Als Ultratriathlon werden Rennen jenseits der Ironmandistanz bezeichnet. Das klingt unmöglich? Mit einigen Tipps und der richtigen Einstellung können sich auch Normalsportler der Herausforderung stellen.

Als ich Freunden von meinen nächsten Sportprojekten erzählte, waren sie zuerst überrascht. In diesem Jahr nehme ich an einem 320-Kilometer-Lauf auf dem Rheinsteig teil. Verrückt ist das schon irgendwie, aber das kannten sie schon. Den sogenannten WiBoLT, den Wiesbaden-Bonn-Landschaftstrail, hatte ich nämlich schon einmal mitgemacht. Also fuhr ich mit meinen Vorhaben fort. Denn dieser Ultralauf soll Teil einer Vorbereitung sein, die mich 2020 zu einem Ultratriathlon führen. Bei den Worten „Dreifach und Ironman“ schauten sie ungläubig. Einen Ultratriathlon über die dreifache Ironman-Distanz ist mein Ziel. “Gibt es das überhaupt? Kann man das überhaupt schaffen?”, fragten sie.
Ja, das gibt es und es ist nicht die längste Strecke bei organisierten Ultratriathlons. Und ja, es haben auch schon viele Leute geschafft – normale Menschen. Viele haben einen Vollzeitjob und Familie. Für die einen ist es eine absurde Vorstellung nonstop 11 Kilometer zu schwimmen, 540 km Rad zu fahren und anschließend noch 126 km zu rennen. Für andere sind es Distanzen, die nichts mit Übermenschlichkeit zutun haben. Zum Beispiel für Daniel Meier, der das Buch „Go Hard Or Go Home“ geschrieben hat. Meier, seines Zeichens selbst Ultratriathlet, beschreibt nicht nur seinen eigenen Werdegang, sondern lässt auch viele andere Sportler zu Wort kommen, um die Faszination des Ultratriathlon zu beschreiben.
Schritt für Schritt zum Ultra
Das zeigt, er ist kein spinnerter Einzelgänger. Er ist eher Teil einer wachsenden Gemeinschaft. Immer mehr Leute interessieren sich für die Distanzen jenseits des Ironman. Darunter auch ich. Das zeigt die Entwicklung, die Meier auch in seinem Buch beschreibt. Schließlich hat er es selbst an den meisten Ultrawettkämpfen teilgenommen. Irgendwann kommt man aber durcheinander bei Double- oder Triple-Decas. Das ist jeweils die zehnfache Ironmandistanz, aber doppelt bzw. dreifach. Jaja, gibt es am Stück (continous) oder jeweils eine Langdistanz pro Tag. Da schwindet die Vorstellungskraft, aber die Faszination steigt.
Ich gebe zu, das Thema erscheint zunächst abwegig, die Distanzen einfach unvorstellbar. Aber ich hätte vor zehn Jahren auch noch nicht gedacht, mal bei solchen Rennen dabei sein zu können. Meiner Meinung nach kann das das jeder gesunde Mensch. Es ist eben eine Sache der Zeit und der Herangehensweise. Zum Glück erklärt Daniel Meier Schritt für Schritt, dass Ultratriathlons kein Ding der Unmöglichkeit sind. Im Gegenteil, auch „Normalos“ können viel lernen.

Da wäre beispielsweise das Kapitel mentale Härte. Meier beschreibt viele mentale Methoden, dazu zählen auch die Visualisierung oder Selbstgespräche. Sie beeinflussen unser positives Denken, unsere Einstellung zu dem, was wir gerade tun bzw. was wir schließlich machen werden – nämlich das Ziel sehen. Das hilft auch auf kürzeren Strecken, denn auch dort gibt es Phasen der Schwäche. Besonders beim Marathon klappt das wunderbar. In Schwächephasen stellt man sich möglichst genau vor, wie man das Ziel erreicht. Dabei ist es wichtig, bis ins Detail zu denken und das mit allen Sinnen. Schmeckt man schon das alkoholfreie Bier oder die Bratwurst? Das sollte man bereits im Training üben.
Das ganze geht übrigens auch negativ. Wenn einem alle Welt erzählt, dass bei Kilometer 35 der Mann mit dem Hammer kommt, dann wird man zwangsläufig bei Kilometer 35 Probleme bekommen. Dabei bin ich der Meinung, dass es sowas nicht gibt. Ich habe noch nie dran geglaubt und Kilometer 35 stets bestens überstanden. Das ist eine Sache der Zielsetzung und von wem kann man die besser lernen als von einem Vollprofi.
Ultratriathlon – Raubbau am Körper?
Apropos überstehen. Auch mit dieser Mär räumt Meier auf. Anhand eigener Erfahrungen zeigt er, dass Ultratriathlons nicht unbedingt ungesund sind und die Defizite aus dem Wettkampf nicht bleiben. Für mich ist das eine tolle Nachricht, weil er es selbst ausprobiert hat. Dabei untermauert er das Ganze auch noch mit Röntgenbildern und nachvollziehbaren Werten. Meier geht auf die Nichtschädigung der Gelenke ein und zeigt wie unschädlich Ultratriathlons für das Herz sind. Außerdem erklärt er, warum wir nicht sportsüchtig sind und wie viel Gewichtsverlust schädlich ist. Dabei wird deutlich, dass der bewusste Umgang mit dem eigenen Körper Höchstleistungen forciert, die kein Raubbau sein müssen. Allerdings sollte man auch offen dafür sein, sehr viel Zeit zu investieren, was nicht jeder möchte.
Alles in allem ist das Buch natürlich etwas für Leute, die nicht gleich beim lesen der Streckenlängen aufgeben. Es liest sich unglaublich, wenn von 76 geschwommenen Kilometern zu lesen ist oder wenn Stefan Chares, ein veganer Athlet, davon schreibt, wie er den Triple-Ultra mit pflanzlicher Nahrung schaffte. Man darf nie vergessen: Es hört sich unmöglich an, das zu schaffen, aber für viele ist solch ein Traum schon wahr geworden. Am Ende muss sich jeder selbst die Frage stellen, warum es ein Ultratriathlon sein muss. Mich fasziniert, dass ich für Ultrastrecken genau wissen muss, wer ich bin. Hier muss alles stimmen und es bedarf trotzdem eines guten Krisenmanagements. Es ist ein bisschen wie eine Wette auf sich selbst, bei der man die Gewinnchancen mit eigener Kraft verbessern kann.

Leseprobe:
„Also ging ich einen Schritt weiter. Wenn ich eine dreifache Ironman-Distanz schaffe, dann könnte ich doch vielleicht auch einen fünffachen Ultratriathlon finishen? Gesagt, getan. Im darauffolgen- den Jahr bestritt ich nach der Teilnahme an zwei Double Ultratriathlons – denn diese Distanzen standen ja noch aus – den sogenannten Quintuple Ultratriathlon in Monterrey, Mexiko: 19 Kilometer Schwimmen, 900 Kilometer Radfahren und 211 Kilometer Laufen.
Zehn Monate später stand bereits mein erster Deca Ultratriathlon – also 10 Ironman an 10 aufeinanderfolgenden Tagen – auf meinem Race-Kalender, bis ich schließlich bei 21 Langdistanzen an 21 Tagen meine bislang persönliche Grenze erreichte. Eines jedoch werde ich nie vergessen: Bei meinem ersten Deca im Jahr 2011 auf Sizilien sagte mein Mitstreiter Beto Villa am Morgen des letzten Tages den folgenschweren Satz zu mir: „Today, you are a Decaman – it will change your life.“ Mir kamen die Tränen, als ich diese Worte hörte. Und er sollte recht behalten.”
Daniel Meier – Go hard or go home – Faszination Ultratriathlon,
ISBN: 9783941297418