Auf der Website, auf die der erste Kommentar zum vorangegangenen Eintrag „Erdgas auf dem Mars” verlinkt, wird eine Bemerkung gemacht, die man so nicht stehen lassen kann. Es geht um die Frage, wer denn nun das Methan auf dem Mars als erster entdeckt hat: Mike Mumma vom Goddard Space Flight Center der Nasa sagt, er und seine Leute hätten das Signal 2003 als erste gehabt – und ich bin sehr entschieden geneigt, ihm zu glauben.
Tatsächlich war es so: Außer Mumma et al. am Keck Observatory gab es noch zwei andere Gruppen, die hinter dem Marsmethan her waren – nicht nur Vittorio Formisano mit Mars Express, sondern auch Mummas früherer Mitarbeiter Wladimir Krasnopolsky am Canada-France-Hawaii- Telescope. Das europäische Team war in der Tat das letzte der drei, die ihre Methan-Detektion veröffentlicht haben: am 28. Oktober 2004 online in Science (306, 1758). Zuvor, am 20. August 2003 hatten Kransopolsky et al. ihre Resultate online in dem Fachjournal „Icarus” veröffentlicht.
Doch da waren Mummas Resultate schon lange in der Welt.
Denn erstens habe ich selbst auf einer Tagung Mitte Juli 2004 in Reykjavik Mumma über seine Ergebnisse referieren hören – und auch mit ihm darüber gesprochen. Daß auf dem Mars aus lokaler Quelle Methan entströmt, das war für Mumma damals definitiv. Es kann überhaupt keine Rede davon sein, er habe seinen Daten nicht getraut und sei erst später, nachdem Mars Express auch Methan gesehen hatte, als Entdecker aufgetreten.
Zweitens zitieren Formasiano et al, in ihrem oben genannten, am 21 Juni 2004 eingereichten Science-Artikel ausdrücklich die Teams von Kransopolsky und Mumma: „recently two ground-based detections of methane were reported”. Bei Mumma gibt die Referenz dann einen Beitrag auf der 35. Tagung der Division for Planetary Sciences der AAS, Anfang September 2003 in Monterrey CA an. Die Ankündigung von Mummas damaligem Vortrag sagt nur, dass er nach Methan gesucht habe und die Ergebnisse präsentieren wolle. Wie sie ausgefallen sind, sagt er noch nicht, was aber nicht verwundert; beim Zeitpunkt der Anmeldung zur Konferenz wird er an der Datenauswertung gesessen haben. Das Kransopolsky-Team berichtete über seine Daten zuerst im April 2004 auf einer Tagung in Nizza.
Es gab damals sicher einen Wettlauf (und die Gefahr eines Prioritätenstreits) zwischen Mumma und Kransopolsky. Aber ganz bestimmt konnten Formisano et al., zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf die erste Detektion anmelden. Und tatsächlich haben sie diesen Anspruch meines Wissens auch nie erhoben. Denn ihre Messungen mit Mars Express fanden erst im Januar-Februar und im Mai 2004 statt. Nach Lage der Dinge hatten Mumma et al. als erste ein vorzeigbares Signal – und haben auch als erste darüber berichtet. Daß es noch nicht in einem peer-reviewed Journal war, ist unerheblich, denn ihre Beobachtung, dass es Methan in der Marsatmosphäre gibt, wurde durch die beiden anderen Teams bestätigt. Im vorangegangenen Blogeintrag habe ich geschrieben „qualitativ bestätigt”, weil die Aussagen darüber wo, ob und wenn ja mit welchem zeitlichem Rhythmus das Methan ausgetreten ist sich bei Mumma (im aktuellen Science Artikel) und Formisano (in einem ihrer letzten paper in „Planetary and Space Science) erheblich unterscheiden. Mumma sieht eine Schwankung entlang der Breitengrade, Formisano sieht sie nicht. Mumma sieht eine Quellregion (um Syrtis Major), Formisano hat Hinweise auf eine weitere auf der Länge von Xanthe Terra und Argyre. Allerdings sind die Instrumente und Analysemethoden zu verschieden, um zu sagen, wer nun besser gemessen hat und wessen quantitativen Aussagen man eher glauben darf – zumal Formasino et al. ein volles Erdenjahr nach Mumma gemessen haben! Umso gespannter darf man auf die fortgesetzten Messungen mit Mars Express sein, und weitere Ergebnisse, über die Mumma bei der Nasa-Pressekonferenz am Donnerstag Andeutungen gemacht hat.
Das ist, egal ob Marsmikrobe oder nicht, eine spannende Entdeckung – wenn auch eine mit einer komplizierteren Historie als so ein Science-Paper-Presserummel glauben macht. Es ist aber ganz bestimmt kein Fall von „böse Nasa-Forscher will nicht zugeben, dass eigentlich die Europäer die ersten waren.” Allerdings: Mike Meyer von der Nasa hätte am Donnerstag seine Erwähnung der Mars-Express-Daten tatsächlich etwas prominenter platzieren können. Aber die ESA und die europäischen Marsforscher, die mit Mars Express, ihrer allerersten Marssonde so einen durchschlagenden Erfolg haben (Beagle-2 mal nicht gezählt), während die Nasa schon einige Marsprojekte vergeigt hat, kann darauf so stolz sein, dass sie die PR-Künste der Nasa wirklich nicht zu ärgern brauchen – und auch nicht, wenn die Kollegen von der Nasa wirklich mal die ersten waren.
Bedenklich nur, dass das mit...
Bedenklich nur, dass das mit dem plötzlich so aktuellen Methan auf Mars kein Einzelfall ist und seit Jahrzehnten beliebtes Strickmuster für Falschmeldungen in Europa.
Bruno Stanek