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Die Wissenschaft ist ein ernstes Geschäft, aber gehört ihr deshalb das letzte Wort?

Themenpark AAAS (2): Wie Terroristen ticken

  Was haben der ehemalige Präsident Bush, die Al Qaida und ein junges Liebespaar gemeinsam? Mehr als man denken könnte: Anhand ihrer Sprache und...

 

Was haben der ehemalige Präsident Bush, die Al Qaida und ein junges Liebespaar gemeinsam? Mehr als man denken könnte: Anhand ihrer Sprache und Wortwahl glauben amerikanische Forscher deren Verhalten in den folgenden Wochen vorhersagen zu können. Krieg oder Frieden, Ende oder Fortsetzen der Liebesbeziehung – alles eine Frage der richtigen Algorithmen?

 

Wortreiche Botschaften

„Wenn wir die Kurzmitteilungen von Paaren über einen gewissen Zeitraum lesen, können wir besser vorhersagen, ob sie in drei Monaten noch zusammen sein werden, als das Pärchen selbst”, sagte James Pennebaker von der Universität Texas am Freitag auf der AAAS-Tagung in Washington. Gleiches gilt auch für das „Speeddating”: Durch eine einfache Analyse der Wortart und Wortwahl der Liebessuchenden könne er einschätzen, wer auch nach dem Abend noch in Kontakt bleiben und ob der Kontakt längerfristig halten wird. Will man seine eigene Beziehung checken, sollte man vor allem auf funktionelle Wörter in den Kurzmitteilungen und Gesprächen achten. Dazu zählen Bindewörter, Personalpronomen und Artikel. Sind diese reichlich vertreten, dann würde Pennebaker Ihrer Beziehung grünes Licht geben.

Von der Liebe zum Terrorismus

Aber was hat dieses nette und sicher auch praktikable Liebeshoroskop nun mit der Vorhersage von Krieg oder Frieden zu tun? Um zu wissen, dass sich zwischen dem amerikanischen Präsidenten und der Al Qaida kein Liebesverhältnis entwickelt, muss man schließlich kein Sprachforscher sein.

  Bild zu: Themenpark AAAS (2): Wie Terroristen ticken James Pennebaker,University of Texas

Der Psycholinguist Pennebaker glaubt von der Sprache nicht nur auf zwischenmenschliche Beziehungen schließen zu können, sondern auch auf die Gefahr, die von potentiellen Terroristen ausgeht. Das Ziel seiner Untersuchungen: anhand von gesprochenen oder geschriebenen Texten voraussagen zu können, ob ein Mensch oder eine Gruppe bedrohlich ist oder nicht. Er analysiert hierzu dementsprechend nicht die Sprache der Liebenden, sondern die von Politikern und vor allem die von Terrorverdächtigen.

Gibt es typisch terroristische Ausdrücke?

Unterstützt vom Department of Homeland Affairs (Heimatschutz-Ministerium) hat die Forschergruppe um Pennebaker 320 Texte von potentiell gewaltbereiten radikal islamischen Organisationen untersucht. Es geht nicht nur darum, die Sprache von Terroristen per se von anderen zu unterscheiden, sondern auch darum herauszufinden, inwiefern sich die Texte und Reden im Hinblick auf bevorstehende Anschläge verändert haben. Schreiben Terroristen anders, wenn sie kurz davor sind einen Anschlag zu verüben? Verändert sich die Satzstruktur und die Wortwahl?

Es wird vor allem mit einer Bedrohung durch die Al Qaida gerechnet wird. Deren Planungen sollen durchschaut und deren Sprache untersucht werden. Daher besteht ein Großteil der untersuchten Schriftstücke aus ins Englische übersetzen Reden, Ansprachen und Interviews von führenden Mitgliedern der Al Qaida. Um aber herauszufinden wodurch sich Texte einer terroristischen Gruppe von anderen hervorheben, ist eine Vergleichsgruppe notwendig. Diese sollte vom Kulturkreis und von allgemeinen Einstellungen her ähnlich der Al Qaida sein: Als passend haben sich MIRA – „Movement for Islamic Reform in Arabia – und Hizbut-Tahrir herausgestellt, ebenfalls radikale islamische Gruppen, von denen aber im Gegensatz zu Al Qaida  derzeit keine Terrorgefahr auszugehen scheint. 

Einfach gestrickt und emotional

Drei Merkmale die Texte der Al Qaida von denen der anderen radikalen aber nicht gewaltbereiten Gruppen unterscheiden, konnten die Forscher um Pennebaker entschlüsseln: Die Sprache ist wenig komplex, emotional geprägt und mit vielen Füllwörtern. Übersetzt heißt das, dass Terroristen dazu neigen, Aggression und Euphorie stark in Worte zu fassen, weshalb emotionale Wörter bei Ihnen weit häufiger zu finden sind, als bei der Kontrollgruppe. Zudem sind die Sätze sehr einfach gebaut, im Stil von: „Ich mag keine Kohlsuppe.” Ein komplizierter Satz wäre: „Ich mag keine Kohlsuppe, obwohl ich Krautsalat sehr gerne esse.”

Im Hinblick auf nahende Anschläge konnte man mit Hilfe dieser rückblickenden – retrospektiven – Studie herausfinden, dass sich die Sprache der Terroristen tatsächlich verändert, wenn sie kurz davor standen Gewalt auszuüben. Etwa ein Monat vor den untersuchten Anschlägen nahm die Komplexität der Sprache der Terroristen plötzlich zu. Sie lag zwar immer noch unter dem  Niveau der Kontrollgruppe, war aber für die Terroristen außergewöhnlich komplex. Die Psychologen erklären sich diese Änderung dadurch, dass eine Entscheidung vor allem dann gut verteidigt wird, wenn sie fest getroffen ist. Sobald die Terroristen sich ihrer Entscheidung sicher sind, scheinen sie diese in komplexeren Satzkonstruktionen auszudrücken.

Gleiches gilt im übrigen auch für Politiker, die vor einem Krieg stehen. Kurz vor dem Irakkrieg habe George W. Bush viel mehr emotionale Wörter benutzt als in seinen üblichen Interviews. Pennebaker spricht im Bezug auf Bush gar von einem offenen Buch: Hätte man damals Bushs Sprache untersucht, hätte man mit dieser schon einen Monat vorher auf den Beginn des Irakkriegs schließen können.

Der Sprachwissenschaftler ist sich seiner Analysen sehr sicher: „Es ist ganz klar, dass Terroristen immer von anderen Gruppen zu unterscheiden sind. Ihre Satzstruktur ist weit weniger komplex.” Woran das liegt weiß man aber nicht. Es gibt nur Spekulationen: Eine davon ist die, dass Mitglieder von illegalen Terrororganisationen durch das stetige Versteckspiel so erschöpft sind, dass sie gar nicht mehr die geistige Energie haben, komplizierte Texte zu verfassen. Wer weiß, vielleicht findet sich hierzu doch noch eine wissenschaftlichere Theorie.

Die Gedanken sind frei

Gedankenlesen können Sprachforscher deshalb aber noch lange nicht. Sie sind bezüglich der praktischen Anwendbarkeit Ihrer Merkmale, die Terroristen klassifizieren noch zurückhaltend: „Wir haben noch lange nicht die Topkriterien gefunden, um damit alle gewaltbereiten Terroristenorganisationen erkennen zu können. Es geht vielmehr darum, auf diesem Gebiet einen Anfang gemacht zu haben.”