühstücken und dann Anziehen. Was ich esse, das hängt von den Gegebenheiten ab. Müsli mit Obst ist immer gut. Experimente mache ich an diesem Tag keine – weder beim Essen noch bei der Ausrüstung.
Anziehen, Unterlagen abholen, Startnummern anbringen und Dropbags abgeben. Dropbags sind Taschen, die an Verpflegungspunkten (VPs) während des Rennens bereit liegen. Wo welche Tasche mit welchem Inhalt steht, ist Geschmackssache. Ich habe eine Tasche für den zweiten VP, mit Schuhen, Powergels, Socken und Müsli-Riegeln dabei. Im Bus zum Start fingern viele Läufer vor dem Start noch an ihrer Ausrüstung herum oder gehen nervös auf und ab – auch das ist normal. Ich blende das gerne mit Musik aus, so steckt mich die Nervosität nicht an. Nochmal schnelle die Augen zumachen und träumen, wie es sein wird, die Ziellinie zu überqueren. Und jetzt ab zum Start.
Anfangsphase
Dort geht es mitunter sehr unruhig zu. Wer das Gefühl hat, nicht fit zu sein, hat jetzt die Chance “nein” zu sagen. 3…2…1…los! Mit dem Start verpufft die Nervosität nicht sofort, auch wenn der Fokus jetzt auf dem Rennen liegt. Alle Teilnehmer suchen ihr Tempo, das bei den Meisten etwas zu hoch ist. Mir hilft eine Pulsuhr, meine Frequenz im Auge zu behalten. Erstmal ordentlich warm werden und dann die Leitung auf Wettkampfniveau steigern. Bei einem Ultramarathon dauert es bei mir etwa eine halbe Stunde, bis ich das Gefühl habe, die Leistung steigern zu können. Das Niveau ist hoch, aber nicht überlastend. Das bleibt solange so, bis die nächste Phase anbricht.
Schwankungsphase
Diese wichtige Phase ist bestimmt von Stimmungs- und Leistungsschwankungen. Ab Kilometer 30 rechne ich damit. Dann hat der Körper die ersten Energiespeicher aufgebraucht. Das heißt für mich: schon ab Kilometer zehn für Nachschub in Form von Gels und Riegeln sorgen. Hochs und Tiefs lösen sich jetzt ab. Je nach Erschöpfung (zum Ende des Rennens intensiver) steigern sich die negativen Stimmungen. Ich versuche das Positive zu genießen und die negativen Emotionen zu verdrängen. Je eintöniger eine Strecke, desto schlimmer wird es. Zuschauer oder besondere Landschaften lenken Läufer ab – das ist gut. Besonders in der Nacht wird es schwierig, die Motivation zu halten. Die Erinnerung an die negativen Momente werden später in meiner Erinnerung nicht mehr auftauchen, soviel weiß ich schon. Deswegen brauche ich darauf nicht viel zu geben (leicht gesagt). Also einen Schritt vor den anderen – immer weiter, auch wenn der Körper nörgelt. Das geht etwa 50 bis 60 Kilometer so. An besonderen Tiefpunkten (etwa vor Verpflegungsstellen, die letzten fünf Kilometer) esse ich – das hilft immer. Daher scheint da eine direkte Verbindung von Nährstofflevel und Motivation gibt. Pausen helfen ebenfalls, sollten aber nicht zu lange dauern, da sonst frühzeitig die Ermüdungsphase einsetzt. Also weiter!
Höhepunkt
Vor dem Höhenflug kommt erst noch ein Tiefpunkt. Den erreiche ich komischerweise immer fünf bis zehn Kilometer vor dem Ziel. Dann geht fast nichts mehr und ich will nur noch ins Ziel. Zum Glück ist der Gedanke, jetzt aufzugeben, so blöd, dass das Nachdenken nicht lange dauert. Und dann kommt der Höhepunkt. Plötzlich ist es nicht mehr weit, vielleicht 300 Meter und die Beine fliegen über’s Bonner Rheinufer. Alles fällt von mir ab – Gänsehaut. Um kurz vor halb acht, in der Nacht zu Sonntag, brennt ein Licht in mir. Auch die, die mit mir unterwegs waren, laufen mit. Da Ziel ist erreicht. Hurra!
Ermüdungsphase
Der Lauf ist vorbei. Soweit, so gut. Mit dem letzten Schritt über die Ziellinie beginnt aber schon die Regeneration. Alkoholfreies Bier füllt meine Flüssigkeitsspeicher, eine heiße Suppe sorgt für Wärme und Salz. Nach einhundert Kilometern ist Heißhunger angesagt und die Abwehrkräfte sind schwach. Das wird auch noch ein zwei Tage dauern – die Erkältungsgefahr steigt. Also schnell duschen und warm halten. Leider wird man dann auch müde. Deswegen ist jetzt die schlechteste Zeit zum Autofahren, aber die beste für ein Nickerchen …
Hast du Fragen oder Anmerkungen zu den Phasen eines Ultramarathons? Wie bist du durchgekommen? Schreibe mir an n.thies@faz.de oder nutze die Kommentarfunktion.
Die für den Himmel durch die Hölle gehen...oder...Nur über die Hölle geht's in den Himmel?
Die Aufgabe der angenommenen (Ziel-)Aufgabe, Wette?, bedeutet, nicht im Himmel, der hall of fame?:=), angekommen zu sein, dort sein zu dürfen?…Verlierer, Aufgeber, haben keinen “(Geist-)Orgasmus”… biochemisches Erlebnis…gesellschaftliche Anerkennung… von (Sport-)Menschen definierte (Sport-)Himmel(-Gefühle-)Ziele. Gilt wohl nicht nur für alle Sportarten-Aufgaben-Ziele.
Ohne Aufgabenbewältigungen kein(e) Himmel?
Vor dem selbst- oder fremdbestimmten Ziel…Geld, Ruhm, Sieg, Anerkennung, (biochem.)Spende-Erlebnis…muß? ein Höllenweg be…oder besser über(Schweinehundweg)wältigt werden? Auch Jesus dachte so, ging seinen, von ihm selbst gewählten, Kreuzigungsweg, Schmerzweg, Höllenweg, in den von ihm definierten Himmel…nur mittels Leben-Aufgabe zu erreichen, der Gotthimmel? Interessanterweise gilt das für alle Religionen. Im Himmel sein erst nach der Lebenaufgabe, der nach Menschdefinition gestellten und gelösten Aufgaben des Lebens, mit “Himmellohn” nach dem Leben. Ist das wirklich so? Haben wir das schon genügend hinterfragt? Sitzen wir in einer “(Leben-)Wette-Falle”?
Die Himmel-Hölle-Aufgabe(n)…selbstgemachte Zwiespaltaufgabe? Eine selbstgemachte “Schweinehund-Aufgabe”, die wir “nur” loslassen brauchen…um zu jeder Zeit Seelenfrieden zu haben? Denn nichts anderes ist “der Sieg” und löst “der Sieg” aus. Seelenfrieden = Glück.
Das was wir Glück und Seelenfrieden nennen und dem wir nachlaufen ist Euphorie, kurzzeitig, kurzlebig…nichts anderes. Tief in uns verwurzelt Himmelidee, Höllenidee,…das duale Sein und unser Ich im Zwiespalt dieser Mensch-Extreme-Ideen. Die Welt braucht keine (Aufgaben-)Helden-Aufgaben… sondern humanes Vernunftreifedenken…”das Negative” loslassen, aufgeben… das “Heldentum-Himmel-Hölle-Schweinehund-Überwältigen-Euphorie-Erlebnis-Erfolg”-Denken.