Planckton

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Die Wissenschaft ist ein ernstes Geschäft, aber gehört ihr deshalb das letzte Wort?

So einfach ist das (2): Unser Hund, der Vorfühler

 Wir haben ja einiges gut zu machen am Tier. Nicht, weil wir Fleischfresser sind. Das sind andere Kreaturen auch.  Nein, das Tier wurde viel zu lange...

 Wir haben ja einiges gut zu machen am Tier. Nicht, weil wir Fleischfresser sind. Das sind andere Kreaturen auch.  Nein, das Tier wurde viel zu lange als intellektuelles Ebenbild missachtet, zumindest wenn man die wissenschaftliche Literatur nach Konrad Lorenz und den großen Tierpsychologen des zwanzigsten Jahrhunderts durchforstet. Dabei ist man durchaus geneigt, die Menschenaffen davon auszunehmen. Aber auch mit ihnen haben wir keinen wirklich statusgerechten Umgang gepflegt. Und das, obwohl wir von veritablen Tierrechtskämpfern und zoologischen Heroen wie Dian Fossey oder Jane Goodall umgeben waren. Man hat nur einfach nicht auf sie gehört. An die Kultur oder an den höheren Intellekt der anderen Primaten wollen viele immer noch nicht glauben, obwohl zum Beispiel jüngst Max-Planck-Forscher aus Leipzig und Nijmegen klar zutage gefördert haben (hier), wie clever alle vier Menschenaffenarten in der „Risikoabwägung” ihrer Handlungen vorgehen.

Wir haben also völlig unterschätzt, welche Nähe zum anderen Geschöpf  die Verhaltensforschung uns bereits bescheinigt.

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Foto AFP

So zieht sich das mit den Missverständnissen durch die gesamte Geschichte des Mensch-Tier-Verhältnisses. Das trifft auch unseren nächsten Hausgenossen, den wir schon ein paar tausend Jahre ständig um uns haben. Ja, auch der Hund wird völlig unterschätzt. Dabei hätten wir, um den menschlichen Kern des Tieres erkennen zu können, doch ganz einfach nur auf die richtigen Leute hören müssen. Und das sind nicht unbedingt Wissenschaftler.   

Die Frage etwa, warum Hunde selten wie Tiere, sondern wie Menschen behandelt werden, warum sie aufs Sofa und nicht in den Zwinger kommen, stellt sich echten Hundefreunden  erst gar nicht. Das liegt für sie auf der Hand, oder besser: im Blick. Hundeaugen sind so etwas wie die seelische Schnellverbindung zwischen Zwei- und Vierbeiner. Die unsichtbare soziale Leine für Herrchen und Frauchen.

 Ein Hundebesitzer kippt deshalb auch nicht überrascht  vom Sofa, wenn er aus wissenschaftlich geschultem Munde hört, dass der Hund angeblich mehr versteht als das, was man ihm befiehlt. Dass er „versteht, wenn er gemeint ist”, wie das eine Nachrichtenagentur arg verkürzt unter die Medien gebracht hat.

Hintergrund ist ein neues Paper in „Current Biology”. Vordergründig geht es darin um die Frage, ob die Tiere „vorkommunikative Signale” verstehen. Kapiert der Hund, dass man Kontakt mit ihm aufnehmen will, bevor man ihn wirklich anspricht und in eine Kommunikation verwickelt. Kein einziger halbwegs aufgeweckter Hundehalter würde das bezweifeln. Auch der selbstvergessenste Pudel wird hellhörig und sucht Blickkontakt, wenn plötzlich etwas Unvorhergesehenes passiert oder jemand gar die Stimme erhebt. Da werden sofort die Ohren gespitzt.

Eine Gruppe von ungarischen Forschern haben so eine Situation jetzt ins Labor verlegt: 61 Hunde sollten auf einen Bildschirm sehen. Und auf dem Monitor sahen sie eine Frau, die auf zwei gleichaussehende Futterpötte blickt. Natürlich sollte das die Neugier der Tiere wecken.

Bild zu: So einfach ist das (2): Unser Hund, der Vorfühler Foto Current Biology

Das Experiment bestand jetzt darin, dass sich die Frau in dem einen Fall vor der eigentlichen Beschäftigung mit den Futterpötten dem Hund zuwandte und kurz mit heller Stimme ein „Hallo Hund” jauchzte. In dem anderen Fall suchte sie gerade nicht den Blickkontakt zu den Tieren und kauderwelschte auch bloß mit gesenkter Stimme ein liebloses „Hallo Hund”. Die Reaktionen der Tiere wurden mit einer Kamera aufgezeichnet, die sämtliche Augenbewegungen erfasste.

Preisfrage: Welche Konstellation würde wohl das Interesse der Hunde für die Filmpötte am ehesten wecken? Selbstverständlich war es die Gruppe, die man gezielt angestupst hat. Und was folgt daraus? Dass man bestätigt gefunden hat, was eh jeder wusste. Immerhin: „Durch die Aufzeichnung der Augenbewegung haben wir zum ersten Mal aus erster Hand erfahren, wie die Gehirne der Hunde tatsächlich arbeiten”, teilten die ungarischen Hundekognitionsforscher stolz mit. Ein großer Satz für einen kleinen Befund. Nachgerade parodistisch allerdings wird die Aussage, die dann so oder ähnlich in quasi jeder medialen Zweitverwertung des Experimentbefundes auftaucht: „Hunde verfügen offenbar über sozial-kognitive Fähigkeiten, die denen von sechs Monate bis zwei Jahre alten Kleinkindern entsprechen.” Das sollte wohl ein Kompliment sein. Fragen Sie aber mal einen Hundehalter, ob er sein Tier zehn Jahre lang pflegen oder lieber zehn Jahre lang zweijährige Rabauken betreuen wollte.