Wissenschaft hat in der Regel entweder ein Ziel (etwa bei Erkundungen) oder einen Gegenstand. Die Astrobiologie nun ist eine Wissenschaft, deren Ziel es ist, herauszubekommen, ob sie überhaupt einen Gegenstand hat. Sie möchte wissen, ob es Leben gibt, das unabhängig von der irdischen Biosphäre entstanden sein und existieren kann. Die These, daß es so etwas gibt, ist verifizierbar (man könnte es ja finden), aber da wir nie alle Planeten des Universums bis unter die Kruste werden absuchen können, nicht falsifizierbar. Die Annahme, es geben außerirdisches Leben, mag eine plausible naturphilosophische These sein, eine gute wissenschaftliche Hypothese ist sie nicht.
Gleichwohl würden sehr viele Menschen nur zu gerne wissen, ob sie stimmt. Also weicht die Astrobiologie auf ein anderes Ziel aus: die Erkundung aller möglichen Winkel im All nach Bedingungen, unter denen Leben möglich sein könnte. Nun hat eine – gewollt oder ungewollt – mysteriös formulierte Ankündigung einer Pressekonferenz durch die Nasa einer Veröffentlichung erhebliche Aufmerksamkeit verschafft, die soeben in “Science” als Online-Version erschienen ist. Es berichtet vom Fund einer Bakterienart in einem kalifornischen Salzsee, das anstelle von Phosphor das für Menschen unbekömmliche Arsen einbauen kann.
Wie spektakulär ist das, wenn man die Außerirdischen mal für einen Moment vergisst? Daß Arsen biochemisch ähnlich reagiert wie Phosphor ist bekannt – es ist gerade ein Grund für seine Giftigkeit für Menschen. Nur, daß das instabiler gebundene Arsen auch auf tieferen molekularen Ebenen einsetzbar ist, das ist neu und wichtig – auch wenn die entsprechenden Passagen, die den bisherigen und jetzt ach so überraschend revidierten Stand referieren, auffallend konjunktivisch gehalten ist.
Trotzdem, interessant ist das, zumal für Biochemiker mit dem irdischen Leben als Gegenstand. Aber um die geht es den Astrobiologen der Nasa ja nicht. Ihre Botschaft: Wenn Leben kann auch etwas anders funktionieren kann als wir bisher dachten, dann kann es vielleicht auch an anderen Orten existieren als wir bisher dachten.
Ja, vielleicht. Bleibt aber die Frage, wo das sein soll. Die Bedingungen in jenem kalifornischen See mögen für höheres irdische Leben extrem sein, aber fände man so eine Stelle (warm, feucht, alkalisch) auf dem Mars würde die Nasa Kopf stehen und sofort eine Sonde hinschicken. Und alle anderen loci amoeni der Astrobiologie, inklusive des Saturnmondes Titan sind keine Orte für wasserbasierte Biochemie, ob mit Arsen oder ohne.
Aber sonst im fernen Universum? Dazu ist zu bemerken, daß Phosphor in der nach Häufigkeit sortierten Liste der chemischen Elemente unseres Sonnensystems an 15. Stelle steht, Arsen an Stelle 33. Und das wird in andern Sternsystemen keinesfalls sehr viel anders sein, denn Arsen ist schwerer als Eisen, entsteht daher kaum in den Kernprozessen im inneren von Sternen sondern vor allem in seltenen Supernovae. Wenn ich ein außerirdischer Organismus wäre, würde ich mir für meinen Stoffwechsel nicht so was Rares aussuchen.
Kurz, das neue Ergebnis ist entgegen der Nasa-Reklame kaum dazu angetan, die Chancen der Astrobiologie zu erhöhen, irgendwann einmal zu einem Gegenstand zu kommen. Schade eigentlich.