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Wir dürfen nicht flüstern

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„Wir sind nicht besser als die Chinesen vor uns. Aber wir haben jetzt eine Chance, China besser zu machen. Wir dürfen nicht flüstern, wir müssen im Chor singen. Wir dürfen nicht in eine Welt ohne Wahrheit geraten.“

Die Wochenzeitung „Nanfang Zhoumo“ (Südliches Wochenende) aus Kanton ist in China als Fürsprecherin universeller Werte bekannt. Zum neuen Jahr stellt sie ein Mosaik aus Porträtfotos auf ihre Titelseite, die Überlebende des Erdbebens aus der Mittelschule von Beichuan zeigen. Die 2793 Schüler der Schule, die die Katastrophe besonders hart getroffen hatte, wurden von den Lesern zu den Menschen des Jahres gewählt. So kann die Collage als Bild der gesamten chinesischen Gesellschaft und ihres Überlebenskampfs verstanden werden. Darunter steht eine Grundsatzerklärung in eigener Sache, die aus dem Streben der Chinesen nach Fortschritt, Wissenschaft und Demokratie seit dem Beginn des Zwanzigsten Jahrhundert eine Verpflichtung für das Engagement der Zeitung heute ableitet. „Es gibt keinen Winter, der nicht zu überwinden ist“, lautet der Titel. Auszüge: 

„Vor zehn Jahren ist hier ein Text erschienen, der immer noch richtig ist. Er trug den Titel: ‚Laßt Schwache mehr Kraft bekommen und laßt Pessimisten voranschreiten‘. Während sich die Nanfang Zhoumo dem professionellen Journalismus widmet, ist dieser Satz weiter ihre geistige Grundlage geblieben. Das Erdbeben, die Olympischen Spiele, der Milchpulver-Skandal: Es gab letztes Jahr große, allen gemeinsame Ereignisse. Das liegt daran, daß China eine Einheit ist, und wir sind eng verbunden damit. Wenn wir uns Fragen stellen, gibt uns die Liebe zu unserem Land schon die Antwort. Das ist der Grund, weshalb wir nicht nur die Fortschritte loben, sondern auch die Unzulänglichkeiten kritisieren, weshalb wir die Wahrheit hochhalten wie eine Kerze, weshalb wir in heftigen Debatten unseren eigenen Standpunkt bewahren, weshalb auch der winzigste Lichtschimmer, den wir nach außen senden, seine Bedeutung hat. Das ist der Grund, weshalb du diese Zeitung kaufst, obwohl sie keine Informationen zum Reichwerden enthält und kein Entertainment bietet. Das ist der Grund, weshalb wir rationale Patrioten sind. Nach der Trauer über das Erdbeben, nach der Pracht der Olympischen Spiele, nach dreißig Jahren Reform sind wir mittlerweile erwachsen.

Das ist der Grund, weshalb wir nicht klagen dürfen, weshalb wir nach Überzeugungen suchen müssen, weshalb wir uns erinnern, wie sich unser Land seit mehr als hundert Jahren durchschlägt. Je mehr wir in die Tiefe der Geschichte schauen, desto entschlossener werden wir. Wir müssen entschlossen die gemeinsamen Werte der Menschheit unterstützen. Wir unterstützen Fortschritt, Demokratie, Freiheit, Menschenrechte. Wir unterstützen China dabei, in die moderne Zivilisation einzutreten. Können wir uns noch daran erinnern, wie vor mehr als hundert Jahren unsere fortschrittlichen Ahnen entdeckten, daß man das Land nicht retten kann, wenn man sich einschließt? Deshalb wehte immer stärker der Wind aus dem Westen in die östliche Richtung. Wissenschaft und Demokratie haben das Land zum Aufblühen gebracht.

Das ist der Grund, weshalb wir fordern, daß die Öffnungspolitik über die Interessen einzelner Gruppen hinausgehen soll, weshalb wir die Vertiefung der Reform unterstützen. Weshalb wir die Gerechtigkeit und Gleichheit erreichen müssen, egal, was passiert. Weshalb der Trend sich ändern muß, daß das Land reich wird, das Volk aber arm bleibt. Weil der Staffelstab jetzt in unseren Händen ist. Wir sind nicht besser als die Chinesen vor uns. Aber wir haben jetzt eine Chance, China besser zu machen. Wir dürfen nicht flüstern, wir müssen im Chor singen. Das ist der Grund, weshalb wir nicht in eine Welt ohne Wahrheit geraten dürfen. Weshalb wir nicht im Strom schwimmen dürfen. Weshalb wir nicht in der Luft tanzen dürfen. Weshalb wir Realisten bleiben müssen. Weil wir für dieses Land Verantwortung tragen.“

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