Planckton

Planckton

Die Wissenschaft ist ein ernstes Geschäft, aber gehört ihr deshalb das letzte Wort?

"Nature" sucht Blogger: Seid doch so frei!

  Notgedrungen oder vor allem Kalkül? Gleich wie, es sind jedenfalls ungewohnte und für viele  auch ungeahnte Freiheiten, die  das...

 

Notgedrungen oder vor allem Kalkül? Gleich wie, es sind jedenfalls ungewohnte und für viele  auch ungeahnte Freiheiten, die  das hochrespektierte Wissenschaftsmagazin „Nature” aus London da plötzlich offeriert.

 

Im Editorial des aktuellen Hauptblatts werden Wissenschaftler geradezu aufgefordert, sich endlich auch in der Blogosphäre zu engagieren (It’s good to blog”). Und zwar auch – oder gerade – solche, die  mit dem Gedanken spielen oder die ersten Schritte eingeleitet haben, in einem der hochrangigen „Nature”-Journale zu publizieren.  Von wegen Maulkorb!

  Bild zu: "Nature" sucht Blogger: Seid doch so frei!

 Es kommt aber noch besser. Denn die Freigabe gilt ganz offensichtlich auch für den Befund, die eigentliche News, die in „Nature” veröffentlicht werden soll und als Manuskript beim zuständigen Redakteur liegt – mit einer Ausnahme: Der Autor darf nicht aktiv Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Aber er darf sehr wohl in Diskussionen eingreifen, auf Journalistenfragen antworten und sein kleines oder großes „Geheimnis” auf Konferenzen preisgeben und anschließend diskutieren.

  • “So if Nature journalists or those from any other publication should hear results presented at a meeting, or find them on a preprint server, the findings are fair game for coverage – even if that coverage is ahead of the paper’s publication. This is not considered a breaking of Nature‘s embargo.”

 Und weiter:

  • “Authors of papers in press have the right to correct misrepresentations and to point to results that will appear in a paper. But a full discussion should await the paper’s publication.”

Nun haben wir ja in der Debatte um Stammzellforscher Schölers vermeintliche „Maulkorb”-Aktion auf dem Berliner Weltgenetikkongreß ja gelernt, dass die Statuten der großen Journale durchaus schon Freiheiten (und mehr als viele Wissenschaftler selbst vermuten) zulassen, jedenfalls was die Präsentation und anschließende Diskussion noch unpublizierter Daten auf Konferenzen angeht. Das ist auch noch mal in dem Editorial klargestellt worden.

 

Aber darum kann es „Nature”  ja nun nicht mehr allein gehen. Hier will man offenbar eine von der Sorge um die Publikationswürdigkeit ihrer Arbeit getriebene Forschergemeinde regelrecht enthemmen. Sehr her, wir haben nicht nur Embargos, wir haben auch unseren ganz speziellen Open Access. Wahrscheinlich hat man bei “Nature” in den eigenen Blogs, die ja nun in den vergangenen Monaten stark ausgebaut worden sind, feststellen müssen, dass sich potentielle Nature-Autoren wegen dieser Ablehnungsängste zieren, in aktuelle Debatten einzugreifen.  Das kann ja durchaus zu urkomischen Effekten führen, wenn um Würstchenfüllungen gestritten wird, ohne den Metzger fragen zu dürfen.

 

Zudem darf man den Multiplikatoreffekt für Nature nicht vergessen. Wissenschaftliche Highlights, die in der Gerüchteküche unterwegs sind oder darüber hinaus und auf dieser Halb- bis Dreiviertel-Ergebnisebene köcheln, werden umso sehnsüchtiger erwartet.

 

Was nicht das schlechteste Ergebnisse wäre: Ohne die psychologischen  Fesseln könnte es jetzt – noch – bunter werden in der Blogosphäre. In vieler Hinsicht. Zum Beispiel auch im Hinblick auf die brisante Frage der Erstveröffentlichungen. Nature-Autoren oder solche, die dort anstehen, können munter im Netz ihre Durchbrüche „vorfeiern” – und so Ansprüche anmelden. Das macht „Nature” als Publikationsplattform natürlich auch attraktiver.

 

Was aber nicht vergessen werden darf, aus Publikumssicht (und damit auch journalistischer Sicht). Wenn der Aufruf zum fleißigen Bloggen wirkt, hat es halbgares oder pseudowissenschaftliches Gegröle im Netz hoffentlich schwerer in den einschlägigen Foren, es ist dann nämlich hoffentlich mehr Kompetenz unterwegs im Netz.  

Nur eines darf dabei nicht vergessen werden: Wer bloggt, forscht in dem Moment nicht.

Wer also über Formulierungen brütet (was Forschungsträge schon genug abverlangen), der brütet möglicherweise weniger über seiner eigentlichen Arbeit. Ob der Aufruf also die Spitzenleute aufzurütteln vermag?