#Nilsläuft

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Mit mir erlebst du Höhenflüge und Alltagsläufe. Ich gebe dir Trainingstipps und Wettkampftricks.

Braucht Laufglück Strom?

Digitales
Helfer des digitalen Laufens – Schluss damit?

Wer mit dem Laufen anfängt fragt sich bald: Brauche ich eine Pulsuhr? Wieviel Digitales ist überhaupt nötig beim Laufen? Eine Antwort darauf ist auch für ambitionierte Läufer nicht einfach, aber logisch.

Eigentlich wollte ich auf die Frage „Braucht Glück Strom?“ eine einfache Antwort geben: Nein. Digitales soll keine Rolle spielen beim Laufen. Ein gesundes Körpergefühl ist um ein vielfaches besser als jede Uhr – gerade für Laufanfänger. Also schrieb ich an einem Text, der aber nicht recht gelingen wollte.

Auf dem Irrweg

Ich erinnere mich noch gut an eine Situation, in der ich mit ein paar Sportskameraden darüber diskutierte, ob wir auf dem richtigen Weg seien. Alle starrten auf ihre GPS-Geräte. Das Problem? Zwei Wege lagen dicht beieinander. Einer verlief oben an einem ziemlich steilen Weinberg entlang, der andere an seinem Fuß. Luftlinie nicht weit, aber dazwischen lagen beschwerliche Höhenmeter. Wir standen nämlich auf dem Rheinsteig und hatten noch viele Kilometer bis nach Bonn vor uns. Wir nahmen den unteren Weg, ohne vollends von der Richtigkeit der Entscheidung überzeugt zu sein. Es kommt vor, dass man sich verläuft. Das ist nicht weiter tragisch, aber wer sich während eines Laufes über 320 Kilometer verirrt, kämpft womöglich mit seiner Motivation weiterzumachen. Und so mancher hat schon gesiegt, weil sich die Konkurrenz verirrte.

Vom Sieg waren wir weit entfernt, vom richtigen Weg auch, denn es war der falsche. Wir hätten zum Beispiel dem Wegweiser folgen können, der an einer Mauer in der Nähe angebracht war, den wir nicht sahen, abgelenkt durch die Elektronik. Die Überprüfung einiger in der Entfernung sichtbarer Wegpunkte hätte ebenfalls Klarheit gebracht. Auch ein Update des Kartenmaterials hätte wohl geholfen. Nach ein paar Kilometern kraxelten wir wütend über uns selbst den Weinberg herauf, um wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Schließlich schwor ich mir, nicht mehr vom GPS abhängig sein zu müssen und hinterfragte auch den Sinn andere technische Helfer zu nutzen. Das war ein Erlebnis, dass mich fürs erste prägte.

Digitales

Aber warum wollte mir dann ein Anti-Technik-Text nicht recht gelingen? Nun, es gibt eben keine einfachen Antworten. Auch die Welt des Laufens ist nicht schwarz-weiß. Mittlerweile gehören Pulsmesser, GPS und elektronische Datenanalyse zum Laufen wie Schuhe. Sogar die Sauerstoffsättigung im Blut oder die Trittfrequenz gehören schon zum Repertoire des Digitalen. Geschwindigkeiten und Streckenlängen sind Standards. Insgeheim musste ich zugeben, dass auch mir Analysen Spaß machen, die Orientierung mit einem Navigationsgerät einfacher sein kann als die Handhabung von Karte und Kompass. Ich bin nicht der einzige. Viele Fotos in den sozialen Medien zeigen die Uhren ihrer Träger, die mit Stolz ihre Kilometerleistung anpreisen. Beim Start eines Rennens sieht man fast niemanden mehr ohne Uhr, alle greifen sich kollektiv ans Handgelenk, um ihr Rennen aufzuzeichnen. Das zeigt doch, dass Technik auch motiviert und längst alltäglich ist.

Wir können uns vergleichen, allen zeigen, was wir geleistet haben. Gut, mit Medaillen ginge auch anders, aber nicht so einfach. Das geht sogar so einfach, dass wir virtuelle Wettkämpfe (Strava, Swift etc.) austragen, mit Leuten, die wir nie gesehen haben. Die Trainingstipps sind dann auch gleich inklusive – toll. Dann weiß ich wann, ich wie viel trainieren muss, um besser zu werden. Das gibt Orientierung im Sportwissenschaftswirrwarr. Gerade Laufanfänger verlassen sich anfangs auf Uhren, Navigation, Apps, digitale Trainingspläne und Analysten. Klar, hier fehlt Wissen und Erfahrung. Wir brauchen Anleitung von einem Experten an unserer Seite und sei es eben von einem elektronischen. Und wir brauchen Bestätigung von realen oder digitalen Freunden.

Analoges

Sollte ich jetzt nicht lieber einen Pro-Technik-Text schreiben? Ist das nicht viel besser? Das finde ich auch nicht, denn ein Nachgeschmack bleibt bei aller Technikliebe. Denn manchmal macht Liebe auch blind – technikblind. Bei allem Spaß passiert es mir immer wieder, dass die Technik versagt, der Strom weg ist, kein Satelliten-Empfang vorhanden ist oder die Sensoren gerade keine optimalen Werte liefern. Das nervt. Es wird erst richtig schlimm, wenn man nicht weiß, wie man ohne Navi wieder herauskommt. Oder man feststellt, dass der Algorithmus nicht der Beste ist, und die Anweisungen zur Bestleistung in einer Verletzung endet. Und das geht ebenfalls nicht nur mir so. Viele Läufer üben den Digitalverzicht und messen mit Spaß ihren Puls, ganz altmodisch mit dem Finger, hören ihn und lassen sich auf ihren Körper ein. Auch Karten und Kompass kommen wieder in Mode, beim Orientierungslauf. Das macht Spaß und bringt einen im wahrsten Sinne des Wortes nach vorn.

Tja und jetzt? Schreibe ich eben einen Text, der beides beinhaltet. Die Vor- und Nachteile des Digitalen mit der Bitte: Nutze überlegt und lass dich nicht entmündigen. Trainiere den Orientierungssinn, spüre den Puls und erkenne, wann du eine Pause brauchst. „Laufbalance“ ist das Stichwort. Der Spaß hört auf, wenn man sich selbst nicht traut. Dort, wo wir das Maß verlieren und unsere Fähigkeiten mit Technik ersetzen, verlieren wir unser Gefühl. Und das ist mit Nullen und Einsen noch nicht zu ersetzen.

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