So kennen wir ihn, so habe ich den Römer Redproduktionsarzt Severino Antinori vor ziemlich genau acht Jahren im kleinen Hörsaal der römischen Uniklinik „La Sapienza” an der Seite seines damals noch befreundeten Klonkriegers Zavos erlebt: Als Maulhelden, Aufschneider und Möchtegern-Idol der internationalen Klon- und Fertilitätsszene.
Jetzt hat Antinori also offenbar dem italienischen Wochenmagazin „Oggi”, von dem ich leider nicht einschätzen kann, wie seriös man dort mit diesen Themen umgeht, ein neues Klonmärchen aufgetischt. Und die Agentur AFP hat sich heute Abend fahrlässigerweise an die Verbreitung des elenden Gebabbels gemacht, das der berüchtigte „Geburtshelfer der Omas” nun wieder verzapft hat. (Pardon, aber ich finde, man darf die üble Schwadronade sprachlich nicht schöner kleiden als sie ist.) In Osteuropa lebten angeblich drei gesunde Klonkinder, zwei neunjährige Jungen und ein ebenso altes Mädchen, die er selbst im Reagenzglas erzeugt haben will.
„Aus Rücksicht auf das Privatleben der Familie” wolle er keine näheren Angaben machen, sagte angeblich Antinori.
Vorhang auf: Antinori-Freund Zavos im Römer Klontempel im März 2001. Foto Wolfgang Eilmes
Es ist die alte Masche. Geheimnisvoll tun und die Lügen schön in Andeutungen verpacken, irgendwer wird es schon abnehmen.
Natürlich lautet die erste Frage für jeden, der nichts Näheres über die ausnahmslosen Klonreinfälle und Schwierigkeiten der vergangenen Jahre weiß: Wäre es denn grundsätzlich möglich? Und zweitens: Warum kommt er jetzt wieder damit heraus?
Zur ersten Frage und zum Technischen: Nach menschlichem Ermessen und den ernsthaften Experimenten zum therapeutischen Klonen in viel seriöseren Labors als Antinoris Privatklinik ist es nahezu ausgeschlossen, dass mit dem Dolly-Klonen drei gesunde Kinder auf die Welt kommen. Vielleicht hat er ja wie seinerzeit Jerry Hall Klone durch Embryo-Splitting im Reagenzglas erzeugt, dann hätte er reproduktionsbiologisch zumindest nichts Falsches gesagt.
Aber er hätte das sicher erwähnt, denn Antinori ist nichts wichtiger als in die Geschichtsbücher der Medizin einzugehen. Anfang März 2001, als er seine vermeintlichen Menschenklonversuche mit Zavos ankündigte, hatte er akribisch all seine fragwürdigen reproduktionsmedizinischen Meilensteine aufgelistet und sie sorgfältig in die moderne Historie der Heilkunde eingebettet. Das wissenschaftliche Denkmal hat allerhöchste Priorität. Aber natürlich wird er das nicht bekommen. Nicht einmal von den dubiosesten Vertretern und Trittbrettfahrern seiner Zunft, die es übrigens über den gesamten Globus verstreut durchaus in erklecklicher Zahl gibt. Immer mal wieder finden sich diese Geisterfahrer des biomedizinischen Fortschritts auf Konferenzen zusammen, habe manche erlebt.
Wie auch immer, die Frage ist jedenfalls auch offen, ob es von der Chronologie her zumindest theoretisch möglich ist, dass Antinori die Neunjährigen geklont hat. Richtig gerechnet müsste er die Kinder – angenommen sie sind jetzt im März neun geworden – im Sommer 1999 „hergestellt” haben. Zur Erinnerung: Das Klonschaf „Dolly” war im Juli 96 geboren worden, seine Existenz und die Methode des Kerntransfers aus Körperzellen in entkernte Eizellen im Februrar 1997 mit einem „Nature”-Artikel bekannt geworden. Theoretisch hätte Antinori also Zeit gehabt.
Aber eben nur theoretisch, denn bis weitere Klonexperimente an anderen Tieren glückten und zumindest für ein paar Spezialisten zur Routine wurden, sind Jahre ins Land gegangen. Zudem war schnell klar, dass es sich beim Dolly-Klonen durch Kerntransplantation um eine Art Kunsthandwerk mit dem Mikromanipulator handelt (und bis heute geblieben ist). Die Klone lassen sich nicht mal schnell aus dem Handgelenk schütteln. (Wenngleich Antinoris Tageswerk als Reproduktionsarzt ihn zumindest mit dem nötigen Feingefühl ausgestattet haben dürfte).
Was aber vielleicht noch viel wichtiger ist für die Einordnung des neuen Klonmärchens: Die geradezu abenteuerliche Lügenchronik. Am 9. Mai 2002 hat Antinori zu Protokoll gegeben, dass „in den nächsten Monaten mehrere Klon-Babys” zur Welt kommen würden. Die eingeleiteten Schwangerschaften mit den Klonen befänden sich in der „siebten bis elften Schwangerschaftswoche”. Ergo. Die Klonkinder, die, falls es sie gäbe, frühestens im Februar 2002 erzeugt worden wären, könnten heute kaum älter als sechs Jahre sein.
Dass also unter diesen Umständen und ohne jeden Beleg der vermeintlichen Klonkunst des Italieners immer noch redaktioneller Raum für den Wahn und die Fiktionen des Wichtigtuers gewährt wird, und dass dann auch noch Agenturen den Stoff willfährig und unkommentiert unters Volk zu bringen bereit sind, das tut schon weh.
Fehlt nur noch, dass demnächst Raels Ufosekte die nun fast schon provozierte Mitteilung versenden, ihr vermeintliches Klonmädchen Eva habe inzwischen den Mars erreicht. Wasser soll es da ja schließlich auch geben, wie wir seit kurzem auch noch zu wissen meinen sollten. Passt doch alles zusammen. Einer wird die “Pioniertat” schon ausplaudern. Und das Internet hilft den Geschichtemachern. Es vergisst nicht.
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