Planckton

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Die Wissenschaft ist ein ernstes Geschäft, aber gehört ihr deshalb das letzte Wort?

Shrimps in der Krise

Eigentlich wollte ich nicht über Eismeergarnelen schreiben. Auch nicht, wenn „Science" die Geschichte Billy Wilder  („Manche mögen's kalt")...

Eigentlich wollte ich nicht über Eismeergarnelen schreiben. Auch nicht, wenn „Science” die Geschichte Billy Wilder  („Manche mögen’s kalt”) aufmöbelt. Denn dass die Eismeergarnele,  die wir uns normalerweise zur Pasta bestellen oder im Salat wünschen und die gerne  etwas sophisticated als Grönland-Shrimp unter die Leute gebracht wird, dass also dieses ubiquitäre Geschöpf  aus Nordpatlantik und -pazifik sich ernsthaft um den Klimawandel schert, wie es die kanadisch-europäische Forschergruppe in Science behauptet, klingt einfach zu apokalyptisch um wahr zu sein. Von zehn Metern abwärts bis einen halben Kilometer tief fühlen sich die Shrimps wohl. Das sind keine Teichfische, die beim ersten Jahrhundertsommer verkochen oder unter der Eisdecke erfrieren. 

Bild zu: Shrimps in der Krise  Foto Robert Semple

Eigentlich hat es also keinen Grund zur Sorge gegeben, außer den, dass da wieder mächtig an der Klimakatastrophenschraube gedreht und das ganze natürlich populärwissenschaftlich verabsolutiert werden könnte. Genauso ist es dann auch gekommen. Nur ganz anders. Denn was lese ich heute morgen, Zitat SZ: „Profiteure. Mehr Shrimps durch Klimawandel”. Spannend. Und dann doch, weiter in der Zeitungslektüre, Zitat Die Welt: „Klimawandel bedroht Eismeergarnelen”. Ja, was denn nun. Gewinner oder Verlierer?

Plötzlich denkt man dann doch etwas ernsthafter nach. Und immerhin geht es ja nicht nur um Schicksale der Tiefsee, sondern doch eigentlich auch um kulinarisch-gastronomische Zukunftsfragen. Den Hauch von Gourmetküche, den sich jeder mittelprächtige und auch Italiener durch  Zufügen einiger Shrimps-Pastagerichte auf die Menükarte erkämpft hat, er steht zur Disposition, sollten sich die süßen schmalen Shrimps in unerreichbare Tiefen verabschieden oder im Treibhausmeer verkochen.

Nichts wie rein also in die Materie, Science-Paper runterladen, ausdrucken, vertiefen. In dem all, stellt sich dann heraus, kann das gar nicht tief genug sein, denn die Sache mit den anfälligen Shrimpslarven, den Algenblüten und den Wassertemperaturen ist alles andere als trivial. Wissen muss man: Die Shrimps-Weibchen legen ihre Eier ab, wenn die Tempertaur in tief unten in den kalten Wasserschichten für sie stimmt. Zufälligerweise, aber fein abgestimmt offensichtlich,  blühen dann auch ganz oben die winzigen Einzelleralgen (Plankton!). Und damit ist der Tisch für die Shrimps gedeckt. Eine halbe Million Tonnen immerhin kommen dann in der Küche an. Die Ernte stimmt, das System funktioniert. Nur eben wie lange noch ist die frage, die sich die Wissenschafler gestellt und entsprechende Untersuchungen zum Inkubationsverhalten unter veränderten ozeanographischen Vorzeichen  angestellt haben. Ergebnis: Schwankungen der „lokalen Wassertemperaturen” oder des Beginns der Algenblüten könnten dieses austarierte trophische Gleichgewicht zum Einsturz bringen. Denn solche Veränderungen seien nach gängigen Klimawandelszenarien „häufiger” zu erwarten.

  Bild zu: Shrimps in der Krise  Foto Cesar Fuentes

Wie groß die klimatischen Einbrüche ausfallen müssten, damit die Shrimps aussterben, haben die Forscher vorsichtshalber nicht modelliert. Das kommt aber sicher noch. Bis dahin trösten wir uns mit dem Gedanken, dass die Evolution das hocheffiziente Zusammenspiel von Shrimps, Algen und Temperatur hervorgebracht und ihr hoffentlich genug Zeit bleibt, ihre Shrimps-Produktionsstrategien anzupassen. Und natürlich sehe ich die Shrimps im Kühlregal von nun an mit ganz anderen Augen an.