Es war in allen Medien und braucht deshalb nicht näher beschrieben zu werden: Der Automobilkonzern Daimler verlangte – natürlich auf einer wie auch immer ausgestalteten freiwilligen Basis – von Bewerbern das Einverständnis zu einem Bluttest. Begründet wurde dies mit der Pflicht des Arbeitgebers, sich von der Leistungsfähigkeit seiner zukünftigen Mitarbeiter zu überzeugen.
Zunächst die Definition aus dem Reiseführer “Per Anhalter durch die Arbeitswelt” zur allgemeinen Diskussionsstand-Angleichung: “Unter einem Personal-Blut-Test versteht man (1) den unter dem Personalvorstand Wilfried Porth bei Daimler (2) durchgeführten Bluttest von Bewerbern, durch den (3) allgemein die Leistungsfähigkeit des Bewerbers, aber auch (4) vieles Andere diagnostiziert werden kann.”
Nun kann man sich auf den Standpunkt stellen, andere Unternehmen würden dies ganz genauso machen – wenngleich einige dieser “Anderen” genau dies durchaus rasch dementierten. Oder man kann darauf hinweisen, dass offenbar der Betriebsrat bei Daimler diesem Verfahren zugestimmt haben muss, was weniger für Daimler als vielmehr deutlich gegen den Betriebsrat spricht. Man kann auch die Schlussfolgerung ziehen, dass eine derartige Praxis schon allein aus Datenschutzgründen problematisch ist und sich auch sonst eher in einer rechtlichen Grauzone bewegt – was allerdings dem Bewerber nichts hilft: Denn dieser trifft auf ein Heer von Arbeitslosen und auf ein Unternehmen, das vermehrt Praktika und nur selten “richtige” Jobs anbietet.
Ganz klar: Daimler sitzt am längeren Hebel. In dieser Situation hat der Bewerber keine Chance und ist dem Unternehmen ausgeliefert. Jetzt könnten marktradikale Protagonisten die Position vertreten, dass Daimler eben nur die Chance extensiv nutzt, die ihm die aktuelle Arbeitsmarktlage eröffnet.
Der Verfasser dieses Reiseführers durch die Arbeitswelt ist kein Mediziner und kennt daher nicht alles, wonach man bei einem Bluttest suchen kann. Aber selbst die mehr oder weniger allgemein bekannten Untersuchungsmöglichkeiten sind – losgelöst davon, was Daimler wirklich untersucht und mit den Ergebnissen macht – bereits beeindruckend. So geben Bluttests Hinweise auf Allergien, Rhinitis, Sinusitis, Bronchitis, HIV/AIDS, Krebs, Nierenerkrankungen, Asthma, Lupus, Scleroderma, Amyotrophie, laterale und multiple Sklerose, Leukämie, Osteoporose, Arthrose (Hüft- und Kniegelenk), Hormonstörungen und Arthritis. Bei diesen Tests wird zum einen festgestellt, dass vielleicht (!) derartige Krankheiten vorhanden sind, denn manche Testergebnisse sind nur ungenaue Indikatoren. Zum anderen wird prognostiziert, dass bestimmte Krankheiten vielleicht (!) in der Zukunft auftreten werden. Denn einige Test sind eher Prädiktoren – dann auch nicht viel mehr, aber trotzdem potenziell handlungsleitend. Also: Viele dieser Tests können auch bei durchaus gesunden Bewerbern anschlagen. Hinzu kommen noch die vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten des Hämatokrit-Wertes sowie der Hämoglobin-Konzentration und schließlich alles, was man mit der aus dem Blut extrahierten DNA machen kann.
Doch unabhängig davon, was Daimler letztlich genau testet und mit den Testergebnissen macht: Alleine die Berichte über den Bluttest und die nebulöse Reaktion von Daimler (beispielsweise über den Daimler-Blog) kommt einem kommunikativen Super-Gau gleich!
Zum einen ist Daimler dabei, sich so richtig gründlich sein Arbeitgeberimage zu zerstören. Wer auf diese Weise mit Bewerbern umgeht, braucht sich nicht zu wundern, wenn Bewerber mit einer zumindest kleinen Grundausstattung an gesellschaftlich-ethischen Werten diesem Unternehmen den Rücken kehren. Auch die viel umworbenen High-Potentials könnten Angst vor diesem Arbeitgeber entwickeln, wenn sie den Verdacht hegen, dass Daimler noch ganz andere Tests durchführt. Wenn also Bewerber bei Daimler im Assessment-Center (wo angeblich kein Bluttest gemacht wird) aus Angst vor einem genetischen Fingerabdruck das Wasserglas gründlich abwischen, dann ist spätestens klar, dass Vorsicht die viel zitierte Mutter der Porzellankiste ist.
Zum anderen können auch Kunden aus ethischen oder ganz anderen Gründen ins Grübeln kommen, ob sie Autos eines Herstellers fahren wollen, der Bewerber einem Bluttest unterzieht – und vielleicht später auch einmal Mitarbeiter, Lieferanten und (Kredit-)Kunden.
Damit gilt eindeutig: “Imageschädigende Aktivitäten wie ein Bluttest bei Bewerbern sind alleine schon deshalb zu unterlassen, weil der große Imageschaden soweit erkennbar in keiner Relation zum weniger großen Nutzen steht.” Oder gibt es Nutzenaspekte, die wir noch nicht kennen?
Was es aber gibt, ist ein Personalvorstand, der sich – soweit erkennbar – nicht von dieser mehr als fragwürdig einstufbahren Bluttest-Praxis distanziert. Nun kann man Wilfried Porth zugute halten, dass er als Quereinsteiger vielleicht noch wenig von Personalarbeit versteht.
Aber genau damit beginnt ein zunächst eher spezielles Problem ein ganz allgemeines zu werden, denn: Was ist eigentlich die erforderliche Qualifikation für einen Personalvorstand? Manche Executive Search Firmen, scheinen sich hier fast ausschließlich um allgemeine (soziale) Passung des Personalvorstands in die Gruppe der Vorstände zu kümmern – eine Botschaft, die nicht-personalwirtschaftlich ausgebildete Vorstandskandidaten gerne entgegennehmen.
Würde man dagegen das Instrumentarium nutzen, das man auf “normale” Menschen anwendet, käme etwas Anders heraus. Ein solcher Eignungstest für einen Personalvorstand umfasst – und da ist der Reiseführer “Per Anhalter durch die Arbeitswelt” einmal mehr sehr genau – acht Punkte: “Für die Position eines Personalvorstandes sind nur Kandidaten in die engere Wahl zu ziehen, die (1) eine personalwirtschaftliche Diplomarbeit geschrieben haben – denn nur das signalisiert ‚Neigung’ zum Thema. Dann brauchen sie (2) ein Studium an einer personalwirtschaftlich ausgewiesenen Hochschule und (3) entsprechende HR-Zusatzqualifikationen. Zudem muss sichergestellt sein, dass sie (4) die relevante Fachliteratur beziehungsweise (5) die relevanten Debatten kennen und (6) eine erfolgreiche HR-Laufbahn hinter sich und (7) Erfahrungen in anderen Ressorts gesammelt haben. Schließlich sind (8) kommunikative Fähigkeiten und Empathie zwingend.”
Im Übrigen muss der Aufsichtsrat sicherstellen, dass diese acht Anforderungen an einen Personalvorstand erfüllt sind. Wenn nicht, könnten Bewerber, die bei Daimler einen Bluttest durchgeführt haben, vielleicht sogar die Aufsichtsräte wegen Pflicht- (und damit letztlich wegen Körper-)verletzung verklagen.
Um “wirklich richtige” Personalvorstände sicherzustellen, könnte man die Kandidaten ja einmal beim Autor des Reiseführers “Per Anhalter durch die Arbeitswelt” vorbeischicken und Ihnen – vielleicht im Restaurant am Ende des Universums – auf den Zahn fühlen lassen….
Wie dem auch sei: Wir brauchen endlich einen Test, der klar ansagt, ob ein Personalvorstand genug “Personalmanagement” im Blut hat!
(Foto: cts)
P.S. Douglas Adams verschweigt in seinem Bestseller “Per Anhalter durch die Galaxis” die Existenz von Blut und überlässt den Umgang mit eben diesem ausschließlich dem Computer. Nur ist das so ungefähr das Gemeinste, was man mit einem Computer machen kann, und es ist – laut Douglas Adams – ungefähr so, als ginge man auf einen Menschen zu und sagte in einem fort “Blut … Blut … Blut … Blut …”. Vielleicht kann man die darauf folgende Aussage als einen kostenlosen Ratschlag an Daimler interpretieren: “Wie man sieht, werden wir an unseren persönlichen Beziehungen noch sehr arbeiten müssen.” Doch ein eisiger Wind blies ihnen entgegen…..
https://www.per-anhalter-durch-die-arbeitswelt.de/
<p>Der Blogger will...
Der Blogger will provozieren und das gelingt ihm mit diesem Post auch. Für mein Empfinden aber ein etwas billiger Erfolg. Da wird mal schnell mit der angeblichen “rechtlichen Grauzone” hantiert, ohne das der Blogger sich die Mühe macht zu erklären, gegen welche Bestimmung das Vorgehen denn verstoßen könnte. Das legt den “Anfangsverdacht” nahe, dass der Blogger sich darüber überhaupt keine Gedanken gemacht hat, billigerweise in Kauf nimmt, dass das Vorgehen rechtlich in Ordnung ist und das nur aus dramaturgischen Gründen der “rechtlichen Grauzone” zuordnet.
Die Auswahlkriterien für einem Personalvorstand sind – wie N.W. hingeweisen hat – teilweise abstrus. Selbstverständlich kann jemand auch nach seinem Berufseinstieg relevante Kenntisse und das entsprechende interesse an HR-Fragen entwickeln und sich damit qualifizieren. Aber darauf kommt es dem Blogger ja auch nicht an. Die Abstrusität der Liste soll nur widerspiegeln für wie abstrus der Blogger die Durchführung der Bluttests hält. Dafür hätte es aber ausgereicht, wie in der Überschrift einen Bluttest von Kandidaten für dieses Vorstandsressort zu fordern.
Hallo,
Ich finde es...
Hallo,
Ich finde es erschreckend,das Unternehmen sich das “Recht” rausnehmen dürfen ihre Mitarbeiter durch Bluttests zu selektieren. Da kann man leider nur solchen Unternehmen unterstellen, eine Art “Supermitarbeiter” schaffen zu wollen bzw aus dem (Gen)- Pool an verfügbaren Mitarbeiter einen solchen heraus zu selektieren. Unternehmen sehen die momentane Situation am Arbeitsmarkt und schöpfen aus der Not der Menschen sich einen Vorteil in dem sie Bluttests durchführen. Kein normal denkender Mensch verkauft seine Gesundheit freiwillig, auch wenn es nur seine Daten betrifft, an ein nicht einmal sicheren Arbeitgeber. Die Würde des Menschen ist unantastbar.
“Der menschliche Verstand ist in der Praxis nicht verläßlich, am wenigsten in größter Not. ”
Dementsprechend genügt nicht nur eine Einwilligung zu einem Bluttest zu unterschreiben, sondern eine ausdrückliche Einwilligung zum Test auf die genannten Krankheiten im Blog “Per Anhalter durch die Arbeitswelt”. Diese ausdrückliche Einwilligung ist auch im Gesetzesbuch geregelt.
Des Weiteren kann man in solche Bluttests viel hineininterpretieren.
a.) Verkauft man später solche Daten bei einer möglichen Insolvenz ( s. Quelle )
b.) versucht man den Anteil an Menschen mit körperlichen u. anderen Behinderungen zu drücken indem man á la ” Wir möchten ein MA einstellen der diese XYZ Krankheit besitzt”
c.) sind diese Daten überhaupt im allgemeinen sicher ? ( s. LIDL , Telekom etc )
Die Bluttest die später bei einer Einstellung durch einen Betriebsarzt durchgeführt werden werden fast immer auf freiwilliger Basis durchgeführt, da der Mitarbeiter sich durch sein Unternehmen eine kostengünstigere und bessere ärztliche Versorgung erhofft. Doch man sollte das klar von den jetzigen Methoden abgrenzen.
Alsaker V.
@N.W.
Richtig, ...im Regelfall...
@N.W.
Richtig, …im Regelfall mindestens 20 Jahre. Bei einem derartigen Merkmal geht es auch nicht um erworbene Fähigkeiten oder erarbeitetes Wissens. Es ist vielmehr ein Indikator, der zumindest tendenziell auf “Neigung” schliessen lässt: Wenn sich also jemand schon während seines Studiums so intensiv mit Personalmanagement beschäfigt, dass er/sie dort seine Diplomarbeit schreibt, dann ist zumindest der Anfangsverdacht eines Grundinteresses gegeben.
Ich stimme den Punkten (3) und...
Ich stimme den Punkten (3) und (6) der Personalvorstand-Wunschdefinition zu. Warum allerdings eine “personalwirtschaftliche Diplomarbeit” oder die Wahl der Hochschule entscheidend sein sollen, entgeht meiner Aufmerksamkeit. Da liegen ja mindestens 20 Jahre dazwischen.
Ich kann diese Aufregung wegen...
Ich kann diese Aufregung wegen der Bluttests bei der Einstellung nicht verstehen.
Bereits 1961, als ich bei einer Daimler Niederlassung als Azubi eingestellt wurde, war die Vorstellung beim Betriebsarzt obligatorisch. Damals löste das, was ich darüber berichtete in meinem Freundeskreis Anerkennung für so viel Arbeitgebervorsorge aus! Ich sage: zu Recht! In den 45 Jahren, die ich im Unternehmen war, fühlte ich mich immer arbeitsmedizinisch sehr gut aufgehoben.
Mein Vertrauen wurde nie missbraucht!
Bei der AXA Konzern AG musste...
Bei der AXA Konzern AG musste ich auch einen Bluttest machen. Und es war keine leitende Position. Das machen vielleicht mehr Unternehmen als man so denkt.