Während man bei einem gewöhnlichen Kongress in etwa einschätzen kann, welches Publikum zu erwarten ist, so ist man sich bei der gestern gestarteten Tagung der American Society for the Advancement of Sciences, kurz AAAS, zuweilen unsicher. Ganz und gar nicht sollte man mit einer stilistisch einheitlichen Gruppe an Forschern eines gewissen Fachgebietes rechnen. Zeitweise könnte man hingegen fast glauben, sich auf einer Tagung von Medien für Medien zu befinden: An allen Ecken und Enden des immensen Washington Convention Centers wimmelt es von Journalisten und Bloggern unterschiedlichster Nationen. Wenn man ganz genau hinsieht, vor allem an Deutschen. Das Programm hingegen ist konsequent amerikanisch.
Ein amerikanischer Jahrmarkt
Dieses Bild bestätigt sich im Gespräch: Fragt man führende Wissenschaftler in Deutschland nach dem eingängigen Kürzel, AAAS, sprich „Triple-A S”, können diese damit nur wenig anfangen – sobald man aber mit einem deutschen Wissenschaftsjournalisten spricht, hat man eine hohe Trefferquote, dass dieser mit dem Kürzel sogar eigene Reiseerfahrungen verknüpft.
Die Tagung, eines der größten amerikanischen, wahrscheinlich sogar immer noch eines der weltweit größten Wissenschaftlertreffen, findet alljährlich statt, in wechselnden amerikanischen Großstädten. Dieses Jahr trifft sich die Association for the Advancement of Sciences (AAAS) in Washington D.C. – ein Heimspiel und noch dazu an einem gut erreichbaren und beliebten Tagungsort, der dieses Jahr wieder mehr Besucher anlockte als in den Vorjahren in San Diego und Chicago.
Alles PR – oder was?
Und diese veranstaltet von einer Organisation, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Wissenschaft zu fördern und damit der Gesellschaft Gutes zu tun? Wohl kaum. Man mag nicht glauben, dass diese Organisation, die zudem das weltweit geschätzte Wissenschaftsmagazin „Science” herausgibt, eine Tagung veranstaltet, um den Wissenschaftlern eine Plattform für Eigenwerbung zu bieten. Plausibler ist wohl die Erklärung, dass sich die AAAS erhofft, mit Hilfe der Presse Wissen in die breite Öffentlichkeit zu bringen.
Ein bildungspolitischer Seitenhieb
Das sonst eher unübliche Model einer Tagung soll also helfen, der Weltbevölkerung einen Zugang zu Wissen zu schaffen, das sie nie besessen oder bereits vergessen hat. Alice Huang, die Präsidentin der diesjährigen AAAS-Konferenz formulierte es drastisch: Sie fühle sich verantwortlich dafür, Wissen zu verbreiten in einem Land, in dem noch ein Viertel auf dem Bildungsstand vor Kepler und Galilei zu sein scheint. Sie zitierte eine Sozialstudie aus den Vereinigten Staaten, in der 20 bis 30 Prozent der Amerikaner noch heute der Meinung waren, dass sich die Sonne um die Erde dreht.
Man kann also gespannt sein, was in den nächsten Tagen an wissenserweiternden und -auffrischenden Vorträgen folgt. Für Gerede sorgt bereits im Voraus ein Symposium zu den moralischen Aspekten der chirurgischen Therapie von psychiatrischen Erkrankungen. Ein ähnliches Thema hatte auf einer der vorherigen AAAS-Tagungen zu einem heftigen Diskurs zwischen Forschern und den Vertretern einer rigiden Ethik geführt.