Planckton

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Die Wissenschaft ist ein ernstes Geschäft, aber gehört ihr deshalb das letzte Wort?

Da haben wir ihn: Der Megacrash im Eismeer

| 18 Lesermeinungen

(Update 29. August: Der amerikanische National Snow and Ice Data Center (NSIDC), inoffizielles Referenz-Datenzentrum, hat inzwischen auch offiziell das...

(Update 29. August: Der amerikanische National Snow and Ice Data Center (NSIDC), inoffizielles Referenz-Datenzentrum, hat inzwischen auch offiziell das Unterschreiten des bisherigen Minusrekords in der Eisausdehnung bekannt gegeben Am Ende des Blogs gibt es noch eine von Chrstian Melsheimer vom Bremer IUP aufbereitete Grafik, die einige historische Marken zeigt: die Sommereisfläche im bisherigen Rekordjahr 2007, daneben die Konturen der Eisgrenze, wie man sie vor etwa zehn Jahren (rote Linie) und dreißig Jahren (orange Linie) aufgezeichnet hatte.)     

Vorausgesagt war vor ein paar Jahren von offizieller Seite, dass das polare Meereis im Norden „zum Ende des Jahrhunderts, womöglich schon um 2050″ in den Sommermonaten vollständig weg geschmolzen sein könnte. Fakt ist: Nirgends schlägt die globale Klimaerwärmung tiefere Wunden als in der kalten Arktis. Doch der Weltklimarat IPCC, von dem die offiziellen Prognosen stammen, wird nun von der Entwicklung buchstäblich überrollt:  Nicht in hundert Jahren, sondern vielleicht schon in wenigen hundert Wochen könnte das Nordpolarmeer weitgehend eisfrei sein. Denn was 2011 fast schon eingetreten war, zeichnet sich nun zum Ende des Sommers 2012 endgültig ab: Die Meereisschmelze wird mit großer Sicherheit einen neuen Rekordwert erreichen. Bild zu: Da haben wir ihn: Der Megacrash im Eismeer

Karte: Die Meereisfläche am 23. August 2012, wie sie vom Bremer Institut für Umweltphysik aus Daten rekonstruiert wurde, die mit dem SSMIS-17-Instrument von einem Wettersatelliten aus gewonnen wurden.

 

 

Verschiedene Forschungsinstitute wie das norwegische Nansen Environmental and Remote Sensing Center haben bereits  gegenüber dem Sender NBC einen Minusrekord gemeldet: „Wir sind bereits unterhalb des Minimums von 2007.”  Das zeigen auch die täglich aktualisierten Grafiken, tatsächlich handelt es sich bei dem Wert von ungefähr 3,5 Millionen Quadratkilometer allerdings um einen Wert, der wissenschaftlich als “Area” – Eisfläche – bezeichnet wird. Betrachtet man dagegen die Eisausdehnung – “Extent” -, sieht man, dass die Kurve für dieses Jahr bei den meisten Forschungsgruppen  noch keineswegs unterhalb des Tiefpunktes von 2007 liegt.

Der Unterschied liegt in der Auswertung der Satellitendaten: In der “Area” wird mit jedem einzelnen Bildpunkt oder Pixel, der jeweils eine Fläche von ungefähr 15 mal 15 beziehungsweise 25 mal 25 Kilometer in in weniger aufgelösten Satellitenbildern erfasst,  die darin ermittelte Eiskonzentration als Messwert übernommen – 60 Prozent Eiskonzentration beispielweise bedeutet, dass 60 Prozent dieses Pixels eine Eisbedeckung zeigen. In der „Eisausdehnung” wird jedes Pixel, das mehr als 15 Prozent Eiskonzentration anzeigt, auf 100 Prozent Eisfläche aufgerundet. Die Folge: Die Eisausdehnung gibt stets einen größeren Wert an Meereisfläche an. Sie liegt derzeit bei rund 4,5 Millionen Quadratkilometer, 2007 waren es 4,17 Millionen Quadratkilometer.

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Welcher Näherungswert – Area oder Extent – der Realität tatsächlich näher kommt, ist wissenschaftlich umstritten. Schmelzteiche auf Backeisflächen können etwa die Daten durchaus verfälschen, wenn nämlich Wasserflächen erfasst werden, wo eigentlich Eis vorhanden ist. Fest steht: Der Wert der Eisausdehnung ist der populärere Wert. Und in dieser Hinsicht  halten sich die Polarforscher noch zurück mit Rekordmeldungen. Einigen Wissenschaftlern wie Christian Melsheimer vom Institut für Umweltphysik der Universität Bremen kommt es auf die Rekordjagd ohnedies nicht so sehr an: „Wichtiger als der Rekord ist, dass sich die sommerliche Eisschmelze offensichtlich verfestigt hat.” Zum sechsten Mal hintereinander seit dem bisherigen Minusrekordjahr 2007 liegt der Eisverlust unterhalb der langjährigen Mittelwerte, die man aus dreißig Jahren Satellitenüberwachung ermittelt hat. Schon im Jahr 2011 wurde nur noch halb soviel Eis wie noch im Jahr 2005 gemessen.

 „In der Arktis hat sich offenbar  grundlegend etwas verändert”, sagt Melsheimer. Der gesamte Energiehaushalt in der Polarregion ist mit der Erwärmung der letzten Jahre aus dem Gleichgewicht geraten – eine Entwicklung, die durchaus von vielen Polarforschern erwartet worden ist. Eine negative Rückkoppelung – je mehr Eis schmilzt, desto weniger hell ist die Fläche über dem Nordpolarmeer und desto mehr Strahlung wird absorbiert – was die Erwärmung zusätzlich antreibt. Tatsächlich ist in den vergangenen Jahren vor  allem auch die Eisdicke massiv geschrumpft. Das mehrjährige, meterdicke Eis geht verloren und kann durch Neuschnee und Eisbildung  im Winter nicht kompensiert werden.

Frappierend ist, dass in diesem Frühjahr 2012, eine sogar außergewöhnlich frostige und schneereiche Jahreszeit im hohen Norden, zwar bis zu zwei Meter Neuschneehöhe aufgestockt wurden. Das ist aber offensichtlich genauso so rapide wieder weg geschmolzen in den darauf folgenden warmen Monaten, wie es sich angehäuft hatte.

Bild zu: Da haben wir ihn: Der Megacrash im Eismeer  Kartenvergleich: Meereisfläche heute und vor dreißig Jahren. Quelle “The Cryosphere Today”

In den ersten Augustwochen kam ein Ereignis dazu, das eher selten auftritt: ein ausgeprägtes starkes Tiefdruckgebiet – ein Arktissommersturm -, das sich beginnend vom 4. August von Ostsibirien her sehr  langsam über das zentrale Polgebiet bewegte. Normalerweise lassen ausgedehnte Tiefdruckgebiete, weil mit ihm die Temperaturen deutlich sinken, eher größere Eisflächen zurück. Der extrem starke Sommersturm vom August aber bewirkte offenbar speziell im sibirischen Meer mit seinen Ausläufern das genaue Gegenteil. Obwohl nördlich die Temperaturen ein paar Tage lang deutlich absackten, wurden die von den Sturmausläufern weiter südlich gelegenen Eisflächen von heftigen, aber wärmeren Luftmassen regelrecht durchgeschüttelt. Nach Interpretationen aus dem amerikanischen National Snow and Ice Data Center (NSIDC) könnte die mechanische Zerstörung und anschließende beschleunigte Schmelze einen beispiellosen Eisverlust zur Folge gehabt haben: Innerhalb von drei Tagen, zwischen 7. und 9. August schmolzen 200.000 Quadratkilometer dahin – an jedem Tag die Fläche eines Viertels von Deutschland.

Ob die nun in den kommenden Tagen erwartete – offizielle und von allen Forschergruppen festgestellte – Rekordschmelze tatsächlich diesem ungewöhnlichen meteorologischen Phänomen zuzuschreiben ist, wird iind er Szene diskutiert. Klar ist: Die allgemeine Erwärmung hat schon vor dem Sommersturm zu einer Eisausdehnung am unteren Ende der langjährigen Kurvenskala geführt.  Die Vorzeichen standen also schon auf Minimum. Der Sommersturm dürfte die Situation dennoch  gravierend verschärft haben. Bis Anfang September wird es mutmaßlich mit dem Schmelzen im Nordpolargebiet weitergehen. Erst danach ziehen die Temperaturen und die Wetterbedingungen an, so dass wieder mit einer Zunahme der Packeisfläche im Herbst gerechnet werden kann.

Update Infografik v. 29. August:

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18 Lesermeinungen

  1. lwoelfel sagt:

    Eine Folge wird die...
    Eine Folge wird die Erschließung neuer Seewege für die Schifffahrt sein. So konnte jetzt ein chinesischer Eisbrecher direkt von China nach Island fahren.

  2. feliksch sagt:

    Die Sonnenstrahlen treffen das...
    Die Sonnenstrahlen treffen das arktische Eis in einem ziemlich flachen Winkel – sind also nicht wirklich effektiv. Der Wind hingegen kann innert Tagen grosse Gebiete vom Eis befreien oder damit bedecken und das tut er auch, so wie es ihm beliebt.
    Ich erinnere mich noch gut daran, wie die Modernen in den 70er Jahren das Lineare Denken lächerlich fanden.

  3. perfekt57 sagt:

    gibt es nicht evtl. schon seit...
    gibt es nicht evtl. schon seit ein paar jahren einen (us-?) schriftsteller, der die handlungen seiner machwerke (durchaus trivial, so hört man, dies aber keine nationenfrage, aber die aamerikaner sind uns eben immer voraus) an den südpol, also in die antarktis verlegt hat? weil wg. globaler erwärmung nur dort und nur noch dort, ein gemäßigtes, menschliches leben und überleben ermöglichendes klima herrsche? und gegenstand der handlung natürlich konflikte. also die sich natürlich und vollkommen unausweichlich einstellenden konflikt und überlebenskämpfe, gun-fights womöglich auch, wenn zu viele leute zwecks überleben auf einen für alle viel zu kleinen restkontinent wollten?
    .
    leider notierten wir uns den namen nicht.

  4. lutz-breunig sagt:

    @SDT ... das Problem ist die...
    @SDT … das Problem ist die Erkenntnis, dass nichts bleibt, wie es war.

  5. H.Sax sagt:

    Eine gute Nachricht für die...
    Eine gute Nachricht für die internationale Schifffahrt. Die Transportwege werden kürzer und die Reeder sparen Spritkosten. Wo ist also das Problem?

  6. arjuna_de sagt:

    OT: Ich wüsche mir ein...
    OT: Ich wüsche mir ein professionelleres Korrektorat: Die Anführungszeichen sind ein Mischmasch aus Richtig und Falsch, das Divis wird durchgängig als Gedankenstrich missbraucht, gegen Schluss heißt es “… iin der Szene …”, usw. usf. Das ist nicht F.A.Z.-like! (Und, übrigens: Den richtigen Gebrauch der Satzzeichen kann man auch noch im vorgerückten Alter lernen, auch wenn man Redakteur ist und sich vielleicht ja “nur” fürs Inhaltliche zuständig wähnt!)
    [Getippt auf Safari/iPad, deshalb notgedrungen ohne typografische Anführungszeichen …]

  7. torstenklier sagt:

    Aber bitte, arnidee, ich...
    Aber bitte, arnidee, ich würde mir nie wagen, die von den Lügnern und Fälschern, den sog. “Wissenschaftlern” verbreiteten Zahlenwerken zu misstrauen.
    Wenn die Fälscher sagen das Klima erwärmt sich, dann haben wir Untertanen das zu glauben.

  8. SDT sagt:

    @arnidee

    Die Daten sind...
    @arnidee
    Die Daten sind bestimmt richtig, aber worin soll das Problem liegen?

  9. marks1971 sagt:

    Da purzeln die Rekorde und es...
    Da purzeln die Rekorde und es wird noch munter weitergehen bis mitte September. Bis jetzt ist ja im deutschsprachigen Raum noch nicht viel berichtet worden über die neuen Rekorde obwohl auch Uni Bremen und z.B. Cryosphere Today schon neue Rekorde verzeichnen seit ein paar Tagen. Als letztes wird dann noch das National Snow und Ice Data Center in den US folgen. Gestern waren es nu 30,000 km2 bis zum neuen Rekord kann also sein, dass es er heute schon geknackt wird https://www.thearcticinstitute.org/2012/08/where-did-all-ice-go-arctic-ice-extent.html

  10. arnidee sagt:

    <p>Nun, dann ist es wohl nur...
    Nun, dann ist es wohl nur eine Frage der Zeit, wann hier die ersten Kommentare der üblichen Verdächtigen auftauchen, die die wissenschaftlich erhobenen Daten für falsch erklären und das Problem für nicht vorhanden ….
    SCNR

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