Doch zunächst einmal ganz langsam und gemütlich – denn bei diesem Regenwetter hat auch der Berichterstatter ausreichend Zeit und kann ganz ordentlich mit einer Definition beginnen.
Der Reiseführer „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“ definiert wie folgt: „Die HiPo-Bindungsfrage ist (1) die Frage danach, wie man High Potentials an das Unternehmen binden kann. Sie ist aber (2) ein dreifacher Denkfehler, bei dem man (3) wie bei dem aus dem Eiskunstlauf bekannten dreifachen Rittberger wieder so landet, wie man losgesprungen ist.“
Natürlich deutet die HiPo-Bindungsfrage auf ein wirklich brennendes Problem hin. Denn die Bindungsbereitschaft der Mitarbeiter hat ein historisches Tief erreicht. Diesen Befund bestätigen so ziemlich alle vorliegenden Studien. Gleichzeitig hat der Bedarf an Fach- sowie Führungskräften ein historisches Hoch erreicht. Aber: Bereits in dieser Frage stecken drei weitverbreitete Fehler. Deshalb macht es natürlich umso mehr Spaß macht, sie zu beantworten.
Antwort #1 für Personalmanager: Streichen Sie das Wort „High Potential“ aus Ihrem Wortschatz!
Das ist ein radikaler Vorschlag, denn gerade „High Potential“ ist eine Lieblingsvokabel jedes aktionistischen Talent Managements. Trotzdem stört der Fokus auf „High Potentials“. Wer ist das? Wie erkenne ich sie? Brauche ich sie wirklich? Fragen über Fragen! Manche Praktiker und vor allem ihre gut an High Potentials verdienenden Personalberater tanzen um High Potentials herum wie um das goldene Kalb: Da gibt es in größeren Unternehmen den Goldfischteich, in kleineren den Führungsnachwuchskreis. Beide sind gleich problematisch, denn bereits mit der sichtbaren Auserwählung werden Erwartungen geweckt und gleichzeitig enttäuscht. Zudem mutieren Goldfische nicht selten zu fetten und faulen Weihnachtskarpfen. Vor allem aber: Die meiste Arbeit in Unternehmen wird von normalen Menschen gemacht und nicht von High Potentials.
Antwort #2 für Personalmanager: Lösen Sie sich von Unternehmensgrenzen!
In der HiPo-Bindungsfrage stört aber nicht nur der Ausdruck „High Potential“ – auch der Bezug zu „Unternehmen“ stört. Aus der Forschung ist bekannt, dass sich heutzutage kaum jemand mehr mit einem Unternehmen identifiziert, sieht man von Ausnahmen wie Apple, Audi, Google und Red Bull ab. Dieser Trend wird sich in der Arbeitswelt der Zukunft verstärken: Bezugsbasis für Identifikation ist allenfalls das Team samt unmittelbarer Führungsperson – also eine Einheit mit maximal 50 Personen. Das Unternehmen wird nur in ganz seltenen Ausnahmen als Identifikationsbasis herhalten können.
Antwort #3 für Personalmanager: Streichen Sie das Wort „binden“ aus Ihrem Wortschatz!
Was wirklich nur die eingefleischten Experten aus der alternativen Denkwelt dieses Reiseführers in der HiPo-Bindungsfrage erkennen können, ist die Problematik des Ausdrucks „binden“. Abseits jeglicher Wortklauberei: „Binden“ bedeutet, jemanden am Weglaufen zu hindern, der eigentlich unbedingt weglaufen will – sonst bräuchte man diese Person ja nicht zu binden. In ihrem krampfhaften Anbinde-Versuch denken Unternehmen über verpflichtende Arbeitsverträge nach (keine Chance!), über mehr Geld (wirkt nur kurzfristig und macht hungrig!) oder man spendiert Schulungsmaßnahmen, die man eigentlich nicht spendieren möchte (hier wandert der Lernerfolg gleich mit ab!). Alle diese „Bindungsmaßnahmen“ setzen also dummerweise erst dann an, wenn es den Wunsch zum Weglaufen bereits gibt.
Was aber ist zu tun?
Zunächst einmal gibt es einen Hinweis:
Ratschlag für Jobsuchende und Jobhopper: Machen Sie einen großen Bogen um alle Unternehmen, die in Interviews und auf den obligaten Kongressen über ihre Mitarbeiterbindungsprogramme sprechen. Diese Unternehmen wissen ganz genau, warum sie ihre Mitarbeiter eigentlich anbinden müssten.
Das klingt makaber. Aber wer kann sich an Programme von Apple zur „Mitarbeiterbindung“ erinnern? Wohl kaum einer – und wenn, dann bitte eine kurze Nachricht an den Autor dieses Reiseführers.
Was aber machen Firmen wie Apple, Audi, Google und Red Bull: Sie begeistern ihre Mitarbeiter für die jeweilige Aufgabe und können deshalb auf Bindungsprogramme verzichten.
Das wahre Zauberwort lautet also „begeistern“. Mitarbeiter – und auch die High Potentials, über die wir ja nicht mehr sprechen wollen – lassen sich durch Arbeitsinhalte, Verantwortung, Selbstbestimmung und durch eine positive Arbeitsatmosphäre begeistern. Denn gerade gute Mitarbeiter sind selbstbewusst-egoistisch: Sie wollen nicht irgendwie ihre Zeit absitzen. Auch bei einer niedrigen Bereitschaft, dauerhaft bei einem Unternehmen zu bleiben, kann also die Leistungsbereitschaft hoch sein – aber nur in einer fast schon persönlichen Beziehung zu einer kleinen Gruppe und zu einer entsprechenden Führungskraft.
Tipp für Personalmanager: Ersetzen Sie „dauerhaft binden“ durch „jeden Tag aufs neue begeistern“!
Aus diesem Grund sollten Sie weder die HiPo-Bindungsfrage stellen noch die Bindungsbereitschaft der Mitarbeiter messen. Denn sie ist gleich Null. Sie sollten aber messen, inwieweit durch Sinngebung und Aufgabenstrukturierung Begeisterung geweckt wurde. Das mag altmodisch klingen, ist aber genau das, was die neue Generation Y braucht, will und worüber dieser Reiseführer weiterhin viel schreiben wird.
P.S. Douglas Adams beschreibt etwas, was sich wie Begeisterung und ein fast schon vergessenes Gefühl anfühlt: „In grauer Vorzeit, in jenen großen und ruhmreichen Tagen des ehemaligen Galaktischen Imperiums war das gesamte Leben noch abenteuerlich, ereignisreich, also im großen und ganzen steuerfrei“, wobei er statt „steuerfrei“ in Wirklichkeit natürlich „bindungsfrei“ gemeint hat.
Lieber Herr Professor...
Lieber Herr Professor Scholz,
ich stimme Ihnen bei den meisten Punkten zu.
Meine Meinung ist aber, dass es auch High Potentials nicht schadet, sich neuen Herausforderungen zu stellen und einfach mal den Job zu wechseln und eine neue Sichtweise zu bekommen.
Auch Binsen lassen sich neu...
Auch Binsen lassen sich neu aufbereiten, verpacken und an den einen oder anderen Interessierten verkaufen. Die Personalberaterszene gehört ganz sicher dazu.
Wir veröffentlichen zwar bald...
Wir veröffentlichen zwar bald ein Buch zur Thematik Mitarbeiterbindung, aber Ihre Überlegungen sind in der Tat interessant. Besonders zutreffend ist Ihre Aussage: Alle diese „Bindungsmaßnahmen“ setzen also dummerweise erst dann an, wenn es den Wunsch zum Weglaufen bereits gibt. Mitarbeiterbindung beginnt bei der Rekrutierung, loyale Mitarbeiter zu gewinnen, die man gar nicht erst “anbinden” muss
Erneuter Versuch:...
Erneuter Versuch:
03.10.2011, 19:20 Uhr MEZ, +53 53748727
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Ich erweitere Strafanzeige § 303 StGB
VNr. ERS/1306108/2010 Polizei Frankfurt/Main
Dringender Verdacht. KARTELLBILDUNG!
Deutsche Telekom AG
vodafone/mannesmann Arcor
gezielte EINSCHÜCHTERUNGS/
MORDVERSUCHE Belastungszeugen!
Lieber Herr Professor...
Lieber Herr Professor Scholz,
In Punkt 1 stimme ich Ihnen zu, die Bezeichung HiPo würde ich nach wir vor eher lokal (also aufgaben- oder unternehmensspezifisch) ansiedeln. Ich gehe lediglich davon aus, dass einige der Charakteristika der GenY notwendig (nicht hinreichend) für ein HiPo sind.
Punkte 2 und 3 hängen sehr wesentlich davon ab, was unter einer Bindung verstanden wird. Suchen wir nach negativen Maßnahmen (“Wenn sie unser Unternehmen verlassen, dann…”) ist das sicherlich der falsche Weg. In diesem Fall wäre Fessel auch das bessere Wort als Bindung. Suchen wir nach positiven Maßnahmen (“Wenn Sie bei uns bleiben, dann …”) sind wir bei dem was Sie als Bindung definieren und für falsch halten. Auch hier stimme ich zu, denn die Anreize kommen zu spät. Gerade in der Schnittmenge der HiPos und der GenY (die m.E. den größten Teil der HiPos stellt) herrscht der von Ihnen beschriebene Opportunismus, der insbesondere dazu führt, dass Gelegenheiten wahrgenommen werden, die kurzfristig optimal und mittel- bis langfristig nicht negativ erscheinen. Konsequenterweise ist eine Bindung durch ein Versprechen in die Zukunft wirkungslos.
Was Sie jedoch als Begeisterung bezeichnen, ist für mich nichts anderes als Bindung. Insbesondere gehe ich davon aus, dass ein interessantes Projekt eine temporäre Unzufriedenheit des HiPos ausgleichen kann, dass also eine Art Vertrauensvorschuss existiert, der dann von der (zunächst) nur zeitlichen Zusammenarbeit durchaus zu einer institutionellen Loyalität hinführt.
Die Antwort der Firmen auf den Opportunismus sollte dementsprechend nicht der Darwinismus sein, sondern am Entstehungspunkt des Opportunismus ansetzen, d.h. eine Strategie, die dafür sorgt, dass die Mitarbeiter nicht jede Möglichkeit von außerhalb wahrnehmen, sondern Loyalität zeigen, d.h. sich an das Unternehmen gebunden fühlen.
Spieltheoretisch gibt es mindestens ein schönes Model, dass sich auf die Situation anwenden lässt, auf der Suche nach Gleichgewichten stellt man dabei überraschender Weise fest, dass solche i.A. nicht existieren – und falls sie existieren deutliche Vorteile für die sich gegenseitig substituierenden Spieler, hier also die Arbeitnehmer, bringen.
Beste Grüße,
dk
<p>Guten Morgen Herr...
Guten Morgen Herr Karos,
danke für das Feedback zum Blog. Zu „Definition“ vs. Aussage: Das könnte man sicherlich auch anders formulieren, was aber im Ergebnis nichts an den Punkten ändert, wo wir gar nicht soweit auseinander liegen. Trotzdem gibt es drei Aspekte, wo wir vielleicht die Logik anders sehen oder aber zumindest andere Schwerpunkte setzen:
(1) HiPo: Hier bin ich vielleicht noch mehr als Sie der Meinung, dass wir bereits mit dieser Kategorisierung sehr aufpassen müssen. Vor allem die Gleichsetzung von HiPo mit GenY ist problematisch. Richtiger wäre es, wenn hier Unternehmen in der Tat HiPo aufgabenspezifisch definieren und GenY als ein ganz bestimmtes (aber nicht durch das Geburtsjahr determiniertes) Wertemuster von Personen lokalisieren. Beides hat unmittelbare Konsequenzen für die Personalarbeit.
(2) Bindung an das Unternehmen: Das halte ich – auch wenn einige der Kommentarschreiber es offenbar anders sehen – als Ergebnis für vollkommen unrealistisch und damit als Aktivität für nicht effizient, und zwar egal, ob für HiPo oder GenY. Dies lässt sich auch eindeutig empirisch belegen, bedeutet aber, dass man alle eher oberflächlichen Kommunikationsmaßnahmen, die auf „Bindung an das Unternehmen“ streicht, aber auch entsprechende Kennzahlen nicht mehr verwendet.
(3) Begeisterung für faszinierende Projekte und Personen unter anderem durch Aufgabeninhalte, Aufgabengestaltung und persönliche Beziehung: Das ist der Schlüssel. Damit lösen wir uns aber vom Ziel „Bindung an das Unternehmen“ und bewegen uns in Richtung auf eine bewusst (zunächst) nur zeitlich begrenzte Zusammenarbeit ohne „institutionelle Loyalität.“ Das ist dann aber ein völlig anders Paradigma, nämlich ein Wechsel in den Vertragstypus „Darwiportunismus pur“.
Ansonsten ist natürlich für die (spieltheoretische) Forschung die Bewegung von (2) nach (3) bezogen auf ein verändertes Objekt (1) interessant, das jetzt kein „Objekt“ mehr ist, sondern sich zum Subjekt macht, das Unternehmen im eigenen Interesse als solches behandeln sollten.
mfGr cs
Sehr geehrter Herr Professor...
Sehr geehrter Herr Professor Scholz,
Zunächst mal bin ich überrascht, dass Sie als Freund formvollendeter Auftritte nicht zwischen einer Definition (“Die HiPo-Bindungsfrage ist…”) und einer Aussage über das definierte Objekt (“Sie ist […] ein […] Denkfehler…”) unterscheiden. Aber lassen wir dieses bei Seite.
Meines Erachtens beruht ihr gesamter Artikel auf der Bedeutung des Wortes Bindung. Sie heißen eine Begeisterung für ein Unternehmen gut und halten eine zu spät erfolgende (erzwungene) Bindung für falsch. Das macht Sinn. Und dennoch frage ich mich, warum Sie implizit davon ausgehen, dass eine Bindung so spät erfolgt. Was bedeutet denn “eine Bindung eingehen”? Eine Bindung geht derjenige ein, der sich für die Person oder das Unternehmen, an welche(s) er sich bindet, begeistert und erwartet, sich immer wieder aufs neue zu begeistern. Wenn Sie diese Bedeutung zugrunde legen, so muss Ihren Ausführungen zufolge (denen ich durchaus zustimme) eine Bindung an das Unternehmen erfolgen – und zwar bereits im Bewerbungsgespräch. Im Wesentlichen lässt sich nun jedoch der gesamte Inhalt des zweiten Teils auf eine einfache Formel reduzieren, die durchaus nicht neu ist: “Reisende hält man nicht auf.”
Wir stimmen also überein, dass (1.) Mitarbeiter für das Unternehmen begeistert werden müssen, und (2.) Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen wollen, nicht aufgehalten werden.
Kommen wir nun zum ersten Teil: Wer ist nun ein HiPo? Genau diese Frage lässt sich über den neuen Ansatzpunkt umformulieren: Wer ist nicht nur in der Lage sich begeistern zu lassen, sondern auch in der Lage zu begeistern? (Die implizite Annahme ist, dass die Fähigkeit, andere für die eigene Firma zu begeistern sehr stark zu den Kompetenzen im Beruf korreliert ist. Dies darf natürlich in Frage gestellt werden. Im Wesentlichen führt diese Frage jedoch zur Definition der Generation Y.) Insbesondere impliziert der Ansatz das ein HiPo nicht HiPo per se ist, sondern nur innerhalb einer geeigneten Arbeitsumwelt (also nur lokal, wenngleich die Anzahl der Unternehmen, in denen eine bestimmte Person sich zum HiPo entwickelt, unterschiedlich hoch, ggf. auch null, sein kann).
Zwei Punkte wurden nun erläutert. (1.) Es gibt High-Potentials, (2.) Mitarbeiter müssen für das Unternehmen begeistert werden. Die HiPo-Bindungsfrage führt nun im Kreise (da stimme ich Ihnen wieder zu, auch wenn ich den Kreis in Ihren Ausführungen leider nicht erkannt habe): Werden Mitarbeiter für das Unternehmen begeistert, so kristallisieren sich (lokale) HiPos von selber heraus – und die Bindung an (=Begeisterung für) das Unternehmen ist bereits erfolgt.
Die Schlussfolgerung ist also: Binden Sie Ihre Mitarbeiter an Ihr Unternehmen, indem Sie sie begeistern und beobachten Sie, welche HiPos sich entwickeln. Diese werden danach nicht mehr gebunden werden müssen.
Hochachtungsvoll,
Dominik Karos
Ziemlich relevante...
Ziemlich relevante Beobachtungen. Leute kann man einfach nicht anbinden…Gruss!
Ach Gottchen. Viel Lärm um...
Ach Gottchen. Viel Lärm um nix. Und damit ein typisches BWLer-Bläschen. Schon allein das Wörtchen high potential ist entlarvend genug. Vielleicht übersetzt man das zunächst ins Muttersprachliche, damit jenseits des Gefühls, was da gemeint sein könnte, jenseits der Ahnung, jenseits des tendenziellen Wissens, tatsächlich etwas Handfestes steht für alles Weitere? Und dann das als Tipp getarnte Fazit! ‘Binden Sie nicht! Begeistern Sie!’ Ist dieser aus der Küchenpsychologie eines Frauenblättchens entnommene Sinnsprüchlein, welches auch der Eheberatung aller Ehren wert wäre, wirklich der Kerngedanke? Und wenn ja, warum steht der nicht ganz oben? Dann hätte man sich die vielen Zeilen Vergeblichkeit und nutzloses Drumherumgeschleiche sparen können.
Am Ende sind es doch die...
Am Ende sind es doch die spannenden Aufgabengebiete, die einen Mitarbeiter begeistern. Wenn man seine Ideen einbringen und sich selbst verwirklichen kann, gibt es auch keinen Grund zu wechseln.