Grün, schleimig, verformbar: Eine solche Mischung aus grünem Wasser und Klebstoff befindet sich heute auch in meiner Tagungstasche. Neben allerlei Verrücktem wie einem selbstgebasteltem Kaleidoskop, einem freundlichen Riesenbakterium – E.coli aus Plüsch und einem neuen Pass, dem Wissenschaftspass für Kinder.
Schleimmonster
Slimy nennt sich das grüne etwas, wie ich von den Kindern lernen durfte. Slimy bekommt man, wenn man am Wissenschaftstag des Museum of Building, des Baumuseums in Washington teilnimmt. Neben mir waren dort einige hundert Kinder, die den Samstag zusammen mit ihren Familien dazu genutzt haben, etwas Forschungsluft zu schnuppern. Den Veranstaltern ging es darum, den Kindern auf spielerische Art zu vermitteln, was ein Ingenieur im Alltag zu tun hat. Dazu wurden verschiedenste Stationen aufgebaut – jeweils nachdem eine beendet war, bekamen die Kinder einen Stempel in ihren Wissenschaftspass. Dieser war nicht ein einfaches Stück Papier, sondern dem echten amerikanischen Pass nachempfunden.
Fotos Julia Völker
Generationswechsel auch auf der AAAS
Derartige Wissenschaftstage sind üblich in Washington. Auch bei der Tagung der AAAS (American Society for the Advancement of Sciences), nur wenige Straßen entfernt vom Baumuseum, ist dieses Wochenende geöffnet für Familien – kostenlos. Am Familientag bieten alle Aussteller Experimente an, die die Kleinen sichtlich interessierten und begeisterten. Lustig sieht es aus, wenn eine Horde Kinder um einen Elektronengenerator steht und diesen mit Interesse betrachten, während ein Wissenschaftler ihnen die Grundlagen dessen erklärt. Eigentlich so ähnlich wie an den übrigen Tagen der AAAS, nur dass dann nicht Kinderscharen um den Generator stehen, sondern Wissenschaftler, die sich erklären lassen, wie genau der Generator funktioniert. Neu war nur für die Kinder extra ein Fahrrad, mit dem man Strom erzeugen und somit Lampen zum Leuchten bringen konnte und ein Bienenkasten mit lebendigen Bienen. Derartiges Inventar ist auf der AAAS ansonsten nicht vertreten.
Die Szenerien erinnerten ein wenig an den deutschen Girls Day, bei dem wissenschaftliche Institute und Firmen ihre Pforten für Schülerinnen öffnen, um diesen Lust auf technische und männerdominierte Berufe zu machen. Der Unterschied: Die Familientage sind bereits an jüngere Kinder gerichtet und fanden zudem einen erstaunlich hohen Zuspruch: Im AAAS Tagungszentrum tümmelten sich Massen von Kindern, die durch die Gegend rannten und sprangen, als wären sie auf einem Abenteuerspielplatz.
Interessiert aber ahnungslos?
Beim Betrachten des regen Treibens sowohl im Baumuseum als auch in den Räumen der AAAS konnte man das Statement von Alice Huang, der AAAS-Präsidentin, kaum glauben: Mehr als ein Viertel der Amerikaner sollten gemäß einer Sozialstudie denken, dass sich die Sonne um die Erde dreht – diese demnach der Mittelpunkt der Welt ist. Bei so viel Wissenschaftsbegeisterung von Kindern und Eltern kann man sich das nur schwer vorstellen.
Forschung bald in Kinderhand?
Geblendet von den Erfahrungen des Tages, wurde die Illusion, dass die Forschung bald in Kinderhand liegen könne, schnell wieder zerstört. Im Gespräch mit einer amerikanischen Physik- und Geographielehrerin, wurde klar, dass es vor allem bei größeren Kindern und Jugendlichen immense Wissenslücken gibt. Die Schüler bringen der Lehrerin nach mangelndes Wissen in den Unterricht mit: „Wie soll ich den Kindern Physik beibringen, wenn sie noch nicht einmal die Grundlagen der mathematischen Algebra beherrschen?”, beklagt sie sich.
Es scheint am System zu liegen. Das eine Jahr Physik wird bereits unterrichtet, bevor die Kinder die nötigen mathematischen Kurse besucht haben. Gleiches gilt für Biologie, und Geographie: In vielen amerikanischen Staaten genügt es, wenn die Schüler diese Fächer nur für ein Jahr belegen. Dass dabei am Ende nur mangelndes Wissen im Bezug auf Klimawandel oder Länderkunde herauskommt, ist kaum verwunderlich. Verwunderlich sind eher die Massen an Kindern und Eltern, die an Wochenenden in Museen und zu den genannten Familientagen strömen. Den Amerikanern scheint es demnach nicht an Interesse, sondern eher an Bildung zu fehlen.
Man mag hoffen, dass manch ein Slimy oder E.coli-Plüschtier in den Händen der Kinder noch länger nachwirken mag und ihnen ihr Interesse an der Wissenschaft erhält. Bis dahin heißt es munter weiterkneten – auch mein Slimy ist jetzt auf der Tagung immer dabei.