Planckton

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Die Wissenschaft ist ein ernstes Geschäft, aber gehört ihr deshalb das letzte Wort?

Hormonell-wirkende Substanzen im Mineralwasser – und was jetzt?

  In einer jüngst von Ökotoxikologen der Universität Frankfurt veröffentlichten Studie wurde auf die hormonelle Belastung von Mineralwässern...

 

In einer jüngst von Ökotoxikologen der Universität Frankfurt veröffentlichten Studie wurde auf die hormonelle Belastung von Mineralwässern aufmerksam gemacht. Die Wissenschaftler untersuchten 20 verschiedene handelsübliche Mineralwässer und konnten bei 65 % der Proben eine hormonelle Aktivität nachweisen. Die anschließende Berichterstattung über die Ergebnisse schlug hohe Wellen – ebbte aber genauso schnell wieder ab, wie sie begonnen hatte. Was bleibt ist eine latente Verunsicherung bei vielen Verbrauchern und eine Mischung aus Ungewißheit und Machtlosigkeit bei Wissenschaft, Behörden und Industrie. Der Nachweis über die Kontamination der Wässer mit hormonell-wirkenden Substanzen ist erbracht – wozu aber nützt er? Welche Konsequenzen hat dieses neu gewonnene Wissen? Zunächst einmal – so scheint es – keine. Mit ihrem Testverfahren gelang es den Forschern zwar die hormonelle Belastung nachzuweisen – die Ursache für selbige aber bleibt ihnen schleierhaft. Denkbar ist, dass nur eine einzelne Substanz den Effekt hervorruft, möglich ist aber auch, dass es sich um eine Mixtur aus verschiedenen Stoffen handelt. Die Suche gleicht der nach der Nadel im Heuhaufen. Mittels chemischer Trennverfahren müssten die Wissenschaftler einzelne Substanzen identifizieren, um Aussagen über eine mögliche Gefährdung machen zu können. Die Analytik in diesen Nano-Bereichen aber ist aufwändig und teuer. Es drängt sich die Frage auf, ob es überhaupt Aufgabe der Wissenschaftler sein kann, diese Analyse im Alleingang zu bewerkstelligen.

Undurchschaubare Vielfalt an Eintragsquellen

Das Bundesinstitut für Risikobewertung misst der Studie keine große Relevanz bei, da die Forscher nicht en Detail nachweisen können, was sie gefunden haben. Erst wenn tatsächlich bekannt ist, was in den Mineralwässern chemisch drin ist, können weitere Schritte unternommen werden. Bis dahin wird der Verzehr von Mineralwässern als weiterhin bedenkenlos eingestuft. Ähnlich hilflos wirkt die Industrie: Die Mineralwasserhersteller nehmen die Studie zwar ernst, stellen ihrerseits Untersuchungen an – aber auch diese drohen im Sande zu verlaufen. Zu vielfältig, zu undurchschaubar sind die möglichen Eintragsquellen der hormonell-wirkenden Substanzen, auch endokrine Disruptoren genannt. Das Wasser durchläuft von der Quelle bis in die Flasche zahlreiche Fertigungsstufen, kommt mit vielen verschiedenen Materialien in Berührung. Die Herkunft der hormonellen Aktivität zu ermitteln scheint nur schwer realisierbar.

Woher kommt die hormonelle Belastung?

Den Verdacht der Frankfurter Forscher, die hormonell-wirkenden Substanzen könnten aus dem Verpackungsmaterial in das Füllgut migrieren, wird von Seiten der Behörden und Industrie ausgeschlossen. Auch andere Wissenschaflter äußerten in diesem Zusammenhang Bedenken – zu hoch sei die Belastung, als dass diese nur aus dem Verpackungsmetarial stammen könnte. Eine mögliche Erklärung könne die Grundbelastung des Quellwassers sein. Bereits 2006 wies das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) darauf hin, dass teilweise bereits in Brunnenwässern endokrine Disruptoren gefunden wurden.

Studie deckt Forschungsbedarf auf

Die Erkenntnis über hormonelle Belastung von Nahrungsmitteln ist keine Neuigkeit. Die jüngst veröffentlichte Studie zeigt aber wieder einmal, welche Ohnmacht gegenüber dieser potentiellen Gefährdung herrscht. Verantwortlichkeiten sind ungeklärt und die Mehrheit der Aussagen über Ursache, Risiko und Wirkung sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Was also kann die aktuelle Studie liefern? Zunächst einmal kann sie den enormen Forschungsbedarf in diesem Feld aufdecken. Daneben kann sie aber vor allem eines: Sie kann und sollte das Problembewusstsein schärfen. Menschen sehen sich tagtäglich mit einer Grundbelastung von hormonell-wirkenden Substanzen konfrontiert – zumeist nicht wissentlich. Vor diesem Hintergrund besitzt Mineralwasser kein Alleinstellungsmerkmal und sollte daher nicht verteufelt werden.