Das ist es wieder, das L-word. L für „life”, Leben, genauer Leben im All – in diesem Fall auf dem Mars. Was könnte den Status der Biologie als neuer Leitwissenschaft besser belegen als die Tatsache, dass jeder noch so kleine Hinweis, der rote Planet könnte vielleicht – irgendwo oder irgendeinmal – mikrobiologisch aktiv gewesen sein, höhere Wellen schlägt als alle bunten Nebel und jedes Schwarze Loch. Konsequenter Weise, so hat die geneigte Öffentlichkeit jedenfalls zuweilen den Eindruck, scheint man den Mars heute aus keinem anderen Grund mehr erforschen zu wollen als dem, Leben zu finden.
Immerhin, selten konnte das Lied vom große L mit soviel Recht angestimmt werden, wie bei der Nasa-Pressekonferenz, die am Donnerstagabend zu verfolgen war. Anlaß war ein soeben erschienener Science-Artikel des amerikanischen Astrophysikers Mike Mumma und seiner Kollegen. In der Marsforscherzunft ist ihre Entdeckung allerdings schon seit Jahren bekannt und sorgt für Aufregung: Mumma und Kollegen hatten Anfang 2003 eine Wolke des Gases Methan auf dem Mars registriert – als sie 2006 noch mal hinschauten, war sie wieder weg. Das unter den chemischen Bedingungen der Marsatmosphäre kurzlebige Gas muß mit einer Rate von 600 Gramm pro Sekunde aus drei Stellen einer Region am Marsäquator gequollen sein. Methan aber ist der Hauptbestandteil genau jenen Stoffes, um den es in letzter Zeit soviel Zoff zwischen Russland und der Ukraine gab. Auf der Erde entsteht es fast nur durch die Aktivität von Lebewesen.
Ob das auf dem Mars auch so war, ist damit keineswegs klar. Es gibt auch geochemische, im erweiterten Sinne vulkanische Prozesse, die Methan erzeugen. Und in einer der Quellregionen auf dem Mars, eine Formation namens Nili Fossae, hatte eine Raumsonde erst kürzlich Carbonatvorkommen gesichtet, die bei solch einem Prozeß gebildet worden sein müssen. Allerdings funktioniert auch diese anorganische Methanbildung nur mit flüssigem Wasser, das auf der heutigen Marsoberfläche nicht existieren kann. Also endlich der ersehnte Beweis dafür, dass vulkanische Wärme es heute dort wenigstens noch plätschern läßt?
Nein, in der Wissenschaft wird nichts bewiesen. Es werden nur Beobachtungen gesammelt und zu Hinweisen interpretiert. Erst wenn man keine andere Möglichkeit sieht, wird – frei nach einem Wort des Philosophen Ludwig Wittgenstein – durch Anerkennung solcher Hinweise Wissen begründet. Aber andere Möglichkeiten bleiben auch hier: das Mars-Methan kann vor Jahrmilliarden gebildet worden sein, als der Planet ausweislich seiner Erosionsspuren an der Oberfläche feuchter war als heute und auch vulkanischer. Mag sein, dass sich da, ganz ohne eine einzige Mikrobe, riesige Gasfelder gebildet haben, die nun durch Spalten entweichen, welche im Rhythmus der Jahreszeiten mal mit Eis verschlossen sind, mal nicht.
Das klingt an den Haaren herbeigezogen, aber nur aus Sicht von uns Erdlingen, in deren Welt jeder Ritze von Bakterien besiedelt ist. Trotzdem dürfte Dank Mumma (und europäischen Forschern, die mit der Sonde Mars Express den Methanfund qualitativ bestätigt haben) jetzt mehr Leute an Leben auf dem Mars glauben als je zuvor. Das fördert aber vielleicht auch die Lust der Menschheit, endlich einmal leibhaftige Vertreter ihrer Species zum Mars zu schicken und sich die Sache genauer anzusehen. Ist ja auch ganz schön dort, wie uns die beiden Mars-Rover in den vergangenen fünf Jahren gezeigt haben. Wenn’s uns allerdings zu gut gefällt, dann haben die Marsmikroben vielleicht eines Tages ihr letztes Methanwölkchen abgelassen. Warum, das kann übrigens, wer möchte, in der kommenden Ausgabe der Sonntagszeitung nachlesen.
Das L-Wort? Wir sollten uns...
Das L-Wort? Wir sollten uns vielleicht erstmal genauer mit dem C-Wort befassen:
https://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/abgefischt/chemie/2009-01-19/mars-methan-und-das-c-wort
(das hier ist ein Trackback)
Da furzen wohl die Marskühe...
Da furzen wohl die Marskühe ungehemmt herum…
Und dann kommt der kuhgemachte Klimawechsel…