Sie suchen nach Vertrauen und reden von blinder Effizienz. Da werden Erinnerungen wach: In der Art hat man uns Jahre lang Aktien angedreht und ungeniert unser Vertrauen in die Gründlichkeit eines vermeintlich selbstregulierenden Systems erschlichen. Wer wie die Advokaten der Transplantationsmedizin das herrschende System der Organvergabe jetzt gegen jede Kritik in den Himmel hebt, wer das „hohe Ansehen” und die Handwerkskunst der deutschen High-end-Chirurgen vorschiebt, wer so tut, als sei nichts Gravierendes geschehen, und wer tatsächlich glaubt, damit die Spendebereitschaft in der Bevölkerung aus dem Keller zu holen, der will offenbar nicht verstehen – oder er hat viel zu verlieren. Das selbstverwaltete Organspendesystem hat einiges zu verlieren: letzten Endes ein sich selbst kontrollierendes Monopol.
Selten ist das klarer geworden als an diesem Mittwochabend in der Sendung „Zur Diskussion” des Deutschlandfunks, in der eine dreiviertel Stunde lang das „Geschäft mit lebenswichtigen Organen” und damit keineswegs nur der Göttinger Organspendeskandal verhandelt wurde. Die Bundestagsabgeordneten Rudolf Henke und Wolfgang Zöller, Ärztekammerpräsident der eine, Patientenbeauftragter der Bundesregierung der andere, sehen sich selbst als Teilhaber eines nachgerade idealen Organverteilungssystems. Fehler in den Strukturen? Wie sollten ausgewiesene Fachleute Fehler machen, wenn es darum geht, Richtlinien festzulegen, fragte Zöller. „Soll denn bald jeder beliebige Politiker mehr von der Sache verstehen”, sollten „Bundestagsabgeordnete die Kontrollen übernehmen”? Nein, Herr Zöller, externe Kontrollen müssen keine Laienveranstaltung werden. Man kann auch unabhängige Kontrolleure bestellen (und solidarisch finanzieren), die nicht dem hierarchischen Milieu und den Chefarztstrukturen in den Kliniken untergeordnet sind – und die energisch Einspruch erheben, wenn Spenderlebern mit Fettansatz bewusst „schlecht geredet” werden, wie man in der Branche sagt, oder wenn in bestimmten Transplantationszentren an Laborwerten gedreht wird, um über das beschleunigte Verfahren selbst über die Organverteilung statt über die Eurotransplant-Warteliste bestimmen zu können. Wie häufig das tatsächlich geschieht, weiß keiner. Weil niemand nachgehakt hat. Aber das Misstrauen jedenfalls sitzt jetzt tief.
Die selbstregulierte und in einigen Zentren offensichtlich florierende Vergabepraxis mit grenzwertigen Organen, das ihnen von Gesetzes wegen freigestellt wurde, um im Ausnahmefall zu verhindern, dass ein Organ verloren geht, fällt ihnen nun wegen des undurchsichtigen Umgangs damit auf die Füße. Weil es latentes Misstrauen weiter schürt und die Lebensretter in den Dunstkreis von Geheimbünden rückt.
Stolz, Herr Bahr? Der Bundesgesundheitsminister will jetzt prüfen, ob der Organspendeausweis nicht zuletzt durch Gesetzeslücken in Misskredit geraten ist. Foto ddp
An diesem Donnerstag, freuten sich die Systemverwalter Henke und Zöller in der DLF-Sendung, würden „alle Beteiligten” an einem Tisch zusammen sitzen und über die manipulativen Vorgänge in Göttingen diskutieren. Nächste Woche dann zusammen mit dem Bundesgesundheitsminister. Man kennt solche Berliner Tische, die in der Regel rund sind und an denen Leute sitzen, die vor Selbstgerechtigkeit fast platzen und trotzdem vorgeben, reinen Tisch machen zu wollen. Dort werden dann Zahlenkolonnen aufgetischt, die von der Effizienz und Leistungsfähigkeit des etablierten Zuteilungssystems zeugen und die Zukunftssicherheit des Selbstverwaltungsmodells zeugen sollen. Kriminelle Energien, wird es abschließend heißen, wird man auch durch noch so glänzende Gesetze nicht stoppen können. Ansonsten gelte es natürlich, die Vorzüge des Systems künftig vor allem besser zu kommunizieren. Ende. Aus.
Alles also nur ein Missverständnis? Ja, gewiss, aber auf der falschen Seite. Wolfram Höfling, der Kölner Staatsrechtler, hat das sehr deutlich gemacht im Radio: Es geht nicht um ökonomische Kriterien oder medizinische Effizienz, sondern um Klarheit und vor allem um Gerechtigkeit. Um Ethik und Normen, nicht um Geschäftszahlen. Weswegen scheut die Transplantationsmedizin seit Jahren konsequent der Hirntoddebatte wie der Teufel das Weihwasser, wie die Journalistin Nicola Siegmund-Schultze zu Recht beklagte? Ganz einfach, weil in der Diskussion unangenehme Fragen gestellt werden könnten. Sie retten Leben Transparenz ist für die Transplantationsmedizin kein Weg, sondern ein Hindernis. So würde sie es wohl auch gerne weiter halten im Umgang mit den ihr überlassenen Organen. Den Einfluss, den es dazu in Berlin braucht, hat die ärztliche Selbstverwaltung gewiss. Aber hat sie auch die Unverfrorenheit, das ohnehin brüchige Vertrauen der Menschen einfach in den Wind zu schlagen und wie Schicksalsgötter weiter zu bocken – am Ende auch auf Kosten todkranker Patienten?
Ich spende nicht.
Von...
Ich spende nicht.
Von einzelnen Fällen, wie Nieren, abgesehen, ist das ganze System der Organverpflanzung auf die ganze Bevölkerung bezogen unwirtschaftlich. Mehr Lebensmonate könnten auf andren Feldern “gewonnen” werden. Geld und Arzt sind begrenzte resourcen.
Schlimmer finde ich es, daß wir im Westen diese Technik und die Ethik in die Welt gesetzt haben. Für China ist es bekannt, daß die meisten Organe von Spendern aus Käfighaltung kommen. Was ist los im Rest der Welt? Was hat die FAZ über Leichen im Sinai geschrieben?
Organtransplantation brachte weiteres Grauen in die Welt. Dieses Grauen kann vom Glück der Empfänger nicht erhellt werden.
Gruß melursus