Noch gibt es kein offizielles Statement aus dem Bundesumweltministerium, doch schon die neuerliche Kommentierung des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts zum Algendüngungsexperiments im Südpolarmeer lässt ahnen, dass man die Vorwürfe aus Berlin ernst nimmt. Die da lauten: Die drei nachgereichten Gutachten zur Rechtmäßigkeit des Experimentes LOHAFEX seien null und nichtig, meint jedenfalls das BMU, weil die Forscher auf der „Polarstern” für das Ausbringen des Eisendüngers einen Ozeanwirbel knapp 630 Kilometer östlich des vor Fahrtantritt angekündigten Versuchsradius ausgewählt haben. Das Experiment soll also „illegal” sein. Eigentlich muss man aus Sicht des BMU ja sagen: Noch illegaler (gibt es juristisch eine Steiergung von illegal, vielleicht doppelt illegal?), denn das Ministerium hatte ja schon den „Freispurch” der unabhängigen Gutachterinstitute nicht akzeptiert und sie der Falschauslegung der einschlägigen Vorschriften, insbesondere des in Bonn vereinbarten „De-facto-Moratoriums”-Beschlusses der Biodiversitäts-Konventionsparteien, bezichtigt.
Mit der kurzfristigen Verlegung des Feldversuches hat sich die Crew auf der Polarstern also angeblich doppelt schuldig gemacht. Nun wird darum gestritten, ob „Küstennähe” ´(wie in der CBD-Klausel geschrieben steht) wohl geographisch zu definieren ist (Angaben über Entfernungen fehlen allerdings völlig) oder durch das Vorhandensein von küstentypischen Plancktonarten (die Auslegung der Wissenschaftler). Ein Streit, der offensichtlich gar nicht zu lösen ist, weil diese Frage vorher weder in den CBD-Verhandlungen behandelt wurde (sonst würde wohl im Text der Klausel ein Hinweis oder eine Konkretisierung auftauchen) noch im Vorfeld der Eisendüngungsexperimente entschieden wurde.
Was also bleibt, ist mal wieder die Frage nach der moralischen Schuld. Und die Frage: Musste die Verlegung jetzt wirklich sein?
Wer daraufhin die Begründung des AWI liest (oder mal bei den Forschern nachfragt), der kann ganz leicht einsehen, dass es bei der Entscheidung zur Verlegung des Versuchsortes schlicht um das Gelingen oder Scheitern des ganzen Experimentes ging. Hätte man es bei dem ausgewählten Gebiet belassen und die ungünstigen Strömungsverhältnisse in Kauf genommen, wäre die ganze Aussagekraft dieses Versuches infrage gestellt und der Sinn des Experimentes dann allerdings wirklich infrage gestellt. Wenn man als – auch im Sinne des Klimaschutzes – endlich Klarheit über Sinn oder Unsinn solcher Eisendüngungsexperimente haben will, muss doch jedem ersnthaften Zeitgenossen an einem seriösen Experiment und einem ebensolchen Resultat gelegen sein.
Die Polarstern-Crew hatte praktischerweise also gar keine andere Wahl, als auf die Schnelle auf ein geeignetes Versuchsgebiet auszuweichen. Das hier ist Feldforschung und kein Abarbeiten eines Laborprotokolls im sterilen Hochsicherheitslabor. Und nimmt man wie die Umweltgruppen auch noch an, dass möglichst wenig von dem Eisensulfalt überhaupt etwas im Meer zu suchen hat, dann ist die kurzfristige Auswahl eines stabilen Wirbels ein paar hundert Kilometer östlich auch noch deshalb die bessere Lösung, weil das „kontaminierte” Gebiet damit stärker eingegrenzt wird.
Aber es gilt das alte Lied: Überzeugung geht manchen vor Vernunft. Recht haben muss nicht sein, Hauptsache Recht bekommen. Irgendwie.