Per Anhalter durch die Arbeitswelt

Per Anhalter durch die Arbeitswelt

Wir sehen uns zunehmend einer neuen, unbekannten und durchaus rätselhaften Arbeitswelt gegenüber.

Von Bologna bis Troja-39: „Bachelor Welcome“ als Wundertüte?

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Vor sechs Jahren gaben zunächst 15 Unternehmen feierlich und öffentlichkeitswirksam ein Bekenntnis zu „Bachelor Welcome“ ab. Politiker jubelten und die Presse überschlug sich vor Freude. Grund genug für den Reiseführer durch die Arbeitswelt, diese Zone des glückseligen Altruismus einmal etwas näher zu beschreiben – interessanterweise, während gleichzeitig in der ARD der Film „Der ewige Praktikant“ läuft.

Bild zu: Von Bologna bis Troja-39: „Bachelor Welcome“ als Wundertüte?

(Foto: cs)

 

Zunächst einmal zur Erinnerung: Vor zehn Jahren wurde von den europäischen Bildungsministern die Bologna-Erklärung mit dem Titel „Der Europäische Hochschulraum“ unterschrieben und gleichzeitig der Bachelor-Abschluss als mögliche Option formuliert. Während sich eigentlich noch niemand so richtig vorstellen konnte, ob und warum man den diesen Bachelor eigentlich braucht, während man ihn allenfalls als eine mögliche Alternative im Spektrum einer bunt schillernden europäischen Bildungslandschaft sah, taten sich unter der Federführung von Thomas Sattelberger immerhin 15 deutsche Unternehmen zusammen und riefen laut im Chor: „Bachelor Welcome“.

Ja! Man wollte die frischgebackenen Bachelors willkommen heißen, man wollte ihnen einen auf dem berufsqualifizierenden Bachelor-Abschluss aufbauenden Direkteinstieg ins Unternehmen schaffen, man wollte eine ganz spezifische und auf die neue Bologna-Landschaft abgestimmte Karriere – und vieles andere mehr – bieten: Ja, man wollte viel, man versprach viel – und das ist auch gut so, da freut sich die Republik, da fühlen sich Bildungspolitiker bestärkt, da kommt Bewegung ins Spiel.

Nun wissen eifrige Leser dieses Reiseführers, dass – wie auch im Reiseführer von Douglas Adams – Zahlen eine wichtige Rolle spielen. So gibt es im Reiseführer „Per Anhalter durch die Galaxis“ als Antwort auf die unergründliche Frage des Universums die Zahl 42.

Analog hierzu gibt es im Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ – an anderer Stelle tiefgründig begründet – die Zahl 39: „Hinter Troja-39 und damit der Zahl 39 steht (a) die Gesamtzahl aller zum Untersuchungszeitpunkt verfügbaren Angebote als Direkteinstieg, die (b) von den 15 Ur-Unternehmen der Bachelor Welcome-Initiative auf ihren Webseiten explizit (auch) für Bachelor-Absolventen ohne Berufserfahrung angeboten werden, was (c) bezogen auf über 1 Million Arbeitsplätze dieser Unternehmen relativ wenig und verglichen unter anderem mit (d) 641 angebotenen Praktikumsplätzen noch viel weniger ist.“

Damit steht fest: Ja, Bachelor-Absolventen sind willkommen, aber offenbar besonders als Praktikanten. Im Film „Der ewige Praktikant“ bekommt im Übrigen soeben (während diese Zeilen in den intergalaktischen Reiseführer gemeißelt werden) der Hauptdarsteller mit 32 Jahren wieder nur ein Angebot als Praktikant: Ihm fehlt die Berufserfahrung, da er bisher nur als Praktikant gearbeitet hat.

Doch es gibt Hoffnung und diese öffnet sich wie ein riesiges rosarotes Wolkentor, in das man bei Glockenklang nur noch einzutreten braucht: In den 15 Unternehmen werden in großem Umfang Stellen für Abiturienten angeboten, auf denen man in einem Dualen Studiengang seinen Bachelor machen kann, und zwar – wieder Glockenklang – direkt in Verbindung mit dem Unternehmen. Also: Bereits mit 18 Jahren Einstieg in das Unternehmen, drei Jahre Bachelor (neben dem Beruf), gar nicht die Luft einer herkömmlichen Hochschule schnuppern, und dann steht der mehr oder weniger steilen Karriere in diesem Unternehmen nichts mehr im Wege.

Also: Man will eigentlich gar keine „fertigen“ Bachelor-Absolventen von Hochschulen. Zumindest die 15 Unternehmen wollen selber „ihre Bachelors“ ausbilden. Die Hochschulen wollen sie zu untergeordneten Weiterbildungsabteilungen der Konzerne degradieren: Denn die Qualifikation der Bachelor-Absolventen aus den Hochschulen langt aus ihrer Persoektive offensichtlich gerade noch als Basisqualifikation, um dann in ihre Praktika einzusteigen. Wenn Hochschulen und vor allem Universitätsprofessoren dabei nicht mitspielen, spielen die mächtigen Konzernlenker im Doppelpass mit BDA/BDI/FTD/CHE/HRK und vielen anderen mächtigen Institutionen und Medien ihre Macht aus – und sofort ist Ruhe im Karton.

Sicherlich gab es immer schon Berufsakademien für duale Studiengänge und auch das ist gut so. Jetzt versuchen Unternehmen aber offenbar flächendeckend, Fakten auch für alle anderen Hochschularten zu schaffen. Von diesen will man (wenn überhaupt) vor allem Informatiker und Techniker und Duracell-Häschen – aber nur solche, mit hoher Plastizität.

Dazu definiert der Reiseführer durch die Arbeitswelt wie üblich erhellend: „Unter Plastizität versteht man das (a) durch gezielte mechanische Entwicklung herbeigeführte Formänderungsvermögen von Menschen, das (b) von manchen Unternehmen geschätzt und das (c) vor allem dann instrumentalisiert wird, wenn Studierende gleich mit 18 Jahren über ein duales Studium in das Unternehmen kommen. Ersatzweise kann man (d) mündige und denkfähige Hochschulabsolventen über das Anketten an Dauerpraktikantenstellen mit einer etwas höheren Plastizität versehen.“

Vielleicht sollte einmal ein CentrumFürUnternehmensEvaluation die „Bachelor Welcome“-Unternehmen in ihrem Umgang mit Bachelor ganz gründlich unter die Lupe nehmen? War das vielleicht ein trojanisches Pferd? Gerade diese 15 Unternehmen haben immerhin den Bachelors aus den Hochschulen viel versprochen! Oder man sollte Studierende ermutigen, nach einem Bachelor sofort den Master zu machen? Oder ein Diplom suchen (auch wenn der oben zitierte umtriebige Personalvorstand dies ausschließt)? Oder vielleicht einfach weiter in den Fernseher schauen? Denn in der ARD hat inzwischen im Spielfilm der böse Konzernvorstand verloren und der Praktikant eine Stelle inklusive einem ihm zugeordneten Praktikanten bekommen. So gesehen gewinnt doch immer das Gute.

 

Bild zu: Von Bologna bis Troja-39: „Bachelor Welcome“ als Wundertüte?
(Foto: cts)

PS Irgendwie liegt Douglas Adams mit seinem Reiseführer „Per Anhalter durch die Galaxis“ doch immer wieder vollkommen richtig: „Eines der Hauptprobleme – denn es gibt mehrere – beim Regieren von Leuten ist die Frage, von wem man sich das gefallen lässt. Oder vielmehr, wie man es schafft, die Leute soweit zu kriegen, dass sie sich‘s gefallen lassen.“

 

www.per-anhalter-durch-die-arbeitswelt.de

 

 


4 Lesermeinungen

  1. Komisch: Ich habe wie die...
    Komisch: Ich habe wie die Kommilitonen meines Abschluss-Jahrgangs 2007 den Bachelorabschluss einer saarländischen Fachhochschule in der Tasche – und bin weder frustriert, noch Praktikant, geschweige denn arbeitslos. Das Bashing der Unternehmen geht an der Realität vorbei; wer gut ist, kommt jetzt schneller voran, wer nicht so gut ist, hat weiterhin Probleme. So what? Klar haben eine Reihe meiner Ex-Mitstudenten erstmal noch einen Master draufgesattelt, um ihre Chance weiter zu verbessern. Aber genügend (schätzungsweise 50%) sind direkt in die Arbeitswelt eingestiegen. Ich kann jetzt nur für mich sprechen – aber mit einer nicht überragenden Abschlussnote nach dreieinhalb Jahren Berufserfahrung runde 60k Euro im Jahr zu verdienen, klingt in meinen Ohren jetzt nicht wirklich nach Versagen. Es kommt halt – wie bei Fanta – darauf an, was wir daraus machen. Rumnörgeln hilft nix.

  2. @R.Stober
    Danke für Ihr...

    @R.Stober
    Danke für Ihr Feedback. Wie Sie vielleicht wissen, habe ich auch seit fast 10 Jahren gegen die unglückliche Umsetzung der Bologna-Vision in Deutschland argumentiert. Zu heute: Es gibt relativ viele, die zunehmend skeptisch sind – und das ist die gute Nachricht, denn das könnte tatsächlich zu einem neuen Anlauf führen.
    Nur leider – und das ist die schlechte Nachricht – ist die Gruppe derjenigen, die an “ihrer” Bologna-Interpretation mit dem forcierten Bachelor festhalten, zwar nicht groß, aber sehr sehr gut organisiert und vernetzt.
    Aber vielleicht finden sich ja doch noch einige, die den Sprung auf eine verbesserte Bologna-Ebene wagen …

  3. Als die berühmt-berüchtigte...
    Als die berühmt-berüchtigte Bologna Reform des (hier nur gemeinten) natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiums in Kraft gesetzt werden sollte, habe ich als damaliger Leiter einer sehr grossen F+E Einheit in einem (damaligen) Dax-Konzern (heute firmierend als Evonik Degussa GmbH) heftig dagegen opponiert – leider erfolglos. Als international (vor allem USA) erfahrener “Executive” habe ich besonders auf den hohen Stellenwert und die hohe Anerkennung des deutschen Dr.-Ing., Dipl.-Ing. bei den Ingenieuren und Dr.rer.nat. bei Chemikern und Physikern im Ausland hingewiesen. Auch das haben sowohl die Chemieindustrie als auch gerade die in diesen Fächern führenden deutschen Hochschulen (mit Unterstützung durch die Politik) ignoriert. Erst jetzt kommen wieder 9 naturwissenschaftlich-technische Hochschulen (unter neuer Leitung) auf die Idee, diese Fehlentwicklung rückgängig machen zu wollen. Hoffentlich nicht ganz zu spät. Meine Vorhersage, dass ein Bachelor in Chemie z.B. nichts weiter ist als ein “besserer Laborant” und dementsprechend auch eingestellt bzw. bezahlt wird, hat sich bewahrheitet und zu viel Frustration bei den “Bachelor Hochschulabsolventen” geführt. Bologna war und ist ein Verrat an unseren jungen Studenten, denen etwas vorgegaukelt wird, was nachher nicht eintritt. Ohne den “Dr.” geht in der Chemieindustrie keine große Karriere, weder für den Chemiker, noch für den Ingenieur. Be meinen Gesprächen mit amerikanischen Firmen hat man nur mit Unverständnis über diese Studienreform reagiert. Zudem erkennen die angelsächsischen Länder den EU-Bachelor gar nicht an!
    Vielleicht gibt es ja wieder einen neuen Anlauf nicht nur auf universitärer, sondern auch auf industrieller Seite. Ich kann als Pensionär nur noch die Studenten beraten, wenn sie mich fragen.
    R. Stober
    reinhard.stober@gmx.de

  4. Früher saß in den...
    Früher saß in den Maschinenbauvorlesungen ein wanderder Schmiedesohn als Gasthörer. Aus Nordsteimke. Es endet mit 39: A39.

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