Leben und Laufen verbindet vieles, besonders in der Corona-Krise. Wie sehr, zeigte mir der Motatapu-Ultralauf in Neuseeland.

Sofort nach meiner Rückkehr aus Neuseeland wollte ich meine Erlebnisse beim Motatapu-Ultralauf bloggen. Wie sehr ich mich auf diesen Laufklassiker am anderen Ende der Welt gefreut habe: 51 Kilometer und etliche Höhenmeter, vier Berge und zum Schluss noch zahlreiche Flussdurchquerungen. Und das alles in der grandiosen Landschaft der grasbedeckten Berge zwischen Wanaka und Arrowtown auf der Südinsel Neuseelands. Jetzt ist alles anders. Corona lähmt die Welt. Die Zukunft ist ungewiss. Alle zusammen, jeder für sich – wie beim Laufen. Man kann wagen und hoffen. Was am Ende übrig ist? Das weiß keiner so genau. So läuft das Leben.

Ungewissheit
Ich wollte schreiben, wie aufgeregt ich war, morgens am Start, weil es immer so ist, wenn man ins Ungewisse aufbricht. Ich lief viel zu schnell los und merkte schon bald, wie anstrengend die ersten Kilometer waren. Hoch und runter, durch dichten Wald, über umgestürzte Bäume und nur mit dem Licht einer Stirnlampe ging es durch die Dunkelheit. Auch meine Stimmung ging auf und ab. „Das habe ich unterschätzt”, dachte ich. Demut war angebracht angesichts der Anstrengungen, die noch kommen würden. Also schaltete ich einen Gang runter. Aber der eben noch dichte Wald lichtete sich. Wie großartig doch einfache Dinge werden können. Essen, trinken, lachen. Die Sonne beleuchtete bereits die Gipfel und der erste Schrecken war vorbei. Die Aussicht war überwältigend.

Auf und ab
Ich wollte schreiben, dass ich fluchte. Auf jedem der vier Anstiege auf den 51 Kilometern, weil sie so steil waren. An Laufen war nicht zu denken. Selbst als Wandern konnte dieses Schleichen nicht bezeichnet werden. Es war eher eine Prozession. Die aufmunternden Worte der Mitstreiter spornten mich an und die Landschaft tat ihr Übiges. Geteiltes Leid ist eben doch halbes Leid, nicht doppeltes. Das gilt in jeder Krise. Jeder braucht jemanden im Leben. Und irgendwann ging es ja auch wieder bergab. Leider war bergab zu laufen genauso steil wie bergauf, was ähnlich anstrengend war. Meine Oberschenkel brannten. Immerhin war ich nun deutlich schneller. Man muss das Positive sehen, auch wenn es weh tut.

Denk positiv
Ich wollte schreiben: Beim Laufen, besonders beim Ultratrail, geht es viel weniger um Ausrüstung als ums Denken. Wer einen klaren Kopf behält und nach Lösungen für die großen und kleinen Probleme des Lebens, pardon, Laufens, sucht, wird überleben. Und so hat man die Wahl: aufgeben oder weitermachen? Und so machte ich weiter und dachte, den letzten Berg geschafft zu haben. Schon jubelte ich, nur um zu sehen, dass die Prozession ihren Weg auf dem nächsten Berg fortsetzte. „Aufgeben oder weitermachen?” – immer wieder.

Erlösung
Ich wollte schreiben, wie schön die letzten Kilometer waren, als ich bestimmt 50 Mal einen Fluss überquerte, dessen Wasser mich in der Hitze des Nachmittags erfrischte. Steigungen gab es nun fast keine mehr und ich konnte befreit laufen. Es war schön zu wissen, dass ich es schaffen würde. Das Ziel hatte ich mir schon während des Laufs vorgestellt – visualisiert. Doch als ich die Ziellinie nach nunmehr elf Stunden aus der Ferne sah, bekam ich eine Gänsehaut. Das war die Erlösung von all den Strapazen. Danach habe ich irgendwo gehört, dass man ein bisschen sterben muss, um zu leben. Passt ganz gut.
Und jetzt ist Corona da. Ich zweifle, ob ich das alles schreiben soll oder die Geschichte in der Vergangenheit bleiben muss. Darf man noch glücklich sein, angesichts der Lage? Aufgeben oder weitermachen? Zum Glück trotzen viele von euch der Krise und laufen weiter. Viele schreiben von glücklicheren Zeiten bei Instagram und posten vom kleinen Glück, dass man erleben kann, wenn wir nicht aufgeben. Also: weitermachen.
Bleibt gesund.
