Die erfolgreichsten Physiker haben ein untrügliches Gefühl dafür, wie unsere Welt physikalisch funktioniert. Aber woher kommt diese physikalische Intuition und was hat sie mit wissenschaftlichen Modellen zu tun? Reflexionen im Schatten des Matterhorns und im Gedenken an den kürzlich verstorbenen Nobelpreisträger Charles Townes.
Wenn man ein bisschen philosophisch veranlagt ist und ein paar Tage in Zermatt verbringt, kommt man kaum umhin, sich Gedanken um Repräsentationen, also die Beziehung von Abbild und Abgebildetem, zu machen. Über dem Dorf thront riesenhaft-imposant das Matterhorn, aber auch im Dorf selbst ist man ständig umgeben vom Matterhorn in allen erdenklichen Formen: es grüßt von Gemälden und Zeichnungen verschiedenster stilistischer Ausprägungen, es ist auf Taschenmesser geprägt und man kann es als Kühlschrankmagnet erwerben. Es gibt wohl kaum ein Hotelzimmer, in dem kein Miniaturmodell des Matterhorns zu finden ist. Natürlich sind diese künstlerischen Repräsentationen an sich nicht sonderlich spannend oder philosophisch anregend: sie führen nicht unbedingt zu einem irgend-gearteten Erkenntnisgewinn und sind in den meisten Fällen ohnehin eher missglückt, so dass man sich lieber wieder dem echten Matterhorn zuwendet, so es denn bei gutem Wetter sichtbar ist. Vielleicht fällt einem diese Häufung von einfachen Matterhorn-Modellen aber auch nur dann besonders auf, wenn man sich sowieso und aus anderen Gründen Gedanken macht über das Verhältnis von Welt und Modellen, von Realität und Simulation und nicht zuletzt unsere eigene Rolle in all dem.

Konkreter Anlass für solche Gedanken konnte in der letzten Woche eine Konferenz sein, die knapp 200 Astrophysiker aus der ganzen Welt in Zermatt versammelte, um die vielfältigen Aspekte der Entstehung von Sternen zu diskutieren. Gewidmet war das Symposium dem Andenken an Charles H. Townes, den für die Entwicklung von Maser und Laser mit dem Nobelpreis geehrten Physiker, der die letzte Periode seiner wissenschaftlichen Karriere der Astrophysik gewidmet hatte und kürzlich im Alter von 99 Jahren gestorben ist. Der Eröffnungsvortrag der Tagung lieferte einen Überblick sowohl über die wissenschaftlichen Errungenschaften als auch über die menschliche Seite dieses Ausnahmewissenschaftlers. Paul F. Goldsmith vom Jet Propulsion Laboratory beschrieb seinen verstorbenen Doktorvater als inspirierenden, ungewöhnlich vielseitigen Wissenschaftler mit erstaunlichem Verständnis für plausible Fragestellungen und mögliche Lösungen. Goldsmith endete seinen Vortrag mit einer Aufzählung von drei Dingen, die er aus der Arbeit mit Townes gelernt hatte. Neben den Fähigkeiten, andere mit eigenen Ideen wissenschaftlich zu inspirieren (“bounce ideas off other people”) und wissenschaftlichen Problemen mit Optimismus zu begegnen, stolperte ich beim Zuhören über folgende Lektion Townes:
“Always try to find the simplest model or picture of the problem on which you are working. Don’t be embarrassed by having a simple idea. But don’t be intimidated if you have to go to something more complicated, as long as you understand what is going on and why the simple model does not work.”
Man sollte nach Townes also immer versuchen, das einfachste funktionierende Modell oder Bild für das Problem zu finden, an dem man grade arbeitet. Heißt das also mit anderen Worten, dass das einfachste Modell meist das beste ist? Ist es nicht vielmehr so, dass die einfachsten Modelle diejenigen sind, die sich am meisten von der komplexen Realität unterscheiden? Je einfacher das Bild, desto mehr Vereinfachungen und Idealisierungen sind schließlich am Werk, desto “falscher” ist in diesem Sinne das Modell. Mit der sprichwörtlich für ein zu einfaches Modell stehenden “sphärischen Kuh” kommt man bekanntlich nicht weit, wenn man wissen will wie man eine Kuh melkt. Ist man in unseren heutigen Zeiten der leistungsstarken Großrechner wirklich noch darauf angewiesen, einfache Modelle zu finden, wenn man auf der anderen Seite physikalische Systeme in aufwändigen Simulationen im Detail modellieren kann?

Im obigen Zitat ist allerdings gleich auch der Hinweis darauf enthalten, warum die Dinge vielleicht nicht ganz so einfach sind, und warum komplexere Modelle nicht automatisch immer besser sein müssen als einfache: es hat mit dem Anspruch zu tun, verstehen zu wollen, “was los ist”. Damit ist zunächst natürlich gemeint, dass man versteht, warum sich ein physikalisches System in einer bestimmten Weise verhält. Es ist aber auch gemeint, dass man versteht, wann welches Modell angemessen ist, was ein Modell leisten kann und was nicht, wann ein Modell an seine Grenzen stößt und warum. Dass man zum Beispiel die Kuh vielleicht noch als Kugel modellieren kann, wenn man allgemein an Herden-Bewegungen interessiert ist, aber eben nicht, wenn es darum geht, einen Kuhstall zu planen. Ein Grund, warum Charles Townes ein so außergewöhnlicher Physiker war, scheint zu sein, dass er dieses Verständnis in hohem Maße besaß. Paul Goldsmith bezog sich in seinem Vortrag wiederholt auf Townes besondere physikalische Intuition. So hatte Townes beispielsweise ein untrügliches Gefühl dafür, wann das Verhalten quantenmechanischer Systeme in einem klassischen Formalismus beschrieben werden kann, und wann dieser Formalismus an seine Grenzen stößt und eine volle quantenmechanische Rechnung notwendig ist.
Als Anekdote und zur Illustration zitierte Goldsmith die Memoiren von Townes ehemaligem Doktoranden Neal Evans, der davon berichtete, wie bei Berechnungen des Formaldehyd-Moleküls die quantenmechanischen Rechnungen wiederholt dem einfacheren, klassischen Modell dieses Moleküls widersprachen. Townes ließ daraufhin seinen Doktoranden die komplizierte quantenmechanische Rechnung immer weiter verfeinert wiederholen, bis Evans schließlich die Berechnungen auf einem der damals schnellsten Computer durchführen musste. Als schließlich genügend viele molekulare Energieniveaus, einschließlich virtueller, in der Rechnung berücksichtigt waren, stimmten das komplizierte und das vereinfachte Modell endlich überein. Evans schreibt:
“Charlie [Townes], with the characteristic intuitive feel for physics of a Nobelist, responded that we just had to do a better quantum calculation. This became the major project of my graduate years. […] I eventually wound up with two boxes of cards going into the fastest computer at LBL, the CDC 7600. I kept cranking up the level of the interaction […] running longer and longer until, hallelujah, I saw the ratio of collision rates bend and then switch to the classical result. Finally, my massive quantum machinery had confirmed Charlie’s intuition, and I could quit. The lesson here is obvious: Charlie’s physical intuition could beat a lot of CPU cycles!”
Als ich Goldsmith in der Kaffeepause auf die Verwendung einfacher Modelle ansprach, bestätigte er, dass er als ein Merkmal physikalischer Intuition genau dieses tiefe Verständnis eines Physikers ansieht, zu wissen wann ein einfaches Modell anwendbar ist und wann nicht. In seinem Vortrag hatte er Evans Anekdote mit den Worten kommentiert: “How did Townes know???”. Wie konnte er so sicher sein, dass die quantenmechanische Rechnung schließlich mit der klassischen übereinstimmen würde? Vermutlich hätte Townes selbst die Frage auch nicht erschöpfend beantworten können, sonst hätte er seinem Doktoranden wohl einige Arbeit erspart. Das besondere Talent Townes, das so viele große Physiker besaßen und besitzen, scheint also weniger ein explizites, in Worte fassbares Wissen zu sein, als vielmehr eine Fähigkeit, eine Intuition im eigentlichen Wortsinn. Was ist also physikalische Intuition und woher kommt sie? Diese Frage ist alles andere als trivial und Goldsmith schlug in unserer Pausenkonversation vor, diese Frage empirisch zu klären, indem man die Physiker selber fragt. Leider war die Konferenz zu kurz, um die Kollegen in wissenschaftstheoretische Gespräche zu verwickeln. In jedem Fall scheint physikalische Intuition aber zumindest teilweise ein Talent wie viele andere zu sein, ein Talent, das man haben kann oder auch nicht. Trotzdem scheint es Wege zu geben, diese Intuition zu trainieren. Tatsächlich macht dieses Training einen großen Teil des Physikstudiums aus. Mit jedem Experiment das man macht, mit jeder Übungsaufgabe, die man rechnet, bekommt man ein besseres Gefühl dafür, wie sich unsere Welt physikalisch verhält und welchen Gesetzen sie folgt.

Es ist interessant, dass man hier schon wieder auf einfache Modelle stößt: in unserem Gespräch führte Goldsmith das “Herumspielen” mit einfachen Modellen als eine mögliche Quelle physikalischer Intuition an. Wenn man einfache Modelle austestet, an Parametern spielt, die Reaktion des Systems auf diese Variationen studiert, dann schult man sein physikalisches Verständnis. Man bekommt ein Gefühl dafür, welchen Funktionsweisen das System gehorcht, und kann dieses Verständnis daraufhin dafür einsetzen, das Modell und seine Anwendungsgrenzen einzuschätzen. Dazu gehört auch, einschätzen zu können, welches die wichtigsten Eigenschaften eines Systems sind, um ein bestimmtes Problem zu verstehen. Zum Beispiel wann man bei mechanischen Problemen die Luftreibung vernachlässigen kann (Pendel im Vakuum) und wann die Luftreibung der entscheidende Faktor ist (Luftballon als Pendelmasse).
Das Potential einfacher Modelle, ein Verstehen von Zusammenhängen und Verhaltensweisen zu ermöglichen, wurde auch in der philosophischen Diskussion wissenschaftlicher Modelle beschrieben. Den Extremfall stellen die sogenannten “Toy models” oder “study models” (siehe z.B. Stanford encyclopedia) dar, die es in praktisch allen Bereichen wissenschaftlicher Forschung gibt, und die typischerweise so stark vereinfacht sind, dass man sie nicht als beschreibendes Modell von etwas real Existierendem ansehen kann. Trotz der fehlenden Anwendbarkeit werden sie genutzt, um ein “Gefühl” für die implementierten Mechanismen, die genutzten mathematischen Techniken oder die aus einem größeren Kontext extrahierte, implementierte Eigenschaft zu bekommen.

Der Grund weshalb manchmal ein einfaches Modell besser sein mag als ein kompliziertes scheint also folgender zu sein: weil es physikalisches Verständnis ermöglicht und weil es Komplexität reduziert und transparent macht. Wir Menschen haben bekanntlich große Probleme, ein verstehendes Verhältnis zu komplexen, nichtlinearen Systemen aufzubauen, wenn wir keinen Weg finden, die Relevanz von Teilprozessen einzuschätzen. Komplizierte Modelle und Simulationen sind zwar sehr viel exakter in der Beschreibung realer Systeme. Unserem Verständnis dieser realen Systeme und der ablaufenden Prozesse kann ein einfaches Modell aber manchmal durchaus bessere Dienste leisten.
Trotzdem scheinen einfache Modelle in unserer heutigen Wissenschaftspraxis einen zunehmend schweren Stand zu haben: aufwändige Simulationen liefern beeindruckenden Output in Form realistisch wirkender Filmsequenzen, mit einfachen Modellen ist es im Vergleich sehr viel schwieriger, für Eindruck zu sorgen. Angesichts der heute verfügbaren Rechnerleistungen ist dies eine natürliche Entwicklung, die der Wissenschaft neue Wege des Erkenntnisgewinns eröffnet.
Wenn man die von Goldsmith formulierte Lektion Townes ernst nimmt, mag diese Entwicklung aber dann besorgniserregend werden, wenn sie zur Folge hat, dass immer weniger Zeit dafür zur Verfügung steht, ein komplexes numerisches Modell im Detail zu verstehen, es auf einfache Teilmodelle zurück zu führen oder einfach “spielend” ein Gefühl für das Modell zu entwickeln. Tatsächlich kommt man heute kaum noch darum herum, numerische Modelle immer wieder wie “black boxes” zu behandeln, das heißt ohne dass immer klar ist, was im Detail im Inneren des Quellcodes vor sich geht. Die Erinnerung an Charles H. Townes mag insofern auch als Mahnung gesehen werden, physikalischem Verständnis und physikalischer Intuition weiterhin einen genügend großen Entfaltungsspielraum innerhalb der immer hektischer und Output-orientierter werdenden Forschungspraxis einzuräumen.

Im Übrigen kann man wohl sagen, dass auch im Fall des Matterhorns das einfachste Modell keineswegs das schlechteste ist, wenn auch aus deutlich anderen Gründen als bei wissenschaftlichen Modellen: selbst wenn jemand mit dem Namen “Matterhorn” nichts anfangen kann, weiß sofort jeder Bescheid, wenn man es als den Berg vorstellt, der durch die bekannten, im Querschnitt pyramidenförmigen, Schweizer Schokoladenriegel repräsentiert wird.
Special thanks to Paul Goldsmith for sending me the slides of his talk.
Titel eingeben
Ich kann die Aussagen des Verstorbenen sehr gut nachvollziehen: Man steht vor einem Problem, hat es mit vielleicht einigen vorhandenen Eckdaten bildhaft vor Augen – und eine sich anbahnende Lösung ebenso. Die kann man evtl. nicht sofort formulieren, aber man sieht die Ansätze und den möglichen Weg zur Realisierung. Das ist bei jedem Problem so, egal aus welchem Bereich.
Und ausgerechnet in der Astrophysik tummeln sich heute mehrheitlich Protagonisten wie der “Serienstar” Michio Kaku, die über die String Theorien von Blasen-Multiversen und Vielewelt Theorien schwärmen – Bereichen von denen sie nur zu genau wissen, daß die sich nie beweisen lassen. Aber das ficht sie nicht an, denn sie haben es immerhin geschafft, pure Behauptungen mitlerweile als Fakten dazustellen. Sie mögen ausgezeichnete Mathematiker sein – Physiker sind sie nicht. Heute beschäftigen sich tausende Physiker mit diesen Spielereien – vermutlich weil ihnen die Phantasie (Intuition) fehlt, sich mit den heutigen – teilweise seit Jahrzehnten ungelösten – Problemen der “realen” Physik zu beschäftigen. Aus reiner Not und um eine Daseinsberechtigung zu generieren, beschäftigt man sich mehr und mehr mit Träumereien. Ich kann das alles schon fast nicht mehr ernst nehmen.
Auf der anderen Seite @Thomas Braun hat Zwicky in den 1930gern u.A. schon darauf aufmerksam gemacht, daß die tatsächliche Rotationsgeschwindigkeit der Galaxien diese eigentlich zerstören würde – es müsse also etwas geben, was sie zusammenhält. Die Lehrwissenschaft hat sich teilweise lustig über ihn gemacht, bis Vera Rubin sich in den 1970gern an die Arbeit machte – und Zwicky bestätigte. Man hätte das Problem der dunklen Materie schon 40 Jahre früher erkennen können…
Da wird von diesen Protagonisten auch immer vehementer behauptet, man sei jetzt von der “GUT” nicht mehr weit entfernt – vergißt aber zu erwähnen, daß man rund 95% der Gesamternergie/Materie in unserem Universum bis jetzt überhaupt nicht verstanden hat….
Ich werde das Gefühl einfach nicht mehr los, da arbeitet ein ganzer Wissenschaftszweig mit Hochdruck an seiner eigenen Narrenfreiheit.
Zwei Astrophysik Tagungen in der Schweiz zur fast gleichen Zeit
Die andere Astrophysiker Tagung fand im Kanton Glarus statt, es ging um Prof. Dr. Fritz Zwicky, der am CalTech u.a. die Supernova Forschung vorantrieb und nebenbei noch den Raketenantrieb erfand und als Erster auch umsetzte, indem er die erste Rakete baute, die den Orbit verlassen hat. Daneben setzte er sich auch mit der Thematik der Intuition auseinander und entwickelte den morphologischen Kasten, ein extrem starkes Denkinstrument, wenn man denn es richtig bedienen kann. Mehr Informationen zur gerichteten Intuition finden sich unter sokratesgroup.com – Thomas Braun
Intuitionen?
Die Berge von Sterne/Stirne…bilden Gestirne/Gehirne?
Das Matterhorn…das Marterhirn?
Berge und bergen…das verborgene Begreifen bergen, in den Bergen?
Das Universum lieben…wenn wir es begreifen wollen?
Studieren heißt sich bemühen, in Liebe?
Berg und Gegenberg/Tal?…sin/cos…Schwingung/Gegenschwingung?
Winkelfunktionen…arctan/arccotan…hyperbolisch graduierte Ableitungen?
Alternierung…Niere/Reinigung…Alter/Age/H(irn…hier rein)… nieren/reifen…intuitive Hirnreifung…intuitiv mentales Training?
Liebe…lieben und lieben lassen…begreifen und begreifen lassen?
Wir unterschätzen das, was wir haben und überschätzen das, was wir sind?
Marie von Ebner-Eschenbach
…L/liebe…begreifende Vernunftbildungsfähigkeit…wenn wir lieben
und lieben lassen…bergen und bergen lassen?
Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.
Mahatma Gandhi
Das Geld, das man besitzt, ist das Mittel zur Freiheit, dasjenige, dem man nachjagt, das Mittel zur Knechtschaft.
Jean-Jacques Rousseau
Geld…Kapital…humane Vernunft?…
das kleinste G/gemein(e)S/same(n)…the same…Vielfache…
vielfächrige Gehirne/Gestirne…Liebe universal?
:=)
Intuition vs. Publikation
Ja, „Big Data“ ist heute überall und selbst dann, wenn man wie oft in der Astrophysik vergleichsweise wenige Daten hat, kann man immer noch eine Big Simulation machen.
Früher hat man sich bei Computermodellen immer wieder gefragt, in wieweit die Ergebnisse Artefakte der Algorithmen sein könnten, das scheint mittlerweile aber aus der Mode gekommen zu sein.
Manche werden sich noch an die „Apfelmännchen“ der Mandelbrot-Menge erinnern, bei denen der Algorithmus so einfach ist, daß er selbst auf einem einfachen Rechner leicht programmiert werden kann. Damals wurde entsprechend darüber diskutiert, ob die Strukturen und die Selbstähnlichkeit nun „reel“ sind oder auf Rundungsfehlern oder ähnlichem beruhen könnten.
Heute simuliert man mal eben die gesamte Entstehung des Universums inklusive Dunkler Materie – obwohl man die Ausgangssituation aus Modellen ableiten muß und nur einen Teil der Eigenschaften der Ingredienzien wirklich kennt. Da kann man nur hoffen, daß bei der Programmierung auch ausreichend Intuition dabei war…
Konkret gesagt bin ich bei solchen Übungen meist einigermaßen skeptisch: ja, man hat mit der Simulation die und jene Beobachtungen gut reproduziert – aber: a) was hat man weggelassen, weil es nicht „paßte“, b) wie weit hat man die Robustheit des Codes untersucht (daß bei ähnlichen Eingangsparametern auch ähnliche Ergebnisse herauskommen) und c) verstehe ich durch das Ergebnis nun einen Aspekt der Welt besser oder habe ich letztlich nur schöne Bilder für eine Publikation erzeugt?
Schon der erste Aspekt wird oft nonchalant nebenher abgehandelt und ist doch ganz wesentlich. Meist gibt es dazu höchstens eine Art Liste – aber wie jeder Kundige weiß, sind sehr oft diese Randbedingungen fast alleine für das Ergebnis verantwortlich. Also wäre eine detaillierte Beschreibung nötig, warum man den Ansatz gerade so und nicht anders gewählt hat – und das ist dann auch oft wieder eine Frage der Intution.
Bei der technischen Umsetzung ist es ähnlich: wer garantiert mir, daß der Code auch dort korrekt arbeitet, wo noch nie jemand getestet hat? Jeder Code enthält Fehler, die oft sehr lange unerkannt bleiben (daher die vielen Updates der großen Hersteller) – was machen die mit meiner Simulation?
Der brave Doktorand von Townes war immerhin so tapfer, daß er keine „Abkürzung“ gewählt hat – mit geeigneten Näherungsrechnungen hätte er das gewünschte Ergebnis sicher schneller erhalten. Allerdings wäre dann dabei eben der Nachweis auf der Strecke geblieben, den konnte er nur durch die mühsame korrekte Rechnung erbringen.
:=)
Unter Intuition versteht man die Fähigkeit gewisser Leute, eine Lage in Sekundenschnelle falsch zu beurteilen.
Friedrich Dürrenmatt