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Die Wissenschaft ist ein ernstes Geschäft, aber gehört ihr deshalb das letzte Wort?

H1N1-Epidemie: Twitter und Google fiebern mit

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Die Ausbreitungswelle des Schweinegrippenvirus H1N1 aus Mexiko hat die Internetdienste mächtig unter Strom gesetzt. Im Web 2.0 dröhnt virologischer Lärm aus...

Die Ausbreitungswelle des Schweinegrippenvirus H1N1 aus Mexiko hat die Internetdienste mächtig unter Strom gesetzt. Im Web 2.0 dröhnt virologischer Lärm aus allen Kanälen. Die Pandemie wird mit Pauken und Trompeten eingeläutet. Das kollektive „Zwitschern” im derzeit besonders angesagten (und noch kostenlosen) Kurznachrichtenpool Twitter erzeugt ein ohrenbetäubendes Echo von – überwiegend englischsprachigen – Fanfaren. Zweihundert „Tweeds” in einer Minute, viereinhalb tausend in einer halben Stunde, seit dem Wochenende geht das fast ununterbrochen so.  Ob sich die Nachrichtenlage ändert oder stundenlang nicht, egal, sekündlich krakeelt ein neuer Grippebeschäftigter im Netz.

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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die derzeit vielleicht noch wichtigeren amerikanischen Centers for Disease  Control and Prevention (CDC) haben eigene neue Twitterdienste eingerichtet. Google Maps mit laufend aktualisierten epidemiologischen Daten ziehen laufend neues Onlinevolk auf sich, Spezialfirmen zur Früherkennung von Epidemien wie Veratect bieten ihr Knowhow an, die Mayo Clinic schickt ihren Infektionsmediziner mit mp3-Clips und Web-Videos ins Rennen und zwischen all dem toben sich unzählige selbstberufene Grippe-Nachrichtennetzwerker aus, heißen sie „Trackswine”, „Swinefluwatch” oder „Viruswatcher”, die versuchen, die Aufmerksamkeit der Surfer auf sich zu ziehen. Die Stichworte „Swine Flu” und „#swineflu” stehen seit Tagen fast konkurrenzlos an der Spitze der Trendthemen in Twitter. Ein brandaktuelles “Wiki” zur mexikanischen Grippe wurde propagiert:

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Ohne Frage, für die Notfallkommunikation im Seuchengewerbe ein neues Phänomen. Aber taugt das eigentlich zu etwas? In einigen früheren Fällen von Akutschäden (man erinnert sich an die dann doch glückliche Bruchlandung  im Hudson River) hat Twitter für durchaus positive Schlagzeilen gesorgt, weil über die 140-Anschläge-Zweizeiler, die sich vom Laptop oder dem iPhone blitzschnell absetzen lassen,  schnell und dezentralisiert verschickt an Millionen User. Einige aus erster Hand, inklusive Fotos.  Diesmal allerdings haben sich in den Lärm der vielen selbstverliebten Twitterschwärmer rasch auch einige  kritische Töne eingemischt. Wird womöglich zuviel Lärm gemacht, fragten plötzlich einige der Blogger. Der Onliedienst von CNN hat die Diskussion zur „Kontroverse um Twitter” gemacht. Vom “Panik-Portal” war auf einmal die Rede.

 

Worum es in der Debatte geht, läßt sich leicht ausmalen.  In den reißenden Strom an ungefilterten Nachrichten haben sich nicht nur unsichere und ängstliche Absender eingeschaltet, die gerne gewusst hätten, wie sie sich in der medizinisch unklaren Gemengelage nun zu verhalten und was sie zu erwarten haben. Nein, unter die abertausend Netzwerker haben sich in großer Zahl auch Zyniker, Apokalyptiker, Medizinautodidakten  oder einfach nur Witzbolde gemischt,  die auf ihrem Popularitätstrip für neue „Follower” leichtfertig die Panikstimmung anheizten oder dümmliche Gesundheitstipps verteilten.  Einige Beispiele, vermutlich nicht mal die besten,  seien hier gezeigt (weitere zur Krönung am Ende).

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Ernsthaft ist also zu fragen,  ob die weniger vom Informationsbedürfnis als vom Mitteilungsdrang der Twitterer getragene Plattform das richtige Medium für solche Themen ist. Anders gefragt: Sollten offizielle Stellen und seriöse Informanten das System propagieren und es wie die WHO durch fleißiges Mitwirken salonfähig machen, obwohl die Kollateralschäden quasi schon ins System eingebaut sind? 

Immerhin: Twitter hat in der kurzen Zeit seiner Existenz schon mehr als einen Fuß in der Medizinszene. Bloggende Ärzte und Wissenschaftler sind keine Seltenheit. Und die Mayo Clinic, eine ja durchaus angesehene Adresse (mit einem eigenen Kliniknetzwerk in den Vereinigten Staaten),  hat unter der Federführung ihres „Social Media Managers” inzwischen schon zwei „Tweetcamps” – Fortbildung fürs medizinische Zwitschern – abgehalten und am Montag dieser Woche zum „Tweet-Chat” geladen, um eine neue Behandlungsstudie zu Diabetes öffentlich zu diskutieren. Die Begründung für den Schritt: „Discussion is Distribution”. Mit anderen Worten: PR-Getrommel. Twitter soll den Mayo-Ärzteforschern  helfen, ihre Arbeiten zu propagieren. Offiziell heißt das: Der medizinischer Fortschritt möge effektiver kommuniziert und an die behandelnden Ärzte gebracht werden.

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Und auch das noch zu guter Letzt:

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2 Lesermeinungen

  1. 123koch sagt:

    Ist es nicht wie...
    Ist es nicht wie überall?
    Gutes bleibt.
    “Mal was liebes – Grüße Michael”

  2. edgaregon sagt:

    Diese "zwitschernde" Spezies...
    Diese “zwitschernde” Spezies von verrückten Zweibeinern, die nervös mit ihrem Handy rumfummeln, wo sie gehen und stehen, und die man zu Dutzenden auf der Straße und in den Bussen findet, stellen mit ihrer Handymanie das die Volkswirtschaft gefährdende Verhalten der Banker glatt in den Schatten.
    Die Banker haben mit ihren riskanten Finanzgeschäften jahrelang säckeweise Geld verdient und lassen sich nun die aktuellen Verluste sozialisieren. Dagegen verschmutzen die von ihrer Handymanie getriebenen Verrückten das Internet mit ihrem Schwachsinn und zahlen sogar noch dafür!

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